Review: Jennifer Lawrence im Propagandakrieg von “Die Tribute von Panem – Mockingjay Teil 1″

Katniss (Jennifer Lawrence) und Gale (Liam Hemsworth) im Kriegsgebiet in

Katniss (Jennifer Lawrence) und Gale (Liam Hemsworth) im Kriegsgebiet in “Die Tribute von Panem: Mockingjay – Teil 1″ / alle Bilder © Studiocanal

Insgeheim müssen wir den ersten Die Tribute von Panem Finalteil Mockingjay mit einem anderem Film vergleichen, der dieser Tage in den Kinos ist. Auf den ersten Blick mögen der Millionenschwere Blockbuster und der heimliche Held der Kinoleinwände Nightcrawler, in dem Jake Gyllenhaal einen äußerst wenig heroischen Hauptdarsteller gibt, wenig gemein haben. Dann aber sehen wir die Kamerabilder. Nicht die, die uns als Zuschauer die Filmhandlung erzählen, sondern die Bilder, die von Kamerateams innerhalb der Handlung eingefangen werden.

In Nightcrawler verdient sich Gyllenhaal eine goldene Nase damit, skrupellos und ohne Erbarmen die Kamera auf jede Tragödie zu halten. Unfälle, Schlägereien, Mord. Die Kamera muss laufen. Die Sensation der Bilder wird lukrativ an einen örtlichen Nachrichtensender verkauft, wo sich die Chefin vor lauter Freude die Hände reibt, hier pure Quote geliefert zu bekommen. In Mockingjay ist es nun mehr die Propaganda, die durch ähnlich schreckliche Bilder bezweckt wird.

Katniss, erneut durch die überaus talentierte Jennifer Lawrence dargestellt, muss sich nach zwei erfolgreich absolvierten Überlebenskämpfen in den Hungerspielen nun außerhalb der Arena in der Realität durchschlagen. An ihrer Seite befinden sich eine ganze Meute von Rebellen, darunter Philip Seymour Hoffmans Plutarch Heavensbee (der Film ist dem im Februar 2014 verstorbenen Schauspieler gewidmet), der quasi die Pressearbeit der Rebellion übernommen hat. Er schickt Katniss in die durch das Kapitol zerstörten Distrikte, wo die Menschen Hunger leiden und in gigantischen Lazaretten versuchen zu retten, was es zu retten gibt. Auch hier: Tote, das Leid der Menschen, Feuer und Flammen und ein Kamerateam, das Katniss unentwegt folgt und jedmögliche dramatische Situation zu ihren Gunsten ausnutzt.

Peeta (Josh Hutcherson) sitzt gut gekleidet im Kapitol

Peeta (Josh Hutcherson) sitzt gut gekleidet im Kapitol

Zugegeben, hier steckt eine löblichere Intention dahinter, als es bei Nightcrawler der Fall ist, aber im Double Feature würden diese beiden Filme eine umfangreiche Kritik am abfilmen von Tod und Verderben ergeben, ganz gleich für welchen Sinn und Zweck. Immerhin hält Die Tribute von Panem – Mockingjay Teil 1 noch eine wirklich bestrebte Heldin für uns parat. Und was für eine! Mit diesem dritten von vier Teilen der gleichnamigen Trilogie von Büchern, reißt Jennifer Lawrence mehr denn je das Ruder an sich. Einen großen Anteil hieran hat die Abwesenheit ihres bisherigen Gefährten Peeta Mellark (Josh Hutcherson), der nun im Kapitol gefangen gehalten und einer Gehirnwäsche unterzogen wird. Ihn bekommen wir nur ab und an durch Konter-Propaganda des Kapitols zu sehen, womit der Film zugleich aber auch Katniss die gesamte Aufmerksamkeit zukommen lässt.

Lawrence verbannt ihre Nebendarsteller ganz weit nach hinten. Allerdings liefert jeder von ihnen in Perfektion genau das ab, was er für diesen Film leisten soll. Sogar Liam Hemsworth als Gale und Sam Claflin als Finnick schaffen es nun ihre Charaktere tatsächlich interessant zu gestalten. Haben sie in den Vorgängerfilmen (Gale seit Beginn, Finnick ist in Catching Fire zum Cast gestoßen) noch wie die langweiligsten Figuren gewirkt, die irgendwie in den Film geprügelt wurden, weil sie nun einmal ein Bestandteil der Bücher sind, so fühlt man nun endlich mit ihnen, weiß was sie denken, ohne dass sie es aussprechen müssen. Wir zeigen Mitgefühl mit Finnick, dessen Freundin ebenso im Kapitol gefangen gehalten wird, wir verstehen sogar Gale, der mit ansehen muss, wie seine große Liebe Katniss sich mehr um den gefangenen Peeta sorgt als um ihn.

Das mag auch daran liegen, dass man sich in Mockingjay Teil 1 sehr viel Zeit dafür nimmt, diese Welt außerhalb der Arena zu zeigen und zu erklären. Regisseur Francis Lawrence lässt sich nicht unter Druck setzen, diesen Blockbuster in einer Actionblase anzusiedeln. Er hat eine Charakterstudie hingelegt, die sich um die ehemaligen Sieger der Hungerspiele ebenso sorgt, wie um diejenigen, die in der realen Welt den Zorn des Kapitols ertragen mussten. Das macht Mockingjay Teil 1 zum besten bisherigen Split-Film, der den übrigen Franchise-Aufteilungen Harry Potter und die Heiligtümer des Todes Teil 1 sowie Twilight: Breaking Dawn Teil 1 so einiges in Charakter und Weltenbildung voraus hat.

Das ist die wahre Stärke dieses Films. Hier geht es nicht um Explosionen, wilde Schlachten und Feuerwerke. Hier geht es um Emotionen, um innere Befindlichkeiten, ums pure Überleben im Angesicht der Verzweiflung. Und all das schafft der Film auch wirklich aufzuzeigen. All das wird genau an dieser Stelle benötigt, um die Taten des folgenden Mockingjay Teil 2 herauf zu beschwören. Die Rebellion bekommt eine Verzweiflung, die sich aufstaut und entladen muss.

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