Review: LONE RANGER – Die ultimative Blockbustersause mit warmherziger Genreliebe

Review: LONE RANGER – Die ultimative Blockbustersause mit warmherziger Genreliebe


Fakten:
USA. 2013. Regie: Gore Verbinski.
Buch: Justin Haythe, Ted Elliott, Terry Rossio. Mit: Johnny Depp, Armie Hammer, Tom Wilkinson, Helena Bonham Carter, Barry Pepper, William Fichtner, Ruth Wilson, James Badge Dale, James Frain, Matt O’Leary Leon Rippy, W. Earl Brown, Harry Treadaway u.a. Länge: 149 Minuten. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. Im Kino.


Story:

Nach dem abgeschlossenen Jurastudium kehrt John Reid als gesetzestreuer Staatsanwalt in eine Heimat zurück, um festzustellen, dass das Kaff im Wilden Westen vom kapitalistischen Eisenbahnmogul Latham kontrolliert wird. Zusammen mit seinem Bruder Dan, ein angesehener Texas Ranger, will John für Recht und Ordnung sorgen und dem schmierigen Bösewicht Bartholomew „Butch“ Cavendish vor einem Gericht verurteilen lassen. Als die beiden Brüder in einen Hinterhalt von Cavendishs Bande geraten, überlebt einzig John und wird von dem Indianer Tonto gefunden, der ihn zum Seelenwanderer erklärt. Zusammen mit Tonto will der pazifistische John den Verbrecher zur Strecke bringen, doch in dieser Zeit müssen selbst die Guten Masken tragen…
Meinung:
Wenn es um den Western geht, dann wird den meisten Menschen wohl direkt der wortkarge Clint Eastwood mit Zigarillo im Mundwinkel im staubigen Poncho in den Kopf kommen, genau wie die legendäre Mundharmonikamelodie aus Sergio Leones Opus Magnum „Spiel mir das Lied vom Tod“ ein unverzichtbares Partikelchen im famosen Mosaik des weitreichenden Genres ist. Dabei ist der Western per se ein uramerikanische Thema, eine Projektionsfläche für das Verbundenheitsgefühl einer aufkeimenden Nation, für die (bundes-)staatlichen Konflikte und die daraus resultierende Weiterentwicklung manifestiert. Aber der Western ist auch ein Mythos, der Helden stilisiert und die Luft des eigenen Usus atmen. Während es also in den amerikanischen Vertretern um Moral und Gerechtigkeit ging, waren die Spaghetti-Western das Gegenteil der Heimatfilme aus den Vereinigten Staaten. Nimmt man beispielsweise Sergio Corbucci als Fixpunkt, wird man feststellen, dass in einem Italo-Western längst die Unmoral gesiegt hat und leichtfertige Schwarz/Weiß-Zeichnungen zwischen Gut und Böse einfach nicht mehr vorhanden sind.

Review: LONE RANGER – Die ultimative Blockbustersause mit warmherziger Genreliebe

Eine sehr unkomfortable Situation für das Heldenduo

Dazu wird von Cineasten und Filmliebhabern aus aller Welt nur zu gerne behauptet, dass sich der Western längst selbst zum Opfer gefallen ist und nur noch auf die standesgemäße Beisetzung wartet – Die bestenfalls in Form einer zünftigen Hommage vollbracht werden kann. Natürlich ist der Western keinesfalls tot, doch den frequentierten Stand wie in der Mitte des 20. Jahrhundert hat er heute tatsächlich nicht mehr, was äußerst schade ist, aber den modernen Sehgewohnheiten des Massenpublikums anzukreiden ist, die sich – salopp gesagt - nicht länger mit den Cowboys und Indianer beschäftigten möchten.  Wenn man sich dann also einer Huldigung und keinem waschechten Genre-Film annehmen möchte, ist die Auswahl inzwischen ebenfalls äußerst vielfältig. Mit dem an seinen eigenen Ambitionen gescheiterten „Django Unchained“ von Quentin Tarantino, der höchstunterhaltsamen Sause „The Good, the Bad, the Weird“ von Jee-woon Kim und dem Coen-Meisterwerk „True Grit“ wird der interessierte Suchende schnell fündig, ohne sich in den kinematographischen Untiefen zu verirren.
Der Western war aber auch immer für eine Überraschung gut und hat Filme hervorgebracht, von denen man nicht unbedingt im Voraus gedacht hätte, dass sie wirklich die Erwartungen übertreffen oder unterbieten, die man sich mit leichten Zweifeln bereits vor der Filmsichtung ausgemalt hat. Ein negatives Beispiel ist da Clint Eastwoods „Erbarmungslos“, ein zweifelsohne guter Film, aber nie und nimmer dem Ruf eines echten Meisterwerkes gewachsen, während Kevin Costner mit seinem kräftezehrenden Mammutwerkes „Der mit dem Wolf tanzt“ die vielleicht wichtigste Abhandlung über die reelle Beziehung zwischen den zivilisierten Amerikanern und den Ureinwohnern. Nun, im Jahre 2013, kommt es erneut zu einem mehr als positiven Knalleffekt, der sich ausrechnet als waschechter Flop in den Annalen der Filmhistorik rechtfertigen muss, in Wahrheit aber das Westernherz in den höchsten Tönen schlagen lässt und unwiderlegbare Defizite problemlos umwandert, ohne dem immensen Sehvergnügen auch nur im Ansatz zu schaden : Gore Verbinskis „Lone Ranger“.

