Review: INSIDE LLEWYN DAVIS – A folky New York Odyssee

Erstellt am 8. Januar 2014 von Die Drei Muscheln @DieDreiMuscheln

Fakten:
Inside Llewyn Davis
USA. 2013. Regie und Buch: Joel und Ethan Coen. Mit: Oscar Isaac, Carey Mulligan, Justin Timberlake, John Goodman, F. Murray Abraham, Garret Hedlund, u.a. Länge: 105 Minuten. FSK: ab 6 Jahren freigegeben. Im Kino (noch).
Story:
Llewyn Davis (Oscar Isaac) ist ein talentierter aber erfolgloser Folk-Musiker im New York der beginnenden 60er Jahre. Wenn er mit seiner Musik zusammen ist, dann schwebt er in einer anderen Welt und kann auch andere Menschen mit ihr bewegen, aber sein eigenes Leben kriegt er nicht auf die Reihe: kein Haus, kein Geld und die Frau seines guten Freundes geschwängert. Und es wird nicht besser. So kann es nicht weitergehen, doch das ist einfacher gesagt als getan.


Meinung:
Ein Mann sitzt auf einem Stuhl. Der Raum ist abgedunkelt. Die Augen geschlossen, einen dunklen Bart zum lockigen Haar. Er sitzt auf einer Bühne, nur ein leicht schummriges Licht ist auf ihn gerichtet. Im verrauchten Zuschauerraum sitzen ein paar Männer und Frauen und starren gebannt auf den Mann, fühlen mit ihm, leiden mit ihm, wenn der Mann in die Saiten seiner Gitarre greift und dazu ein paar bittersüße Töne singt. Dieser Mann dort auf der dunklen Bühne ist Llewyn Davis. Ein Folk-Sänger und Hauptfigur im neuesten Film des Bruderpaares Ethan und Joel Coen. Und mit dieser Gesangsszene, intensiv gefilmt und außerdem wunderbar vorgetragen von Oscar Isaac, beginnt also „Inside Llewyn Davis“. Mit einer Szene, die charakteristisch ist für den gesamten Film.

Mit Gitarre und Katze ist Llewyn unterwegs durch New York

Denn Prunkstück des Films ist natürlich, wie soll es in einem Drama über einen Folkmusiker auch anders sein, die Musik. Im Studio unterstützt von Mumford & Sons Frontmann Marcus Mumford, übrigens dem Ehemann von Carey Mulligan, singen und spielen die Darsteller um Oscar Isaac eine melancholische, witzige oder einfach schöne Melodie nach der anderen. Und wenn sie mal nicht selbst in Saiten greifen, dann eben von einer Schallplatte. Die Songs sind teilweise Coverversionen von echten und erfolgreichen Folksongs der 60er Jahre. Von „Peter, Paul und Mary“ zum Beispiel stammt das Lied „500 Miles“, das Carey Mulligan zusammen mit Justin Timberlake und Stark Sands in der Folkkneipe zum Besten gibt. Und der bereits erwähnte Song zu Beginn ist „Hang me oh hang me“ von Dave Van Ronk. Besonders Oscar Isaac legt alles, was er hat, in diese Einlagen. Das sieht man, das hört man und, am wichtigsten, das spürt man.

Da gerade schon von Dave Van Ronk die Rede war: sein Leben diente als Inspiration für den Film und den Charakter Llewyn Davis. Dabei beschränken sich die beiden Regie-Brüder aber nicht auf eine simple Nacherzählung seines Lebens, sondern nehmen ihn nur als Aufhänger, um für Llewyn eine ganz eigene Geschichte zu entwickeln, die sich mit der Van Ronks immer wieder überschneidet. Die Coens stellen die Frage, wie es dazu kommen konnte, dass ein unbescholtener, einfacher Folk-Sänger zusammengeschlagen wurde, wie es Van Ronk und seinem Alter-Ego Llewyn Davis passiert ist. Und diese Geschichte, die eine Mischung aus großen Folk-Hommagen, Melancholie, den Problemen Llewyns und skurrilen Geschichten der Coens ist, die wird hier erzählt.

Aufnahmen im Studio! Schafft Llewyn den Durchbruch?

Wie schon beim thematisch ähnlich gelagerten Film „O Brother, Where Art Thou?“ befindet sich auch hier die Hauptperson auf einer Odyssee. Diesmal aber nicht durch Mississippi und die überhitzten Südstaaten, sondern durch die kalten Straßen New York. Ein Selbstfindungstrip. Auf der Suche nach dem Sinn in seinem Leben. Nach Halt, den Llewyn aber einfach nicht bekommen will, nicht bei seiner Familie, nicht bei seinen Freunden. Da bleibt ihm nur noch die Musik, doch auch sie droht sich gegen ihn zu stellen. Diese Probleme sind dabei mal durch sein Verhalten selbst verschuldet, mal scheint er eigentlich alles richtig gemacht zu haben und doch will es einfach nicht laufen. Das könnte einen doch ziemlich runterziehen, wäre da nicht der Coensche Humor. Skurril, schrill – vielleicht ist „Inside Llewyn Davis“ trotz der eigentlich traurigen, melancholischen Geschichte der Coen-Film geworden, bei dem man am lautesten und meisten Lachen kann. Nicht nur eine Katze bringt hier viel Schwung rein, auch John Goodman als ekliger, reicher Jazzmusiker bringt einen Brüller nach dem anderen. Und spätestens bei „Please Mr Kennedy“ liegt man vor Lachen auf dem Boden.

Ethan und Joel Coen ist mit „Inside Llewyn Davis“ ein weiterer toller Film gelungen, der gleichzeitig ernst und urkomisch ist. Der einen genauso zum Weinen wie auch zum Lachen bringen kann. Der mit den typischen skurrilen und hervorragend gespielten Figuren aufwartet, mit viel Humor wie auch mit einer durchdachten Geschichte rund um den Folk-Sänger Llewyn Davis, der versucht, sein den Bach runtergehendes Leben auf die Reihe zu bekommen. Ein Film, der aber besonders durch seine wunderschöne Musik bekannterer oder unbekannterer Größen der Folkmusik getragen wird. Ein Film wie ein Folk-Song, hat jemand geschrieben. Vielleicht sogar wie ein ganzes Folkalbum. Melancholisch, brisant, witzig, bewegend, kratzig, irgendwie zwar schon ein bisschen bekannt und altbacken, aber doch sehr schön.

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