Review: MISERY – Ein Künstler ist nichts ohne seine Fans

Review: MISERY – Ein Künstler ist nichts ohne seine Fans
Fakten:
Misery
USA. 1990.
Regie: Rob Reiner. Buch: William Goldman, Stephen King (Vorlage). Mit: James Caan, Kathy Bates, Richard Farnsworth, Lauren Bacall, Frances Sternhagen, Graham Jarvis, J.T. Walsh, Jerry Potter u.a. Länge: 103 Minuten. FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.
Story:
Erfolgsautor Paul Sheldon ist mit dem Auto inmitten eines Schneechaos unterwegs, um das fertige Manuskript seines neuen Romans abzuliefern. Nach einem heftigen Unfall, wird er vorm sicheren Tod von der Krankenschwester Annie gerettet, die ihn aus dem Autowrack zieht und ihn daheim behandelt. Glück im Unglück? Ja, aber nur zunächst, denn Annie ist ein fanatischer Fan von Pauls Arbeit. Ganz besonders hat es ihr die Romanfigur Misery angetan. Doch als Annie im Manuskript lesen muss, dass eben jene Misery sterben wird, tut sie alles damit Paul sein Buch umschreibt.


Meinung:
Jeder Mensch hat so seine Vorbilder und Helden, zu denen er mit funkelnden Augen aufsehen kann, die ihm helfen, neue Kraft und neuen Mut zu schöpfen und denen er sich auch mal bei Entscheidungen im persönlichen Werdegangs hier und da inspirieren lässt. Ob wir da nun von einem Familienmitglied oder von einer Berühmtheit sprechen, ist in erster Linie erst einmal sekundär. Viel ausschlaggebender ist der Grat der jeweiligen Bewunderung, der sich entweder in einem noch normalen Rahmen abspielt und den individuellen Entwicklungsprozess nicht wesentlich hemmt oder der die zunehmend auftretenden pathologischen Tendenzen irgendwann bestätigt und aus denen sich schließlich auch eine destruktive Form von Abhängigkeit entwickelt. Wie tief sich ein Menschen in diese leibeigene Besessenheit eingraben kann, zeigen nicht nur die alltäglichen Nachrichten aus aller Welt in tragischer wie erschreckender Deutlichkeit. Auch in der Kinematographie, in der intervallartigen Interpretation des wahren Lebens, findet sie ihren wachrüttelnden Platz – Und exemplarisch dafür dient inzwischen wohl Rob Reiners „Misery“.

Review: MISERY – Ein Künstler ist nichts ohne seine Fans

Ein Autogramm, bitte

Nach dem sensiblen Coming-of-Age „Stand By Me“ widmete sich Rob Reiner 4 Jahre später erneut einer Vorlage von Stephen King, mit dem Unterschied, dass „Misery“ auf einem Roman und nicht auf einem Segment einer Novellensammlung basiert. Die Adaptionsbedingungen waren also ganz andere, doch William Goldman hat seine Sache, gerade in Anbetracht anderer King-Verfilmungen (siehe „Friedhof der Kuscheltiere“, in dem der Meister sein eigenes Meisterwerk verunstaltete) doch überaus ordentlich gemacht. Zentrum sind natürlich weiterhin der Autor Paul Sheldon (James Caan), der sich von einer Berghütte in Colorado auf den Weg zurück nach New York City machen will, um sein Manuskript, der Abschluss seiner populären „Misery“-Reihe, einzureichen, dabei aber aufgrund eines Schneesturms von der Straße abkommt. Gerettet wird er darauf von Annie Wilkes (Kathy Bates), die ihn pflegt und sich auch noch als größter Fan seiner „Misery“-Saga zu erkennen gibt. Bereits nach der lebensrettenden Bergung, wenn Annie ihre Liebe zu Pauls literarischer Begabung gesteht, akzentuiert „Misery“ gekonnt das listiges Fragezeichen hinter dem bloßen Zufall, welcher im späteren Verlauf immer wieder in Frage gestellt werden muss. Stichwort: Weinglas.

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Annie kümmert sich rührend um Paul

William Goldman teilt „Misery“ aber nicht nur in diese Parteien, mit Sheriff McCain und seiner Frau werden zwei Figuren eingeführt, die das Gefühl der Außenwelt transportieren und sich auf die Suche nach Paul begeben, der sich nun nicht spurlos in Luft auflösen konnte. Obwohl diese Sicht durchaus interessant anmutet, bleibt sie sträflich ungenutzt und die Gespräche zwischen dem Ehepaar dienen nicht der atmosphärischen Intensivierung, sonder maximal dazu, dem Zuschauer das ein oder anderen Schmunzeln zu entlocken. Der Fokus liegt auf dem Mikrokosmos von Annies Haus und ihren bipolaren Launen im Umgang mit ihrem ans Bett gefesselten Liebling. Gibt sich die Frau zu Anfang noch als besonnene, gutmütige Pflegerin, wechselt die Stimmung dann, wenn Paul ihr erlaubt, einen Blick in sein neustes Werk zu werfen. Wie Rob Reiner darauf die klaustrophobische Lage einfängt und Annie in ihrer brodelnden Obsession darstellt, weiß zu packen und die gewissenlose Konsequenz ihrerseits, Paul jedes noch so erdenkliche Leid zuzufügen, nur damit er bei ihr bleibt, nur damit er ihr höriges Opfer ist, ebenfalls die mentale Anspannungen beider Seiten entsprechend hitzig zu formulieren. Vergleicht man jedoch die Härte zu Kings Vorlage, dann bleibt Reiners Tonalität deutlich auf der Strecke.

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A Hammer a day keeps the doctor away - oder so ähnlich

„Misery“ leidet zuweilen relativ offensichtlich unter der konventionellen Einstellung Reiners, der sich vor der Darstellung klarer Gewalt sträubt, darüber hinaus aber auch einige Male nicht weiß, wie er den Schrecken Annies in voller Intensität visualisieren soll. Etwas ungelenk wirkt seine Inszenierung schon im adäquaten Bezug zur physischen und psychischen Intensität und oszilliert zwischen brachialer Direktheit und lascher Entkrampfung. So gut Kathy Bates die Bedrohung Annies auch ausspielt, den wahren Schrecken verleiht ihr erst die Kameraarbeit von Barry Sonnenfeld, die ihre polternden Auftritte immer wieder in die niedrige Vertikale verlegt und mehr aus der Situation herausholt, als Bates es durch ihre Performance zugeben möchte. Da macht James Caan, auch wenn Stephen King alles andere als erfreut über seine Besetzung war, seine Sache fast schon besser, in dem er sich in logischem Opportunismus den Forderungen seiner Peinigerin beugt, um seine missliche Situation nicht noch weiter zu verschlechtern. „Misery“ verdichtet seine Klima immer in den Augenblicken, in denen dem Zuschauer unmissverständlich klar wird, dass, egal wie sehr sich Paul auch verstellt, Annie immer am längeren Hebel sitzt.

Dass „Misery“ eine der wenigen wirklich gelungenen King-Verfilmungen ist, steht schon gar nicht mehr zur Debatte, Reiner agiert im Gegensatz zur Vorlage zwar etwas zu zahm, kann sich aber bedingungslos auf seine Hauptdarsteller, Goldmans Adaptionsverständnis und die ungemein förderliche Kameraführung verlassen. Sicher ist „Misery“ nicht das Meisterwerk, zu dem es oft gekrönt wird, aber ein spannender und durchaus atmosphärischer Psycho-Thriller ist dem New Yorker trotz seiner Konventionentreue allemal geglückt.

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