Review: KEINOHRHASE UND ZWEIOHRKÜKEN - Es ist okay, anders zu sein.

Erstellt am 30. September 2013 von Die Drei Muscheln @DieDreiMuscheln

Fakten:
Keinohrhase und Zweiohrküken
Deutschland. 2013. Regie: Maya Gräfin Rothkirch, Til Schweiger. Buch: Til Schweiger, Klaus Baumgart, Thilo Graf Rothkirch. Stimmen: Til Schweiger, Emma Schweiger, Matthias Schweighöfer, Rick Kavanian u.a. Länge: 75 Minuten. FSK: ab 0 Jahren freigegeben. Im Kino.
Story:
Der Keinohrhase ist traurig. Weil er anders ist als die anderen Hasen, wollen die nichts mit ihm zu tun haben. Nicht einmal der Fuchs will ihn jagen. Darum beschließt er, sich einen Freund zu suchen. Als er kurz darauf ein Ei vor seiner Tür findet und merkt, dass ein Tier darin heranwächst, kümmert er sich darum. Und als aus dem Ei ein Küken mit zwei langen, gelben Ohren schlüpft, haben die beiden Außenseiten schnell Freundschaft geschlossen. Doch richtig glücklich ist das Zweiohrküken nicht. Ob der Keinohrhase ihm helfen kann?


Meinung:
Was ist schlimmer als Papst, FDP und Bayern München zusammen? Richtig, Til Schweiger. Klar, der Scherz ist flach und schlecht und hat damit in etwa das Niveau von Schweigers Filmen erreicht, aber wenn man sich in den Medien und im Internet so umsieht, dann könnte man meinen, dass Til Schweiger das personifizierte Böse ist und alles, was er macht, von vornherein Müll der schlimmsten Art ist. Kein (manchmal guter) Trash, sondern einfach nur Müll. Und auch zu „Keinohrhase und Zweiohrküken“ ist sich die scheinbar halbe (Film-)Welt einig: das ist schlecht, das schadet den Kindern, den Menschen, das hätte nie gemacht werden dürfen. Aber was hat Schweiger denn so schlimmes gemacht, in seinem Animationsfilm, dass ihn beinahe jeder so sehr verteufelt? Eigentlich nichts, der Ruf kommt von seinen (zurecht) stark kritisierten Feel-Good-Großstadt-Kinder-und-Frauenversteh-Filmen „Keinohrhasen“, „Kokowääh“ und wie sie alle heißen. Aber bei einem Kinderfilm? Da wirkt das schon merkwürdig, besonders, wenn er bereits kritisiert wird, wenn der Film noch gar nicht gezeigt wurde. Ausgerechnet hier wird Anstoß genommen, dabei gibt es durchaus Elemente, die wirklich kritikwürdig sind.

Der Keinohrhase will, dass sich sein Ei wohlfühlt

Til Schweiger wirkt als Sprecher absolut überfordert. Zwar nimmt er sich, wie schon im Hamburger Tatort, selbst auf die Schippe, indem er bzw. seine Tochter Emma das Nuscheln Schweigers selbst anspricht, aber es ist gar nicht das Nuscheln, das so stört. Ein Hase, so wie man ihn aus sehr vielen Kinderserien kennt, nuschelt immer ein wenig, schon wegen seiner übergroßen Vorderzähne. Aber es ist die fehlende Emotionalität beim Sprechen. Schweiger fehlt einfach das Gefühl, im richtigen Moment zu betonen. Er atmet viel aus, um so Gefühl vorzutäuschen, aber es wirkt einfach nur angestrengt. Überraschend erfrischend ist hingegen Emma Schweiger, die für ein Küken eine angenehme Stimme hat. Pech nur, dass sie viel zu oft Ausrufe wie „cool“ oder „jippie“ ausstoßen muss. Matthias Schweighöfer als trotteliger Fuchs spricht überraschend schön und Rick Kavanian als gefühlt alle anderen Rollen macht auch einen soliden Job.

Weiteres Problem: die Animationen, die leider gar nicht gelungen sind. Okay, der Keinohrhase sieht sogar ganz gut aus, wenn man mal davon absieht, dass ein Hase ohne Ohren immer doof und viel mehr wie eine Robbe als ein Hase aussieht, und auch die anderen Tiere sind noch ganz annehmbar. Aber alles andere ist ganz schwach gemacht. Die Welt sieht künstlich aus, die Möbel, die Gebäude – ihnen fehlt klar das Herz. Es wirkt einfach zu lieblos dahingeklatscht.

