Fakten:
Ludwig, II. (Ludwig)
Italien, BRD, Frankreich. 1972. Regie: Luchino Visconti. Buch: Enrico Medioli, Suso Cecchi D’Amico, Luchino Visconti. Mit: Helmut Berger, Gert Fröbe, Romy Schneider, Trevor Howard, Silvana Mangano, Helmut Griem, Umberto Orsini, Sonia Petrovna, Heinz Moog, Marc Porel, Folker Bohnert, John Moulder-Brown u.a. Länge: 237 Minuten. FSK: freigegeben ab 12 Jahren. Auf DVD erhältlich.
Story:
Mit nur 19 Jahren besteigt Bayerns Märchenkönig Ludwig II. den Thron. Sein Interesse gilt aber weniger der Diplomatie als den schönen Künsten. Er wird zum großzügigen Förderer von Künstlern und Musikern, allen voran Richard Wagners. Doch der erhoffte Dank bleibt aus. Verbittert zieht er sich zurück und kümmert sich kaum noch um Regierungsgeschäfte. Nur bei seiner Cousine Elisabeth von Österreich findet er eine Seelenverwandte, die zu ihm hält, seine Liebe jedoch nicht erwidert. Daraufhin heiratet Ludwig Sissis Schwester Sophie. Er beauftragt riesige Bauten, aber seine gewaltigen Traumschlösser verschlingen Unsummen. Schließlich wird er aufgrund seiner “Verschwendungssucht” für geisteskrank erklärt und entmachtet. Er stirbt vereinsamt am Starnberger See.
Meinung:
Zweifellos ist die Historie hinter Ludwig II. Stoff für Jahrhunderte, erst recht, wenn man ihn im filmischen Rahmen erforschen will. Luchino Viscontis Variante als Nachfolger der Helmut-Käutner-Interpretation von 1955 steigert sich ebenso genüsslich in den ansteigenden Wahn seines Protagonisten hinein und bedeckt ihn im (abgesehen von vielen schludrigen Zooms) epischen, milchigen Cinemascope mit endlos verblendendem, aufwendigen Prunk und sedierend-zersetzender Einsamkeit. Atmosphärisch gewinnt diese ausnahmslos finstere Interpretation enorm und liefert insbesondere im historischen Detail lückenlose Sorgfalt, natürlich auch was die Homosexualität des Königs betrifft (etwas, was Käutner mindestens zugunsten der Drehort-Verfügbarkeit zwangsläufig ausklammern musste, nur andeuten konnte).
Helmut und Romy. Welch ein Traumpaar
Dabei entsteht aber auch ein stilistischer Bruch, der die 4 Stunden Laufzeit in hübsch-kalte Belanglosigkeit zerfallen lässt: Visconti kennt keine Gnade im Pessimismus, verweigert seinem Ludwig und allen anderen Figuren schon im Ansatz die Erfüllung der zweifellos großen Träumereien, erhebt ihn dadurch zum großen ausgelaugten Melancholiker seiner Zeit, den wir aber nimmer im Glück erleben (stattdessen nur davon hören), um jene psychische Qualen vollends nachvollziehen zu können - und das obwohl/gerade weil er beinahe ausschließlich die introvertierten Verschwendungs-Zonen und Lebensstationen des Charakters beleuchtet. Helmut Berger als Ludwig ist ja allein optisch nicht gerade derselbe Sympath wie sein Vorgänger O.W. Fischer, dennoch leidet seine Charakterisierung hauptsächlich daran, dass sein äußerlicher Appeal (und das seines Ambientes) nie wirklich greifbar wird, von Anfang an morbide ist (ein Gefühl, das natürlich auch filmische Schönheit beherbergen kann, wenn man es denn pointierter als hier einsetzt)."Ich, im Dschungelcamp?! Welch Frevelei!"
Naivität, Arroganz und Größenwahn bestimmen da eher seine Darstellung, als Sinnbild deutscher Exzentrik und verklärender Heuchelei (immerhin ist das hier Viscontis Abschluss seiner Deutschland-Trilogie). Beispielhaft dazu steht auch die durchweg kritische Behandlung zum Thema Richard Wagner (konspirativer Ausbeuter, der seine Kunst nur im Dienst der Selbstgefälligkeit stellt) oder eben Sissi (Desillusionierte und auch kaum präsente/Handlungs-beeinflussende Schneekönigin) im Vergleich zu Käutners eher positiver Charakterausschmückung mit großem Fokus auf 'Sehnsucht' - der entsprach eher der Vorstellung eben jenes 'Märchenkönigs', setzte ihn in einen 'Larger-than-Life'-Rahmen, aber genau das half reichlich, um die Entwicklung dessen Figur in den psychotischen Abgrund mit blank-cinematischer Direktheit klar zu machen. Er erzählte damit im Grunde genau dieselbe Geschichte und ihre Aussagen - sogar unter 2 Stunden Laufzeit. Visconti dagegen ersäuft geradezu im Trübsal, kriecht wie ein Opiumsüchtiger am Bodensatz entlang und entwirft komplette, abgeklärte Leblosigkeit auf allen Metern. Sein Ludwig ist zum Ende hin gar nicht mal mehr der gescheiterte Träumer, sondern ein keifender, verräudeter Regent vom Formate Draculas oder Howard Hughes', der völlig unzelebrös im Morast versinkt. Man kann zweifellos behaupten, dass Visconti keine großen Stücke auf Monarchie hält, was ich ihm auch nicht übel nehmen kann, aber einerseits tritt er durchweg in übermäßiger Länge auf dieselbe Stelle und andererseits erstickt er die eigentlich Kunst-/Lebens-schwelgerischen und auch anti-kriegerischen Ideale der Figur im Keim; entwickelt aus ihrer Unterdrückung lediglich die Mahnung vor dem Exzess, welcher dem Kontra von Seiten der Gegner Ludwigs weit mehr Gewicht verschafft - auch wenn man die ebenso kein Stück leiden kann, aber bei dieser eiskalten Verfilmung bekommt man eh nie wirklich ein Gefühl dafür, für wen sie überhaupt spricht.Es bleibt im Gesamteindruck ein klaustrophobisches biografisches Prozedere, das die Vergänglichkeit und Leere von Macht ins Gewissen reden will, aber keine Anstalten macht, überhaupt die Funktion von Macht darzustellen. Neorealist Visconti glaubt, dass sie keine haben mag und dass man in ihr nur von einem Zwang in den anderen hindurch geschleust wird - aber wenn jemand wie sein Ludwig durchweg kein Herz, keine Menschlichkeit besitzt/besitzen darf, bleibt nur noch ein Kino der inneren Leere; der bloßen, ernüchternden Ausstattung. Das hat seinen Reiz und Sinn, speziell als entzauberndes Komplementärstück zu Käutners symbolischem Märchen-Melodram. Aber auf die Dauer bleibt nur detaillierte Langeweile, passend zur allgemeinen Meinung über das veraltete Prinzip der Monarchie, aber gerade das wird so einer sichtlich illustren Figur wie Ludwig II. kaum gerecht, was den überlangen und doch stets entmutigenden Aufenthalt des Films bei seiner Person umso verwunderlicher macht.
6 von 10vergammelten König-Ludwig-Zähnen
vom Witte