Fakten:Let Me Make You A MartyrUSA, 2016. Regie & Buch: John Swab, Corey Asraf. Mit: Niko Nicotera, Sam Quartin, Mark Boone Junior, Marilyn Manson, Michael Potts, Slaine, William Lee Scott, Gore Abrams, Michael Shamus Wiles u.a. Länge: 102 Minuten. FSK: Freigegeben ab 18 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.
Story:Um seine Adoptivschwester June aus ihrem Elend zu befreien, kehrt Drew nach Jahren in seine alte Heimat zurück. Dort hat sein sadistischer Ziehvater Larry alle Fäden in der Hand, versorgt die gesamte Region mit Drogen und Frauen. Als Larry von der Rückkehr des „Problemkinds“ erfährt, heuert er den Profikiller Pope an, um das Problem zu lösen.
Meinung:Eins sollte direkt klargestellt werden: Es macht keinen Spaß, sich Let Me Make You A Martyr anzusehen. Nicht im eigentlichen Sinne. Das könnte man bei dem Titel eventuell schon erahnen, doch vielleicht nicht auf diese Art und Weise. Das gemeinsame Langfilmdebüt der beiden Jungregisseure- und Autoren John Swab & Corey Asraf (zwei Namen zum Merken) ist eine wahre Tortur. Enorm grausam, trostlos und vernichtend, gleichzeitig allerdings auch erstaunlich konsequent beim völligen Verzicht auf jegliche Form des Plakativen. Sogar so vehement, dass er sich bewusst auch nur vor versehentlicher „falscher Unterhaltung“ schützt, in dem er dem Zuschauer rein gar nichts anbietet, das dieser zur reinen Gelüstebefriedigung zweckentfremden könnte. Ein mutiger, radikaler aber natürlich ebenso unbequemer Weg, für den man im Gegenzug natürlich etwas bieten muss. Das tut dieser Film, wenn auch mitunter wirklich anstrengend und auf die bedingungslose Bereitwilligkeit des Zuschauers angewiesen, diesen Weg mit ihm zu bestreiten.
Einer muss es ja machen...
Angesiedelt irgendwo in der tiefsten Südstaaten-Provinz vermittelt Let Me Make You A Martyr zunächst den Eindruck eines tonnenschweren White-Trash-Revenge-Thrillers, der schon früh durch drei narrative Merkmale auffällt: Sein bedächtiges Tempo, seine (lediglich später in einem Fall kurz gebrochen) kompromisslos nur im Off stattfindende physische Gewaltdarstellung (mit der der Film an sich nicht sparsam ist/wäre) und die berühmte „Verhör-Perspektive“, am prominentesten wohl verwendet vor über 20 Jahren in Die üblichen Verdächtigen. Sprich, wir verlassen uns bei dem Vorgeführten auf die Aussage eines direkt involvierten Erzählers und können uns grundsätzlich gar nicht sicher sein, ob das alles so der Wahrheit entspricht. Ob bewusst gelogen oder aus der subjektiven Wahrnehmung verfremdet, genauso ungewiss. Das sind alles wichtige Aspekte um Let Me Make You A Martyr in seinen Grundfesten zu beschreiben, aber nicht um ihn auf eines dieser Dinge festzunageln. Das würde wieder falsche Erwartungshaltungen wecken, die dieser Film wohl generell hervorrufen wird, wenn man nicht völlig unbefangen an ihn herangeht und gewillt ist, ihn entsprechend zu rekapitulieren. Denn erst dann entfaltet ein bis dato faszinierender, wenn auch augenscheinlich sehr angestrengt mit seiner Outstanding-Indy-Non-Konformität beschäftigter (und damit öfter an der Grenze zum Wer-nicht-will-der-hat-schon) Film erst das große Grübeln, was ihn ganz, ganz lange nachhallen lässt.Mit reichlich Interpretationsspielraum ausgestattet (anders als ein grob vergleichbarer „Kollege“ dieses Jahres, über den sehr heiß diskutiert wurde obwohl einem dort alles auf dem Silbertablette vorgekaut und prätentiös wieder erbrochen wurde) setzen die beiden Filmemacher viel auf eine Karte, reduzieren alles aus ihrem Film was ihn wahrscheinlich zugänglicher gemacht hätte und versuchen nur grob, seine Metaphern und Deutungsweisen direkter auszuformulieren. Hier herrscht am Ende tatsächlich Diskussionsbedarf, wobei es auch nur in wenigen Punkten konkreter Antworten bedarf, wenn überhaupt. Das Meiste ist so oder so, von seinem Gefühl und der Wirkung, im Wesentlichen effektiv, sogar die Analyse der einzelnen Figuren und deren Bedeutung. Auch wenn über diverse Details (wie „Namen“) gestritten werden kann, ihre Rollen für „das Spiel“ sind sehr eindeutig. Und wenn wir schon dabei sind, mit seiner relativ geringen Screentime reißt der sonst so extrovertierte Schock-Rocker Marilyn Manson das gesamte Ding fraglos komplett an sich. So eiskalt, introvertiert, beunruhigend-gelassen wie der gesamte Film, obwohl sich hier die Hölle auf Erden abspielt. Das Gegenteil von Und-wenn-sie-nicht-gestorben-sind, das Gegenteil von klassischer Romantik, die dunkle Ecke im Garten Eden…auf H.
7 von 10 schonungslosen Liebeserklärungen