Review: LEBEN UND STERBEN IN GOD’S POCKET - Viel Talent für die Katz’

Review: LEBEN UND STERBEN IN GOD’S POCKET - Viel Talent für die Katz’ Fakten:Leben und sterben in God’s Pocket (God’s Pocket).
USA. 2015. Regie und Buch: John Slattery.
Mit: Philip Seymour Hoffman, Christina Hendricks, John Turtorru, Eddie Marsan, Richard Jenkins, Jack O'Connell, Caleb Landry Jones, Bill Buell, Molly Price, Michael Drayer u.a. Länge: 88 Minuten. FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Ab dem 28. Mai auf DVD und Blu-Ray erhältlich.

Story:
Leon, der Stiefsohn von Mickey, treibt ein paar Späßchen zu weit und wird tot gefunden. Offiziell ist ein Unfall daran Schuld, was Mickey in Ordnung findet, solange es keinen Stress gibt. Der kommt dann jedoch von einem neugierigen Reporter, der seine Nase in die Angelegenheit steckt.Meinung:Philip Seymour Hoffman war ein Mann, der nicht nur von den Betreibern dieses Blogs einstimmig verehrt wird. Der mit seinen intensiven, konstanten, natürlichen und oft stillen Leistungen überzeugte und die Seele, die treibende Kraft vieler Filme war, an denen er sich beteiligte. Sein Ableben ist bis heute schwer zu verarbeiten und schwer zu akzeptieren. Vier Filme sind es, deren Veröffentlichung er nicht mehr miterleben kann. „A Most Wanted Man“, der hierzulande schon erschien, das zweiteilige Finale der „Hunger Games“ und eben „Leben und sterben in God’s Pocket“. Letzterer ist ein Film, der seltsamerweise so vieles auf einen Punkt bringt, was Hoffmans Arbeit ausgemacht hat.

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Mikey will unentdeckt bleiben - trotz John Turtorru als Fahrer

Der Name des Verstorbenen erscheint noch vor dem Filmtitel auf dem Bildschirm. Weiße Schrift auf schwarzem Grund, ganz nüchtern, etwas bescheiden - wie Hoffman selbst. Dass der Filmtitel gleich danach erscheint und die Nebendarsteller erst später macht Sinn, obwohl hier noch Leute wie John Turtorru, Christina Hendricks, Richard Jenkins und Eddie Marsan zu sehen sind. „God’s Pocket“ ist nämlich der Name der Kleinstadt, in der die nächsten 80 Minuten verbracht werden. Und diese Kleinstadt ist die Hauptperson in diesem Film, größer als all die Figuren, die in ihr wohnen, größer gar als Seymour Hoffmans Charakter. God’s Pocket ist klein, dreckig, hasserfüllt, altmodisch und fast schon inzestuös intrigant. Jeder kennt jeden, aber jeder vertraut nur sich selbst und niemand interessiert sich für den nächsten. Ambitionen werden argwöhnisch beäugt, weil sie implizieren, dass ein Bewohner abseits der meistbefahrenen Straße des Lebens sucht. Verachtung   von allen anderen Bewohnern ist die Folge, wenn man mehr erreichen will, als eine kleine Familie in einem kleinen Haus in einer kleinen Stadt. Schlimmer als das ist nur, wenn man zugezogen ist, wenn man fremd ist. Dann wird man zwar stillschweigend akzeptiert, aber auch nur, bis man sich in irgendeiner Art verschuldet - dann kommen die Vorurteile wieder an die Oberfläche. Das geht schneller, als man „hinterhältig“ sagen kann.

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Nach Hoffmans Tod wirkt dieses Bild irgendwie seltsam

Das Leben der kleinbürgerlichen Leute, so auch Hoffmans Charakter, ist von eben diesem kleingeistigen „Bloß nicht auffallen“-Stil geprägt. Er hat eine Frau (Christina Hendricks), die er auch regelmäßig vögelt. Ob er sie liebt ist nicht von Bedeutung, weder für sie, noch für ihn, noch für irgendwen in ihrer Welt. Ist ja auch egal, selbst wenn er ihr seine Liebe mitteilen will, weiß man nicht, ob er die Wahrheit sagt. Die Wahrheit ist nämlich auch so ein Konzept, das in dieser Stadt nicht allzu wichtig zu sein scheint. Ehrlichkeit ist nur dann angebracht, wenn sie nichts verkompliziert. Wieso sollte man der Polizei etwas mitteilen, wenn es danach nur irgendwie Ärger geben wird? Es ist eine Philosophie, die auf die geringst-mögliche Reibungsfläche zwischen dem Individuum und der Stadt/ der Umwelt ausgerichtet ist. Gods Pocket ist eine faule Stadt - im doppelten Sinne. Sie ist träge und verrottet. Es gelingt dem Drehbuch teilweise so zielsicher und scheinbar nebenbei diese Welt entstehen zu lassen, die sehr gut greifbar ist, aber dennoch all ihre Eigenschaften stets im Verborgenen mitzuteilen scheint. Nebensätze, Kleinigkeiten und Gesichtszüge sind es, die am meisten mitteilen. Regisseur und Drehbuchautor John Slattery, der vorher hauptsächlich an „Mad Men“ gearbeitet hat, und hier sein Spielfilm-Debüt auf die Beine stellt, zeigt Talent und Können. Leider aber nicht immer.

