Review: LA ISLA MÍNIMA – MÖRDERLAND – Verstümmelte Leichen im geschädigten Spanien

Erstellt am 4. Juli 2016 von Die Drei Muscheln @DieDreiMuscheln

Fakten:La isla mínima – Mörderland (La isla mínima)ES, 2014. Regie: Alberto Rodríguez. Buch: Alberto Rodríguez, Rafael Cobos. Mit: Raúl Arévalo, Javier Gutiérrez, Antonio de la Torre, Nerea Barros, Jesús Castro, Mercedes León, Adelfa Calvo u.a. Länge: 104 Minuten. FSK: Noch keine Freigabe. Ab 02. August 2016 im Kino.
Story:Im Jahr 1980 werden die beiden Ermittler Juan und Pedro aus Madrid in das andalusische Sumpfland geschickt, um im Fall zweier vermisster Mädchen zu ermitteln. Der Fall wird zusätzlich durch den Umstand belastet, dass die beiden gegensätzliche Ansichten besitzen, durch die sich ein hohes Konfliktpotential entwickelt. Es dauert nicht lange, da werden zwei Leichen im Sumpf geborgen...



Meinung:Auch wenn es immer ein wenig überflüssig wirkt, das Kino und Fernsehserien in heutigen Zeiten so zu betrachten, als würde das eine Medium ständig das andere beeinflussen, um daraus förmlich einen Konkurrenzkampf anzuzetteln, ist der Vergleich zwischen Film und Serie bei einem Streifen wie "La isla mínima – Mörderland" fast schon unvermeidlich. Die Parallelen zwischen Alberto Rodríguez´ Werk und der ersten Staffel von "True Detective" sind kaum zu übersehen und zusätzlich hat beides im Jahr 2014 erstmalig Premiere gefeiert.

Es muss aber auch immer brenzlig werden

Im Film wie in der Serie geht es um zwei gegensätzliche Ermittler, die es in die trüben Sümpfe des Hinterlandes verschlägt, wo ein Serienkiller auf brutale Weise junge Frauen ermordet. Während Nic Pizzolatto, Autor der gesamten ersten Staffel des HBO-Erfolgs, seine Geschichte mithilfe einer raffinierten Rückblenden-Struktur ausbreitete, bei der die erzählerische Zuverlässigkeit beider Hauptfiguren regelmäßig angezweifelt werden konnte, und die Handlung zusätzlich mit mystisch-rätselhafter Metaphorik durchsetzte, beschreitet Rodríguez in seinem Film andere Wege. "La isla mínima – Mörderland" spielt im Jahr 1980, fünf Jahre nach dem Ende des grausamen Franco-Regimes. Die Folgen der jahrzehntelangen Diktatur verwebt der Regisseur auf höchst beklemmende Weise mit dem zentralen Kriminalfall, wodurch er das schreckliche Verbrechen, welches dem Ermittler-Duo schlaflose Nächte und Kopfzerbrechen bereitet, in einen politischen Rahmen rückt, in dem die geschädigte Seele einer ganzen Nation immer wieder zum Vorschein kommt. Bereits bei ihrer Ankunft im andalusischen Sumpfland stoßen die Polizisten auf deutliche Ablehnung, während sich in den Gesichtern der Einwohner Resignation, Verzweiflung und Ratlosigkeit abzeichnet.

Klitschnasser Durchbruch oder ein Schlag ins Wasser?

An der Oberfläche verlaufen die eigentlichen Ermittlungen relativ konventionell und führen durch Zeugenbefragungen, Verdächtigungen, und Spurenverfolgungen über immer tiefere Verstrickungen in ein Netz aus menschlichen Abgründen und höherer Korruption. Das Tempo von "La isla mínima – Mörderland" ist dabei auffällig gedrosselt, damit die elegischen Bildkompositionen, in denen sich hypnotische Panoramen und flirrende Atmosphäre kunstvoll vereinen, ihre volle Wirkung entfalten können. In diesem brodelnden Dickicht finden sich außerdem zwei überaus interessante Protagonisten wieder, die zu Beginn zwar nicht direkt wie freundlich gesinnte Kollegen erscheinen, aber nichtsdestotrotz ein stabiles Verhältnis ausstrahlen. Erst im weiteren Verlauf der Geschichte streut Rodríguez kleine Details und Enthüllungen in das Geschehen, welche die Dynamik zwischen den Ermittlern durchrütteln oder in eine konstant angespannte Richtung drängen. Im letzten Drittel verdichtet der Regisseur sein bis dahin trocken-entschleunigtes Szenario zunehmend, um über zeitweise elektrisierende Einschübe an einem Endpunkt anzugelangen, der auf zwiespältige Weise längst nicht alle Fragen beantwortet, auf die man sich als Zuschauer Antworten erhofft.
Letztendlich ist der Vergleich zwischen "La isla mínima – Mörderland" und der ersten Staffel "True Detective" weitestgehend hinfällig. Auch wenn beide Werke ein ähnliches Setting sowie inhaltliche Parallelen aufweisen, grenzen sie sich durch die Unterscheidung zwischen Metaphorik und Politik deutlich voneinander ab. Regisseur Alberto Rodríguez blickt zwischen den grausam geschändeten Leichen der Mordopfer hindurch auf eine traumatisierte, spanische Gesellschaft, die innerlich auf eine recht ähnliche Weise geschädigt ist. Entstanden ist dadurch ein nicht immer einfacher Film, der durch seine provokante Langsamkeit auffällt, aber mit unglaublich atmosphärischen Einstellungen und faszinierenden Hauptcharakteren entschädigt.
7von 10 Flamingos
von Pat