Um fliegen zu lernen muss das Küken viel trainieren

Außerdem hat Schweiger die Gabe, aus diesem Animationsfilm, der eigentlich etwas total anderes sein könnte als seine üblichen Streifen, einen Film der Prägung „Schweiger“ zu machen, wie man sie kennt und mag oder nicht mag. Die Geschichte ist simpel, geradlinig, enthält keinerlei Überraschungen und hat zu jeder Sekunde nur ein Ziel: die Aussage des Films muss immer überdeutlich und klar werden. Dazu lassen sich die Regisseure Schweiger und Maya Gräfin Rothkirch lange sehr viel Zeit, versuchen krampfhaft Witze einzubauen, die die Kinder sicher nicht verstehen und die Witze, die die Kinder verstehen könnten, werden wie der Handyfrosch bis zum Erbrechen ausgeschlachtet. Und nachdem sich anfangs so viel Zeit gelassen wurde, kommt das Ende dann so plötzlich, dass ich mir als einziger Zuschauer im 300 Sitzplätze bietenden Kinosaal doch tatsächlich gewünscht hätte, er würde noch ein wenig weitergehen, denn dieses Ende war für jeden halbwegs klar denkenden Menschen einfach unbefriedigend. Noch dazu kommt das typisch schweigersche Popgedudel an jeder noch so unpassenden Stelle des Films und dann auch noch in viel zu extremer Lautstärke. Schade, denn die verwendeten Klaviermelodien hatten eigentlich richtig Potential und hätten dem Film gut getan, wenn sie häufiger genutzt worden wären anstatt dieser Pop-Einheits-Plörre, die zwar einen guten Umsatz beim CD-Verkauf einbringen mag, aber dem Film sehr schadet.

"Kuck mal da, Fuchs, ein Dreibeinlöwe!"

Aber um abschließend wieder auf die von Vorurteilen durchtränkte Pauschalkritik zwischen „Gutmenschentum“ und „fehlender Ambivalenz“ zurückzukommen: Der Film ist nicht für Erwachsene, er ist auch nicht für Familien als Ganzes, denn die werden sich größtenteils langweilen. Der Film ist ganz klar und in erster Linie für Kinder im Vorschulalter gedacht. Darum ist diese Kritik in der Form auch so merkwürdig. Die Zuschauer, für die der Film gemacht ist, nämlich vierjährige Kinder, die sind in dem Alter kaum in der Lage, ambivalentes Denken zu zeigen. Rationales Denken und Logik, das fehlt den Kindern zu diesem Zeitpunkt noch größtenteils und es ist mehr als fraglich, ob sie die Aussage durch im Idealfall Angebote zur eigenen Beschäftigung mit dem Thema überhaupt verarbeiten können, geschweige denn verstehen. An der eigentlichen Aussage des Films, nämlich „Es ist okay, wenn du anders bist, denn wir sind alle wichtig und gut so wie wir sind“, daran ist nichts auszusetzen, die ist richtig und wichtig, gerade für Kinder. Und die verstehen zumindest die Vierjährigen eigentlich nur, wenn sie klipp und klar ausgesprochen werden. Ob er allerdings dazu in der Lage gewesen wäre, dieses Thema auch anders anzupacken, das wird wohl ein Rätsel bleiben.

Darum bleibt unter dem Strich festzuhalten, dass es genügend Aspekte an dem Film gibt, die nicht besonders gut gelungen sind, egal ob es nun die größtenteils lieblosen Animationen sind, Til Schweiger als Sprecher oder die schrecklich laute und nervtötende Musik. Aber für kleine Kinder, für die dieser Film gemacht wurde, gibt es durchaus witzige Szenen, über weite Strecken kindgerechte Dialoge, die sie in der Form auch verstehen können und eine Aussage, die für jedes kleine Kind und wie es mir oft erscheint auch für leider zu viele Erwachsene nicht klar genug ausgesprochen werden kann. Und die Kritik am Gutmenschentum und am Holzhammer, was natürlich irgendwo (in abgeschwächter Form) auch vorhanden ist, die ist zumindest bei diesem Film im Zusammenhang mit dem Zielpublikum nicht im Ansatz angebracht. Ein Film mit vielen Fehlern und sinnvoller Thematik und altersadäquater Vermittlung, der zumindest kleinen Kinder sicher Spaß machen wird, auch wenn es Filme mit ähnlicher Thematik auch viel besser gibt.
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