Review: MARCO POLO (Staffel 1) - Ein öder Held vor toller Kulisse

Erstellt am 23. Dezember 2015 von Die Drei Muscheln @DieDreiMuscheln

Fakten:
Marco Polo – Staffel 1
USA. 2014.
Regie: Joachim Rønning, Espen Sandberg, Alik Sakharov, Daniel Minahan, John Maybury, David Petrarca. Buch: John Fusco, Michael Chernuchin, Dave Erickson, Patrick Macmanus, Brett Conrad. Mit: Lorenzo Richelmy, Benedict Wong, Joan Chen, Remy Hu, Zhu Zhu, Olivia Cheng, Mahesh Jadu, Lawrence Makoare, Rick Yune, Pierfrancesco Favino, Claudia Kim, Amr Waked u.a. Länge: 10 Episoden á ca. 60 Minuten. FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.
Story:
„Marco Polo“ zeigt die jungen Jahre des Chinareisenden und wie er durch seinen Vater Niccolò Polo, einen Forscher und Händler, Asien kennengelernt hat. Bei dem Enkel von Dschingis Khan, Kublai Khan, lässt Niccolò Polo seinen Sohn als Pfand zurück, um selbst frei gelassen zu werden. Daraufhin gibt Kublai Khan Marco den Befehl, einen Bericht zu schreiben...


Meinung:
Netflix hat sich gemausert. Waren früher noch viele skeptisch, ob der amerikanische Streamingdienst auch mit Eigenproduktionen punkten kann, erweisen sich diese als ausgesprochen sehenswerte Serien. Angefangen von „Unbreakble Kimmy Schmidt“ über „Daredevil“ oder „Orange is the New Black“. Mit „Marco Polo“ stieg der Streaming-Riese nun auch in den Sektor historischer Serien wie etwa „Turn“ oder „Crossbones“ ein. Wie gewohnt vom Unternehmen erweist sich „Marco Polo“ als technisch einwandfrei umgesetzte Erzählung, doch kann die Serie auch abseits ihrer technischen Seite überzeugen?

Kublai Khan unterweist Marco Polo in der Kriegsführung

Wer jetzt zu faul ist, um weiterzulesen, hier gleich vorweg ein Vorabfazit: „Marco Polo“ ist ohne Zweifel keine misslungene Serie, allerdings reicht ihre narrative Qualität nicht an die anderen Eigenformate von Netflix heran. Das liegt daran, dass sich die Serie erzählerisch mit teils argen Tempoproblemen herumplagt. Es gibt Subplots und Figuren, deren Aufbau entweder so langsam geschehen, dass eine ungute Langatmigkeit entsteht, oder die Serie drückt so enorm aufs Gaspedal, dass sich bei dem Gehetze kein richtige Gefühl für die Figuren, deren Situation und die Umwelt ergeben. Dennoch erschafft die Serie eine authentische Welt, die mit vielen liebevollen Details angereichert ist. Vor allem Benedict Wong als fülliger Kublai Khan, der Enkel des großen Dschingis Khan, liefert eine erinnerungswürdige Performance ab. Ein Lob, was leider so gar nicht für den Hauptdarsteller Lorenzo Richelmy passt, der als Titelheld elendig blass bleibt. Es ist schon etwas seltsam, wenn ausgerechnet die Figur, um die sich allesdreht, der Charakter ist, der am uninteressantesten porträtiert und weitergeformt wird. Nach gut der Hälfte seiner Spielzeit, nimmt die Serie aber zum Glück ordentlich Fahrt auf. Marco Polo selbst bleibt blass, aber die Intrigen und Machtspiele zwischen dem Khan und den chinesischen Herrschern, erhalten narrativ eine bessere Gewichtung. Was allerdings dadurch nicht wettgemacht wird, ist der teilweise wirklich unfreiwillig komische Gebrauch von Nacktheit. Nichts gegen Nacktheit, doch so wie sie hier eingesetzt wird, verkommt sie zu einem marktschreierischen Effekt. Trauriges Highlight ist eine Kampfszenen zwischen einer Assassinen und einigen Wachen.

Aber genug gemosert und gemeckert. „Marco Polo“ bietet solide Unterhaltung, die Historie mit politischem Thrill und leichtem Martial-Arts-Einschlag kreuzt. Das Ergebnis ist durchaus bildgewaltig und gegen Ende der Staffel auch durchaus in der Lage richtig zu fesseln. In seiner Gesamtheit erreicht „Marco Polo“ aber niemals das Gefühl etwas wirklich Großes zu sein. Netflix hat sich hierbei sicherlich nicht komplett verhoben, aber zumindest in Sachen Dramaturgie, bzw. Narration und Heldendesign nicht den Qualitätsstandard abgeliefert wie bei ihren anderen Hausproduktionen.

5,5 von 10 Trainingseinheiten mit einer Kobra