Review: KICK-ASS 2 – Der Kampf gegen die Ungerechtigkeit geht in die zweite Runde

Erstellt am 20. August 2013 von Die Drei Muscheln @DieDreiMuscheln

Fakten:
Kick-Ass 2
USA/GB. 2013. Regie: Jeff Wadlow. Buch: Jeff Wadlow: Mit: Aaron Taylor-Johnson, Chloë Grace Moretz, Jim Carrey, Christopher Mintz-Plasse, Lindy Booth, John Leguizamo, Donald Faison, Lyndsy Fonesca, Morris Chestnut, Clark Duke, Augustus Prew, Monica Dolan, Steven Mackintosh u.a. Länge: 103 Minuten. FSK: Freigegeben ab 18 Jahren. Im Kino.
Story:
Zwei Jahre sind vergangen seit sich die selbsternannten Superhelden Kick-Ass (Aaron Johnson) und Hit-Girl mit kompromissloser Härte und Tapferkeit unsterblich gemacht und eine neue Generation maskierter Verbrechensbekämpfer inspiriert haben. Angeführt von Ex-Mafiakiller Colonel Stars and Stripes fordert die Superheldentruppe Justice Forever Nacht für Nacht lichtscheues Gesindel heraus. Auch Mafiasprössling Chris D’Amico hat sein Kostüm als Red Mist an den Nagel gehängt. Er macht Kick-Ass für den Tod seines Vaters verantwortlich und schwört seinem einstigen Vorbild blutige Rache. In seiner neuen Identität als Superschurke The Mother Fucker baut er eine Armee auf, um Kick-Ass und seine Kameraden ein für alle Mal aus dem Weg zu räumen.


Meinung:
Radikaler soll er sein, angeblich sogar die Grenzen des Erlaubten ausreizen, haarscharf an der FSK 18 Freigabe vorbeischrammen und mit dem nötigen Glück im Schlepptau ungeschnitten den Weg in die Kinos gefunden haben. Die Rede ist von „Kick-Ass 2“, der sehnsüchtig entgegengefieberten Adaption der beinahe nihilistisch anmutenden Comic-Vorlage von Mark Millar. Nachdem Matthew Vaughn 2010 mit dem ersten Teil für reichlich Furore sorgte, in dem er eine 11-Jährige in lasziver Lederkluft auf einen blutigen Feldzug durch des Gegners Reihen jagte, hat auch gleichzeitig dabei ein kleiner Filmhit das Licht der Welt erblickt, während der kommerzielle Erfolg ebenfalls nicht zu verachten war: Mehr als das Dreifache des 30 Millionen Dollar Budgets standen am Ende auf der Habenseite und ebneten den sicheren Weg ins tiefe Tal des Fortsetzungswahn. Dabei setzte sich auch Mark Millar erst nach dem ansehnlichen Einspielergebnis mit dem Federhalter an den Schreibtisch und modellierte mit seiner „Balls to the Wall“-Graphic Novel den Grundstein des kommenden Franchise-Pfades.


Bereit zum Kampf: Kick-Ass & Hit Girl

Aber nochmal ganz auf Anfang. Geschichten über Superhelden gibt es wie Sand am Meer, ob in der herkömmlichen Kombination aus Zeichnungen und Texttafeln, oder als inzwischen standardisierte Comic-Verfilmung. Retrospektiv betrachtet ist es schon ein ungeheureres Ausmaß an Filmen, die um die Jahrhundertwende die Kinosälen geradezu überflutetet haben und von „Spider-Man“, „X-Men“ und Christopher Nolans düsterer „Batman“-Trilogie kein Limit kannten, zu groß war der Andrang, zu vielfältig die Auswahl und die kreativen Möglichkeiten. Der Reiz an „Kick-Ass“ ist jedoch ein anderer, selbst wenn ein Bruce Wayne ebenfalls ein herkömmliche Mensch ist, der ohne Superkräfte auskommen muss: In „Kick-Ass“ geht es wirklich um – vorerst -  stinklangweilige, vollkommen herkömmliche Leute, wie sie in den akkuranten amerikanischen Wohnsiedlungen und betongrauen Hochhausfronten massenweisen zu entdecken sind. Es war dieser Ausbruch aus der Normalität, eskapistisch, aber keinesfalls verwerflich, dieser nachvollziehbare Drang etwas zu bewegen, der „Kick-Ass“ in einem so besonderen Licht aufschimmern ließ.

