Fakten:Keoma – Das Lied des Todes (Keoma)IT, 1976. Regie: Enzo G. Castellani. Buch: George Eastman (Luigi Montefiori), Mino Rolli, Nico Ducci, Enzo G. Castellani. Mit: Franco Nero, William Berger, Woody Strode, Olga Karlatos, Orso Maria Guerrini, Antonio Marsina, Joshua Sinclair, Gabriella Giacobbe u.a. Länge: 97 Minuten. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD erhältlich.
Story:Der Bürgerkrieg ist vorbei, daher kehrt das Halbblut Keoma heim. Die Heimat ist verwüstet, überall Leichenberge, die Pockenseuche grassiert und Caldwell, ein Gangster hat in seiner Heimat die Macht übernommen. Er lässt von seiner Bande alles ermorden was noch fliehen will. Mit Hilfe eines ehemaligen Sklaven sagt Keoma Caldwell den Kampf an.
Meinung:Als das Westerngenre international schon brachlag, gab es nur noch ein leichtes Aufbäumen zur Wiederbelebung. Im gleichen Jahr wagte es der unerschütterliche Clint Eastwood mit „Der Texaner“, für die Spaghetti-Fraktion startete Enzo G. Castellarieinen (nicht wirklich, aber allgemein als diesen aufgenommenen) letzten Versuch. Das Resultat ist „Keoma – Das Lied des Todes“, der nochmal alle Qualitäten der räudigen Italo-Western in die Waagschale wirft, dabei leider einige andere Eigenheiten des europäischen Schnellschusskinos gleich mit.
"Nur die Spitzen schneiden, klaro?"
Halbblut Keoma (Franco Nero, „Django“) kehrt nach dem Ende des Bürgerkrieges in seine Heimatstadt zurück, wird mit dem dortigen Leid und seinen verhassten Stiefbrüdern konfrontiert und schlüpft in die Rolle des zotteligen Erlösers, standesgemäß an Kreuz. Die Intention ist (überdeutlich) erkennbar und der in erster Linie durch rumpelige B-Movies aufgefallene Castellari (drehte eine Jahr vorher die furchtbare Western-Klamauk-Gurke „Zwiebel Jack räumt auf“, ebenfalls mit Franco Nero) hat hier wahrscheinlich sein Meisterstück abgeliefert, was nur eben nicht automatisch allerhöchstes Niveau voraussetzt. Klar angelehnt an die Großen des Genres wie Sergio Leone und noch viel deutlicher an Sergio Corbucci versucht sich der Regisseur an radikalem, teilweise sogar epischem Rachekino und es gelingt ihm partiell gar. In der legendären Vier-Finger-Szene oder dem sehr sehenswerten Schlussdrittel, da hat man sich schon mit den Eigenarten dieses Films im besten Fall angefreundet, was sie nicht weniger unglücklich macht. Nero, der nebenbei erwähnt aussieht wie eine schmutzige Variante von „Räuber Hotzenplotz“, ist genauso um eine versteinerte Mine bemüht wie Enzo G. Castellari um ein dreckiges Ambiente, spuckt sich dabei mehrfach selbst und total unnötig in die sonst ordentliche Genresuppe. Noch bevor das übertrieben symbolisierte Martyrium am „Kreuz“ stattfindet, nimmt sich der Film oft die angestrebte Ernsthaftigkeit durch unbeholfene Ausrutscher.Keoma wartet nicht bis Ostern...
Eigentlich erzählt „Keoma – Das Lied des Todes“ eine ruppige und brutale Geschichte, bei der trotzdem übertriebene Prügel- und besonders absurde Abschussszenen aufgefahren werden, die eher an Kunstturnen erinnern. Dazu schmettert das extrem penetrante Main-Theme unbarmherzig vor sich hin – für Italo-Western nicht unüblich -, aber dann darf das nicht so unfreiwillig komisch erscheinen. Das ist praktisch wie ein Off-Kommentar, in dem ein Barde dem Zuschauer das Geschehen vorträllert. Oft genug fragt man sich, was denn urplötzlich in diesen Film gefahren ist, der so viel könnte und mindestens das auch will. Denn aller Kritik zu Trotz, das ist weit weg von schlecht. Zahlreiche gute bis sehr gute Momente können immer wieder in ihren Bann ziehen. Der viel zu stoische, wuschelige Straßenköter Nero hat nicht unbedingt seinen besten Tag erwischt, sein Charisma reißt es dennoch raus, besonders auftrumpfen können Woody Strode als sein Gehilfe oder William Berger als einer der Antagonisten. Reduziert auf seine Höhepunkte ist „Keoma – Das Lied des Todes“ ohne Frage ein bemerkenswerter Genrebeitrag, nur er schrappt manchmal so haarscharf an einer Karikatur desselben entlang, das raubt ihm viel an Wirkung. Da wollte wohl jemand etwas schaffen, zu dem er nicht wirklich fähig ist. Dann kommt eben manchmal so ein verbeulter Kracher bei raus, dem seine Macken mehr schaden, als ihn sympathischer zu machen. In dem Zuge sollte der unbekanntere, von seiner Bemühung schlichtere und trotzdem bessere „Silbersattel“ von Lucio Fulci Erwähnung finden, der zwei Jahre später erschien und somit wirklich zu den letzten Italo-Western zählt (das Main-Theme ist aber ähnlich ätzend, nur nicht so „erklärend“).Ein B-Movie-Arbeiter versucht sich an großem Genrekino und zeigt ungeahnte Qualitäten, offenbart gleichzeitig jedoch auch, warum er nie zu Höherem bestimmt war. Zwischen beinah-Genialität, überzogener Heiland-Symbolik und manchmal fast komischer Situationen ist „Keoma – Das Lied des Todes“ einfach nicht homogen genug um dem eigenen Anspruch als brutaler Abgesang auf das eigene Genre restlos zu erfüllen. Für Fans trotzdem eindeutig zu empfehlen, die Italos waren in der Breite ja nicht unbedingt mit sagenhafter Qualität gesegnet, als das man diesen Film ignorieren sollte.
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