Review: MORD AN EINEM CHINESISCHEN BUCHMACHER - Opfergaben des Künstlerdaseins

Review: MORD AN EINEM CHINESISCHEN BUCHMACHER  - Opfergaben des Künstlerdaseins
Fakten:
Mord an einem chinesischen Buchmacher (The Killing of a Chinese Bookie)
USA. 1976.
Regie und Buch: John Cassavetes. Mit: Ben Gazzara, Aziz Johari, Meade Roberts, Robert Philips, Virginia Carrington, Timothy Carey, Seymour Cassel u.a. Länge: 135 Minuten. FSK: freigegeben ab 12 Jahren. Auf DVD erhältlich.
Story:
Cosmo, ein Nachtclubbesitzer aus San Francisco, kann seine Spielschulden nicht begleichen. Sein Gläubiger stellt Cosmo nun vor eine Wahl: entweder er stirbt oder er tötet einen Konkurrenten aus Chinatown.


Meinung:
Man braucht eine Weile, um dahinter zu kommen, warum John Cassavetes nach solch einem empathischen Film wie 'EINE FRAU UNTER EINFLUSS' derartig in die nihilistische bis pessimistische Schiene mit seiner 'ERMORDUNG EINES CHINESISCHEN BUCHHALTERS' abrutscht. Darin geht's bei einem gepflegten, Genre-bekannten Mob-Plot um Nachtclubbesitzer Cosmo (Ben Gazzara), der einfach seinen verdienten Frieden finden will, aber immer wieder Schulden auf sich lädt, bis er von einigen einschüchternden, doch innerlich allmählich zerbrechenden, heuchlerischen Gestalten zum Mord an einer Größe der chinesischen Triaden gezwungen wird, für den sie selber keinen Mumm haben. Das innere, nachvollziehbar-furchtsame Nervenbündel seines Protagonisten trägt Cassavetes gelungen nach außen, da setzt er bezeichnenderweise seine objektive Kamera erneut als bedrängendes Auge ein (siehe jene Szene, in der Cosmo die Waffe und Instruktionen von allen Seiten im Auto zugesteckt bekommt) und versperrt allzu gerne die befreiende Sicht aufs eigentliche Interessenfeld (siehe einzelne Stripteases und auch die Draufsicht auf Seymour Cassels Leiche). Und dennoch will sich sein Cosmo von außen hin nicht als Kind von Traurigkeit darstellen, sucht und drängt auf Ablenkung, versteckt seinen Unmut (sowie seine Wunden) und widmet sich (im-Grunde-Henkersmahlzeit-mäßig) der Liebe, gibt auch den willigen Täter, solange er seine Schulden los wird - obwohl er sichtlich keine Lust drauf hat, bringt er sein Opfer der Unschuld und macht sich danach schnellstens auf die Flucht, querbeet durch mehrere Anlaufstellen, mit verschiedenen Alibis parat, Hauptsache weg von dem unliebsamen Business.

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Kann nicht davon laufen: Cosmo

Stattdessen lieber zurück in sein eigenes, Freuden-spendendes Etablissement, wo jede Nacht eine neue Show aufs Parkett gelegt wird und er seinen Cast ausnahmslos kennt, besucht, mit Geschenken verwöhnt, motiviert und natürlich zweifellos liebt. Über die Qualität des daraus entwickelten, absurden Nudie-Schauspiels lässt sich streiten, nicht aber über den Enthusiasmus seiner Macher, auch wenn dieser in trivialen Sleaze abdriftet, ist es für sie immer noch eine Kunst - die durchweg Rückschläge einstecken muss, für die Cosmo sogar gezwungenermaßen töten muss und trotzdem nicht in Ruhe gelassen wird. Es widerspiegelt Cassavetes eigene Schwierigkeiten in der Film-Industrie, wie mit seinen Werken umgegangen wurde, wie er diese aus den letzten Löchern zusammenfinanzieren und auch im Falle vom oben genannten '...UNTER EINFLUSS' auf eigene Faust an den Mann bringen musste, weil sich niemand mit seiner außergewöhnlichen Stimme abgeben wollte, auch wenn es offenbar ein Publikum dafür gab - das zog sich später soweit hin, dass er einen seiner letzten Filme, 'LOVE STREAMS' bei CANNON raus brachte, zu der Zeit in ihrer Funktion tatsächlich noch eine der letzten, einigermaßen einflussreichen Anlaufstellen für ambitionierte Autorenfilmer.

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Cosmo lächelt... noch

Cosmo ist Cassavetes' Alter Ego und diese gnadenlose 'ERMORDUNG...' ein außerordentlich persönlicher Film der Verzweiflung im Angesicht von arsch- und skrupellosen Miesmachern/Produzenten. Persönlichkeiten sind natürlich im Innern immer sperrig und so rückt jener dies verkörpernder Film nicht wirklich gerne mit der Sprache raus, erscheint zunächst wie der altbekannte Genre-Pulp, den man sich aus der Synopsis erdenken kann, nur eben aus einer ungewohnten Position heraus gefilmt, u.a. mit einem starken Fokus auf jene schludrigen Revue-Nummern. Allmählich bemerkt man aber auch die schmeichelnde Zärtlichkeit Cosmos um seine weiblichen Schützlinge und vorallem wie er sich nicht geniert, eine Gesangsnummer am Telefon vorzuträllen, um von einem Mitarbeiter zu erfahren, ob diese derzeitig im Club läuft, obwohl er gerade von einer harschen Reifenpanne auf dem Weg zum jüngst erteilten Auftragsmord kommt.

Es scheint nun mal ein brutales Geschäft in der Unterhaltungs-Industrie zu sein, die Tendenz zur Kriminalität ist da durchaus keine Unmöglichkeit und Cassavetes' Film stellt das klipp und klar in drastischer, ernüchternder Relation. Keine hübsche Angelegenheit und in seinem Sinne auch kein gefälliges Produkt, denn wie Cosmo setzt er trotz aller Hürden noch immer alles daran, die persönlich-erdachte Show auf die Beine zu stellen, selbst wenn man schon zum Ausbluten freigegeben wurde - da muss man tief schlucken und das Ende bleibt für einen ungewiss, aber besser so als gar nicht (auch wenn die Bedingungen schon besser sein sollten, keine Frage).

7 von 10 Erpressungen

vom Witte

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