Review: IM NAMEN DES VATERS – Mit Iren kann man‘s ja machen…

Erstellt am 14. Januar 2015 von Die Drei Muscheln @DieDreiMuscheln

Fakten:
Im Namen des Vaters (In the Name of the Father)USA, Irland, Großbritannien. 1993. Regie: Jim Sheridan. Buch: Jim Sheridan, Terry George. Mit: Daniel Day-Lewis, Pete Postlethwaite, Emma Thompson, John Lynch, Beatie Edney, Mark Sheppard, Corin Redgrave, u.a. Länge: 133 Minuten. FSK: Ab 12 Jahren freigegeben. Auf DVD und Blu-Ray erhältlich.
Story:
Gerry Conlon (Daniel Day-Lewis) ist ein junger Nordire, rebellisch, ein Gelegenheitsdieb, aber ansonsten ein lieber Kerl. Als er und drei Freunde mit einem Anschlag auf einen Pub in England in Verbindung gebracht wird, kann er das erst mal gar nicht glauben und hält dies für einen Irrtum. Doch die Polizei wird mit ihren Verhörmethoden immer drastischer und gewalttätiger und plötzlich wird nicht nur Gerrys Leben, sondern auch das seiner Familie bedroht. Ein falsches Geständnis soll zumindest seine Familie schützen, doch es wird sogar noch schlimmer…


Meinung:
Lange fackelt der Film nicht. Noch bevor er überhaupt richtig angefangen hat, fliegt in England ein Pub in die Luft und mehrere Menschen sterben. Zeitsprung. Zu rockiger E-Gitarrenmusik rennen junge Leute durch die Trümmer der Stadt, um sich an einem kleinen Aufstand gegen das Militär zu beteiligen. Unter ihnen Gerry Conlon (Daniel Day-Lewis), ein junger Nordire, der sich selbst überschätzend gegen die Dominanz der Engländer aufbegehrt. Dazu klaut er und ist ein Rebell. Um sich ein besseres Leben zu ermöglichen, geht er mit einem Kumpel nach England, bleibt jedoch nicht lange. Wieder zu Hause aber wird er beschuldigt wird, als Mitglied der IRA an eben jenen Bombenanschlägen vom Anfang beteiligt zu sein und Menschen ermordet zu haben. Zuerst dachte er an einen Irrtum, doch Polizei und Justiz, die ihm solange zusetzten und drohten, bis er ein falsches Geständnis unterschrieb, sahen das anders und er wurde zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt – und nicht nur er. Auch sein Vater und einige andere zu Unrecht verurteilte müssen lange in den Knast.„Not to be shown to the defence“

Vater und Sohn Arm in Arm

Der Film, der die Geschichte der „Guildford Four“ erzählt, die als einer der schwerwiegendsten Justizirrtümer der jüngeren Geschichte gilt, ist ein Justizdrama allererster Güte und von noch immer großer Aktualität. Es werden hier die dreckigen Methoden der Polizei aufgedeckt, das Vertuschen von Beweisen, der Hass der Briten gegen die Nordiren, die Voreingenommenheit der Justiz, der Fremdenhass in England zur damaligen Zeit. Auch heute noch ist es aktuell, wenn man bedenkt, wie erwiesenermaßen Falschurteile getätigt wurden, weil manche Polizeibeamten sich gegenseitig bei Falschaussagen decken. Bei Aussage gegen Aussage, so ist das auch heute noch, wird eben dem Uniformierten mehr geglaubt. Auch das zeigt der Film. Das Leben Conlons im Gefängnis wird ordentlich dargestellt, wobei hier besonders auf die innere Entwicklung der Hauptfigur Wert gelegt wird. Vor allem sein anfangs schwieriges Verhältnis zu seinem Vater ist bemerkenswert. Der alte Guiseppe (Pete Postlethwaite) ist so völlig anders als sein Sohn und doch wird eine immer intensivere Bindung zwischen den beiden klar, die sich bis zum Finale weitersteigert und auch mit den Schlussworten noch einmal deutlich gemacht wird.

Kann Gerrys Anwältin seine Lage verbessern?

Die moderne Schauspielikone Daniel Day-Lewis ist auch hier mal wieder atemberaubend stark. Sein Spiel ist so variabel, dass man einfach nur staunend vor dem Bildschirm sitzen und ihm bewundernd zusehen kann. Auf der einen Seite herrlich übertrieben, auf der anderen auch völlig zurückgezogen zeigt er einmal mehr die diversesten Facetten seiner Figur. An seiner Seite sind die nicht minder starken Pete Postlethwaite (u.a. Die üblichen Verdächtigen) und die fantastische Emma Thompson als spätere Anwältin Conlons (leider viel zu kurz) zu sehen. Auch sie hinterlassen bleibenden Eindruck und schaffen es, eine ebenso große Präsenz aufzubauen wie Day-Lewis. Folgerichtig erhielten alle drei Darsteller eine Oscar-Nominierung, ohne jedoch die Statue einzuheimsen. Angesichts dieser drei dominanten Persönlichkeiten ist es umso überraschender, dass auch der Rest des Casts toll aufspielt, er ist bis in die kleinste Rolle perfekt besetzt.

Ein Unschuldslamm ist Gerry sicher nicht

Besonders diesem Cast ist es zu verdanken, dass dieses biographische Drama tief unter die Haut geht. Emotional ist das ganz großes Kino, bei dem man intensiv mit den Figuren mitfiebert. Der Film packt dich und obwohl das Ende klar ist oder zumindest klar sein dürfte, so wird doch gigantische Spannung erzeugt, die immer wieder aufs Neue angefacht wird – Leerlauf gibt es zu keiner Sekunde. Unterlegt mit einer nach Freiheit schreienden, irisch angehauchten Musik, den Titelsong steuerte Bono von U2 bei, tragen auch die flammenden Reden Day-Lewis‘ dazu bei, dass man mitfiebert, mithofft, mitbangt. Deshalb sind sowohl die Sympathien wie auch die Fronten, Böse und Gut, schuldig und unschuldig, klar verteilt. Dennoch sollte man dies nicht mit einer Schwarz-Weiß-Zeichnung verwechseln. Gerry Conlon ist, wie erwähnt, nämlich durchaus ein ambivalenter Charakter, der auch seine unsympathischen, rebellischen Züge hat. Er wird keineswegs ausschließlich positiv dargestellt, doch in der Sache, wegen der er verurteilt wurde, da ist er, wie auch alle Beweise mittlerweile bestätigen, nun mal das Opfer, nichts anderes.

Insgesamt ist „Im Namen des Vaters“ ein vielschichtiges, ergreifendes, ausgezeichnetes Filmdrama, das die wahre Geschichte um den Justizirrtum beeindruckend wiedergibt. Dabei holt das formidable Gesamtpaket, besonders aber die überragenden Schauspieler, den Zuschauer ab und lassen ihn tief in die Geschichte eintauchen.

9 von 10 brennende Papierknäuel