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Tonto will den Worten des Pferdes nicht glauben

Es ist natürlich offensichtlich, dass Gore Verbinski sich an seinem Megaerfolg der „Fluch der Karibik“-Trilogie orientiert und das vierköpfige Autorenteam den Piratenspaß in gewisser Weise in den Wilden Westen verlagern. Genau wie es inzwischen ein offenes Geheimnis ist, dass Johnny Depp sich in der Rolle des egozentrisch-tuckigen Jack Sparrow verfangen hat und diese in jedem neuen Film immer und immer wieder aufkochen lässt, ob es nun das handzahme Hunter S. Thompsen-Urlaubsfilmchen „Rum Diary“ ist oder Tim Burtons Gothic-Opera-Adaption „Dark Shadows“. Man darf sich über die Eindimensionalität ohne Frage eschauffieren, gerade wenn man die hervorragenden 1990er Jahre im Schaffen von Johnny Depp zurückerinnert, doch eines sei an dieser Stelle mit Nachdruck gesagt: In „Lone Ranger“ ist er als Indianer Tonto einfach die absolute Idealbesetzung, trotz seiner unübersehbaren Sparrow-Manierismen. Gerade im Zusammenspiel mit dem ebenfalls tollen Armie Hammer („J.Edgar“) beweist Depp, wie erstaunlich harmonierend er in dieser Rolle weiterhin fungieren kann. Ein hochsympathisches Gespann, die die Nebendarsteller wie Helena Bonham Carter („Fight Club“) oder Tom Wilkinson („Der Ghostwriter“) komplett aus dem Fokus drängen.

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Der Lone Ranger findet sich selbst

Wer nun denkt, dass „Lone Ranger“ ein handelsüblicher Blockbuster ist, der sich seinem Publikum durchgehend anbiedert und eigentlich nur deswegen produziert wurde, um die Kinowelt mit einem weiteren überteuren Kracher zu sättigen, der liegt herbe daneben. Das 250 Millionen Dollar Budget ist dem Film natürlich anzusehen und sorgt gleichzeitig dafür, dass ein Hauch von Abneigung unterschwellig evoziert wird, schließlich gab es in der Vergangenheit genug verschwenderische Machwerke, die sich mit guten Vorsätzen rühmten, letztlich aber in jedem ernsthaften Kritikpunkt versagten. Mit „Lone Ranger“ kommt nun ein Film, der  die Seele seines vorgeknöpften Sujets verinnerlicht hat, der weiß, wie man mit Klischees umzugehen hat und wie man ein Thema mit historischer Verwurzelung mit der nötigen Selbstironie torpediert. Und da liegt ein weiterer Vorteil: „Lone Ranger“ nimmt sich nicht ernst, kann seiner düsteren Grundnote, rundum die gnadenlose Industrialisierung und den zerstörerischen Kapitalismus, aber ebenfalls gerecht bleiben – Wenn er es denn muss. Allgemein schlägt „Lone Ranger“ einen Ton in Sachen Gewalt an, der nicht unbedingt in dieser Form zu erwarten war: Da waren massenweise Körper durchsiebt, Menschen skalpiert und auch ein Herz aus dem Torso entfernt und verspeist.
Das Wunderbare an „Lone Ranger“ ist, dass er sich seinem Vorbild vollkommen bewusst ist und sich ihm zu keiner Zeit in den Weg stellen möchte, nur um den in den 1930er Jahren entstandenen Mythos um den gesetzestreuen Out Law in irgendeiner Weise zu beschmutzen, ganz im Gegenteil. „Lone Ranger“ funktioniert sowohl als symbolische Huldigung der populären Vorlage, weiß sich aber auch durch eigene Mittel einen Weg zu durch die romantisierte Prärie zu bahnen, während sich Gore Verbinski an den richtigen Stellen mit enormer Inszenierungsfreude rezitiert, um gleich danach seine Liebe zum Western ohne jede Verlogenheit festzuhalten. Natürlich hat „Lone Ranger“ seine Schwächen, doch die Charaktere, die sich aus Jahrzehnten Genreaffinität zusammensetzen und die beeindruckenden Landschaftspanoramen, gerade in Kombination mit dem wohl stimmigsten Zimmer-Score seit einer halben Ewigkeit, lassen das Herz eines echten Westernliebhabers einfach Freudensprünge machen.  So muss selbstironische und mehr als unterhaltsame Gigantomanie mit Seele aussehen.

7,5 von 10 fleischfressenden Hasen 

Von Souli

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