Und genau dieses für den Zuschauer in vollem Ausmaß verständliche Feeling konnten Matthew Vaughn und seine Co-Autorin Jane Goldman auch in „Kick-Ass“ projizieren, in dem sie den sehr gut gecasteten Aaron Johnson als sympathischen Loser Dave Lizewski in den Mittelpunkten stellten, der ähnlich unbeholfen sein High School-Dasein fristet, wie es Millionen andere Jugendliche auch tun, bis ihm einmal zu oft die Taschen von Hinterhofschlägern geplündert wurden und er seinen fiktiven Helden, die erst durch einen radioaktiven Spinnenbiss zum großen Mann des Volkes aufsteigen konnten, nacheiferte; nur ohne die übernatürlichen Fähigkeiten. Was folgt war genau das, was sich auch in der Realität abgezeichnet hätte: Dave bekommt gehörig die Fresse poliert, weil er feststellen musste, dass es nicht reicht sich in ein Kostüm zu schmeißen um die hiesige Verbrechenswelle der amerikanischen Metropolen zu bändigen. Um etwas zu bewirken, braucht es einen gezielten Angriffsplan – Und tatkräftige Gehilfen. Gehilfen, die nicht nur vertrauenswürdig sind, sondern auch das eigene Potenzial übertreffen. Damit war dann auch der heimliche Star Hit Girl aka Mindy Macready geboren, das kleine Mädchen, das die Moralapostel zur schieren Raserei animierte.


Gewalt ist nur dann richtig, wenn sie Spaß macht!

Nun haben sich die Gegebenheiten in „Kick-Ass 2“ deutlich verändert, denn wo nicht nur auf dem Regiestuhl der talentierte Matthew Vaughn durch den recht durchschnittlichen Filmemacher Jeff Wadlow („The Fighters“) substituiert wurde, schreit auch die Geschichte rundum Dave und Mindy nach einer adäquaten Weiterentwicklung, die nach ihrem siegreichen und gleichzeitig verlustvollen  Kampf gegen den Gangsterboss Frank D’Amico ihr normales Leben, wie auch die Existenz als selbsternannte Gesetzhüter unter einen Hut bekommen müssen. Und genau in dieser Charakterzeichnung offenbart das Drehbuch (ebenfalls von Jeff Wadlow verfasst) derartig grobe Schlaglöcher, dass die mehr als erforderliche Entwicklung einfach nicht stattfinden kann und den Figuren nur inkohärente Phrasen in den Mund legt, anstatt ihnen neue, ansprechende Facetten abzuverlangen. Niemand würde von „Kick-Ass 2“ wirklich Tiefgang erwarten, doch einen Hauch von Substanz in seiner Charakterkonstellation ist ein unumgängliches Muss, um den Plot über Wasser zu halten.Jeff Wadlow hingegen ist nicht am emotionalen Innenleben seiner Figuren interessiert, sondern am Blutgehalt, den sie verteilen oder abgeben können.

