[Review mal anders] „Tage mit Leuchtkäfern“ von Zoe Hagen

Von Nightingale @nightingale78

Autorin: Zoe Hagen / 192 Seiten / Taschenbuch, Klappenbroschur / Verlag: Ullstein / auch erhältlich bei: Bücher.de, mayersche.de

Der Plot…

Du bist einsam und unglücklich, dein Leben wie ein falscher Film, der an dir vorbeiläuft. Bis du neue Freunde triffst. Gut, die sind alle ein bisschen verrückt, sie nennen sich »Der Club der verhinderten Selbstmörder«. Aber sie geben dir Halt und sind wie Leuchtkäfer in deiner bodenlosen Traurigkeit. Denn du hast nur das eine Leben.

»Das Leben wäre so leicht, wenn es nicht so schwer wäre«

Mein Resumé…

In Tagebuch-Form schreibt die Protagonistin, genannt Ghandi, Briefe an Gott. Doch es ist nicht der leibhaftige Gott, sondern vielmehr verbindet sie damit eine stärkere Ebene von der sie sich Gehör erhofft. Sie fühlt sie sich vom Leben übergangen, missverstanden und einsam. Kompensiert wird der Frust über ihre Familie und ihr Leben, durch »Gespräche mit ihrem Freund«, die Kloschüssel. Ein krasser Einblick in die Psyche eines Mädchens, das nicht weiß, was sie mit sich anfangen soll und daher ihren Körper Stück für Stück kaputt macht. Und dann trifft sie in einem Park auf Fred, der sie zu einem Treffen »der verhinderten Selbstmörder« einlädt.

„»Das Leben hat einen Wert, das Leben hat einen Wert«. aber ich kann nicht anders, als zu denken, dass ich es nicht wert bin zu leben.“

-aus „Tage mit Leuchtkäfern“

Pro’s

An Sprachkraft fehlt es TAGE MIT LEUCHTKÄFERN nicht. Zoe Hagen weiß, wie sie wunderschöne Prosa auf gedrucktes Papier bringt. Ihr Erfolg als Poetry-Slammerin kommt also nicht von ungefähr. Ich saugte ihren wortgewaltigen lyrischen Schreibstil, mit einer Mischung aus Faszination und Verliebtheit in mich auf. Auch die Thematik hat bei mir Anklang gefunden. Ich unterstütze es, wenn sich in dieser Form mit Depression, Bulimie und/oder Suizid auseinander gesetzt wird. Das gleich alle drei Aspekte hier zu zentralen Themen werden, überraschte mich. Die für die Protagonistin quälenden Tage werden dem Leser hier entsprechend kraftvoll und sehr bedrückend geschildert. Ghandis Persönlichkeit empfand ich, trotz ihres depressiven Zustands, als umgänglich. Man möchte als Leser die Gründe für ihre Einsamkeit und Schmerzen ergründen. Sich in sie reinzuversetzen, war für mich aber nicht immer ganz einfach. Die Nebenfiguren wirkten auf mich alle interessant, daher hätte ich mir ein paar Seiten mehr mit ihnen gewünscht.

„Ich glaube, wir sind alle Glühwürmchen, wir alle haben ein Licht in uns, und wir alle sehnen uns nach Liebe.“

„Glühwürmchen sind gar keine Würmer, sondern Käfer. Leuchtkäfer.“

-aus „Tage mit Leuchtkäfern“

Kontra’s

So manches Mal änderte sich die Ausdrucksweise, was mich etwas verwirrte. Die wunderschöne Prosa verschwand und wurde durch Sätze auf Mittelstufen-Niveau ersetzt. Man erfährt zudem nur bruchstückhaft was zu Ghandis Kaputtheit geführt hat. Die familiären Hintergründe sind teilweise sehr schwammig umschrieben. Auch die Vergangenheit von Ghandis neuen Freunden, die sie ja alle zueinander geführt hatte, wurde nur schemenhaft formuliert. Sobald es weiter ins Detail ging, gab es einen zu schnellen Umbruch. Für andere Leser werden gerade die Lücken und das Schwammige den Reiz des Buches ausmachen. In der Regel mag ich es auch, in einer Geschichte auf Entdeckungsreise zu gehen. Bei so einem dünnen Buch wollte ich aber nicht noch Rätsel entschlüsseln.

»Nichts ist so schmerzhaft wie das Leben…«
Fabien: »Und nichts so schön.«

-aus „Tage mit Leuchtkäfern“

Spieglein Spieglein…

Mir gefallen die angedeuteten Straßenschilder auf dem Cover, denn diese stehen in diesem Fall für die Irrwege und Abzweigungen des Lebens. Was machen wir aus dem, was am Ende einer Straße auf uns wartet? Wer oder was begegnet uns auf dem Weg dorthin, und wie stark werden wir dadurch beeinflusst? Auch die eingesetzten Farben sind sehr harmonisch abgestimmt.

Im Großen und Ganzen?!

Zoe Hagens Debüt ist voller wichtiger Wegweiser des Lebens, welche zum nachdenken anregen und noch länger im Kopf rumspuken. Zoe besitzt ohne jeden Zweifel Schreibtalent und hat ein bemerkenswertes Gespür für die deutsche Sprache. Die charakteristischen Zeichnungen hingegen waren mir manches Mal zu grob ausgearbeitet, und mir fehlte ein wenig das Verständnis für das >Warum?<. Nichtsdestotrotz hoffe ich sehr, dass man noch mehr von dieser noch sehr jungen Autorin zu lesen bekommt.

Ich bedanke mich bei Netgalley.de und dem Ullstein Verlag für die Bereitstellung eines digitalen Leseexemplars!