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Spielt Richard Jenkins erneut den lieben Loser?

Denn während Schnitzer in den ersten vierzig Minuten noch fast überhaupt nicht zu entdecken sind, werden sie in der zweiten Hälfte leider von der Ausnahme zur ausnahmslosen Regel. All das, was anfangs so gut funktioniert hat, rutscht auf einmal ab, und macht so Platz für Elemente, die so gar nicht in den Film passen wollen. Die bissigen Dialogspitzen, die in der nüchternen Überlieferung von Hoffman nicht nur seine absolute Klasse, sondern auch ein Talent vonseiten Slattery zeigen, existieren auf einmal nicht mehr. Stattdessen verirren sich absolute Geschmack- und Pietätlosigkeiten in den Film, die vorher ganz einfach nicht auf der Bildfläche zu erahnen waren. Es ist beinahe, als hätte ein anderer Filmemacher / Autor kurzerhand die Zügel übernommen, ohne auf den vorangegangenen Stil zu achten. Das zerstört die Stimmung leider, anstatt sie zu intensivieren. Zudem gibt es dann noch unverständlicherweise Momente, die die zielgenaue Bissigkeit mit ihrer brachialen Vollaufdiezwölf-Art beinahe vergessen machen. Es sind die Punkte, die normalerweise die Handlung nach vorne treiben würden, die Geschichte in eine andere Richtung schwenken und das Gaspedal durchdrücken, die derart vereinfacht, standardisiert und übertrieben auf Film gebannt wurden, als wollte man sichergehen, dass auch der letzte Depp alles mitbekommt. Auch da muss der Film wieder deutliche Abstriche von seiner Atmosphäre hinnehmen.

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Wir haben dieses Bild wegen dem tollen Licht genommen - ehrlich!

Das größte Problem des Filmes ist jedoch seine offensichtliche ziellose Schwerfälligkeit. Offiziell lautet die Geschichte des Films, dass es Zweifel an der Todesursache von Hoffmans Sohnes gibt, weshalb ein Reporter (dargestellt von Richard Jenkins) dem ganzen auf den Grund gehen will. Das passiert aber nicht. Von einer Entwicklung, egal, ob im Bezug auf die Geschichte oder die Figuren, kann man beim besten Willen nicht reden. Es passiert einfach nichts, was nennenswert wäre. Und wenn der Film nach vierzig Minuten auch noch seine Pluspunkte komplett aufgibt, dann schaut man nur noch einem planlosen Etwas zu, ohne zu wissen, warum, wieso und wofür überhaupt. Dynamik ist nicht nur in der Stadt ein Fremdwort, sondern auch für den Film selbst. Und das ist nach einiger Zeit so überdeutlich, wenn der Film sich auf Nichtigkeiten und Handlungsstränge konzentriert, die niemanden interessieren. Letztendlich wirkt der Film derart ungelenk, dass das Gesamtbild das reinste Chaos ist und man sich leider fragen muss, ob man sich die tollen Sachen am Anfang des Films nicht leider eingebildet hat. Denn neben den Nichtigkeiten, kommen dann mit der Zeit auch ein paar peinliche Dummheiten dazu, die das Schauen des Films leider irgendwann zu einer Geduldsprobe verkommen lassen.

„Leben und sterben in God’s Pocket“ ist ein zweischneidiges Schwert. Philip Seymour hoffman ist, auch wenn man sich erst fragen mag, wieso er in diesem Film mitspielt, die perfekte Besetzung für die Rolle. Wer Filme seinetwegen guckt, wird auch hier wieder mit all seinem Können und seiner puren Art erfreut werden. Und dennoch ist er, wie im Übrigen jede und jeder in diesem Film, die/ der einen Namen hat, komplett verschenkt. An dieser Stelle könnte man Christina Hendricks nennen, die höchstwahrscheinlich lediglich mitgemacht hat, weil sie ihrem Freund Slattery einen Gefallen getan hat. Kann sein, dass der „Mad Men“ gut inszeniert hat, seine inszenatorische Arbeit hier ist das reinste Chaos, sein Drehbuch allerdings mit einigen Hoffnungsschimmern. Es gibt sie nämlich, diese Momente, die fast schon an der Grenze zur Genialität kratzen. Dann gibt es allerdings leider viel mehr von diesen Momenten, die die Grenze zum Humbug weit überschreiten. Anfangs dunkel, dreckig, rau. Danach chaotisch, verherrlichend, uninspiriert und planlos. Die verschenkten Möglichkeiten lassen sich nicht an zwei Händen abzählen, was jedoch noch von der Tatsache überschattet wird, dass der Film keine Geschichte zu erzählen hat. Da ist ganz einfach nichts, was passiert und von Interesse wäre und so verkommt das Regiedebüt und einer der letzten Auftritte des genialen Philip Seymour Hoffman zu einem Wirrwarr aus nichts und wieder nichts.

4 von 10 verschütteten Bieren auf aufgebahrten Leichen

von Smooli

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