So lässt der Film zu Beginn lediglich verlauten, dass Dave sich eigentlich aufraffen wollte um seinem tatkräftigen Ruf als Beschützer zu untermauern, sich in Wahrheit aber vielmehr auf der Couch lümmelt und Mindy inzwischen ihrer äußerst eindrucksvollen Hit Girl-Vergangenheit abgeschworen hat, um in der High School Fuß zu fassen. Der Verlauf ist absehbar und wo sich Dave an den unzähligen Nachahmern erfreut, die sein vorgängiges Tun aufgerufen hat, und sich ihnen daraufhin anschließt um kollektiv dem Kampf gegen das Verbrechen anzustimmen, versucht sich Hit Girl im Dunstkreis der Society Bitches ihrer Schule zurecht zu finden. Man muss es mit dieser einschneidenden Vehemenz sagen: Kick-Ass und Hit Girl sind langweilig geworden. Warum? Ganz einfach: Konnte Hit Girl im ersten Teil noch beinahe ihren Milchzähnen beim Wackeln zuschauen, war Kick-Ass ein verunsicherter Jedermann. Nun sorgt die inzwischen 16-jährige Hit Girl-Darstellerin Chloë Grace Moretz mit ihren brutalen Eruptionen für keinerlei Aufsehen mehr, während auch Dave viel selbstbewusster durch die Weltgeschichte stampft und unter seinem grün-gelben Anzug einen Astralkörper vorzuweisen hat, wie man ihn eher bei Calvin Cline-Models vorfindet, als bei einem introvertierten Nerd.


Der Motherfucker und seine Kleinarmee 

Jeff Wadlow legt sein Augenmerk im Verlauf des Filmes überwiegend auf die blutigen Exzesse, auch wenn er dem extremen Härtegrad der Vorlage natürlich nicht gerecht wird, und vernachlässigt die Menschen hinter den Masken und Capes. Wo sich „Kick-Ass“ noch als Satire auf die Superheldenfilme verstehen lassen wollte, zum Ende aber genau diese Art von Film von frönten sollte, vergaß Matthew Vaughan dennoch nicht das moralische Dilemma aufzuweisen, in dem die Charaktere fortwährend steckten. In „Kick-Ass“ wird nichts mehr hinterfragt, es gibt nur pädagogisierte Floskeln, die in einem dumpfen Blutrausch wie „Kick-Ass 2“ nur als Selbstzweck fungieren. Inmitten der mehr oder weniger gelungenen popkulturellen   Referenzen und den pubertären Späßchen, weiß Wadlow gravierenderweise nichts mit seinen Nebenfiguren anzufangen, denn wo Jim Carrey als patriotisches Selbstjustizspottbild Colonel Stars and Stripes durchaus gefällt, aber viel zu wenig Screentime bekommt, ist von den anderen Darstellern wie Donald Faison als Dr. Gravity rein gar nicht zu sehen.

Glücklicherweise gibt es da noch einen vorlauten Spargeltarzan namens Christopher Mintz-Plasse, der am Endes von Teil 1 noch Rache für den Tod seines Vater schwor, nun aber nicht mehr als Red Mist auftritt, sondern als in Sadomasomontur gehüllter Motherfucker, der wenigstens noch einen gewissen Pepp in das Geschehen bringt, einfach weil er so extrem überzeichnet auftritt, sich vor seinen Mitläufern so peinlich aufbläht, um dann in der nächsten Szene an seinen eigenen Worten zu ersticken. Aber „Kick-Ass 2“ fehlt der anhaltende Drive, es fehlt der Mut, die Dynamik, der Spaß am bunten Treiben; es fehlt letztlich all das, was den ersten Teil so nonchalant ausgezeichnet hat, denn mit der Intention von einem brutalen Exzess zur nächsten Messerstecherei, Schießerei oder Schlägerei zu hüpfen, kann man vielleicht ein nettes Propagandavideo für die testosterongeladenen Stiernacken aus der Muckibude inszenieren. Für eine ernstzunehmende Comic-Verfilmung, die wenigstens ein gewisses Maß an Substanz aufweisen sollte, einfach weil es die pauschalen Umstände der Vorlage - Coming-Of-Age, Selbstfindung, etc. – so unübersehbar hergeben, reicht das nicht. Dennoch wäre es gelogen, wenn man behaupten würde, dass „Kick-Ass 2“ nicht unterhalten würde, nur hinter all der Gewalt und den Kraftausdrücken wartet ausschließlich gähnende Leere.

4,5 von 10 Bissigen Hunden

Von Souli