Review: HAUS AUS SAND UND NEBEL - Kampf der Existenzängste

Erstellt am 10. April 2013 von Die Drei Muscheln @DieDreiMuscheln
                                                            
Fakten:
Haus aus Sand und Nebel (House of Sand and Fog)
USA, 2003. Regie: Vadim Perelman. Buch: Vadim Perelman, Shawn Lawrence Otto. Mit: Jennifer Connelly, Ben Kingsley, Ron Eldard, Shohreh Aghdashloo, Frances Fisher, Kim Dickens, Jonathan Ahdout, Navi Rawat, Carlos Gómez, Kia Jam u.a. Länge: 121 Minuten. FSK: ab 12 Jahren freigegeben. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.
Story:
Kathy wurde vor einigen Monaten von ihrem Mann verlassen und verliert nun auch das Letzte, was ihr geblieben ist: Ihr Haus. Wegen angeblichen Steuerschulden wird es versteigert, Kathy, die jede Mahnung ignoriert hat, landet von heute auf morgen auf der Straße. Der Exiliraner Behrani sieht seine große Chance. Vor Jahren musste der in seiner Heimat einst hochdekorierte Colonel mit seiner Familie flüchten, erhält seit dem die Fassade des Lebemanns aufrecht, obwohl er sich und seine Lieben nur durch schlechtbezahlte Jobs gerade so über Wasser hält. Mit den letzten Ersparnissen kauft er das Haus für den Bruchteil des eigentlichen Werts, ein Weiterverkauf soll seiner Familie die Existenz sichern. Doch die Behörde hat einen Fehler gemacht, Kathys Haus wurde ihr zu unrecht enteignet. Behrani muss einer Rückgabe jedoch zustimmen und verweigert sie, viel zu viel hängt an seiner Investition. Beide Partein kämpfen verbissen um das Haus, mit tragischen Folgen.
 


Meinung:
"Haus aus Sand und Nebel" lässt sich oberflächlich sicherlich ein Vorwurf machen: Was hier an dramatischen Höhepunkten entsteht ist, rein auf die Fakten reduziert, schon ziemlich überspitzt. Manche Filme würden sich daraus ihre Strick drehen, dass wäre der klassische Fall von zu dick aufgetragen. Allerdings wird das hier so nachvollziehbar als ein Worst-Case-Szenario geschildert, dass es nur auf dem Papier so wirkt. Die Stolperdrähte, in die etliche Filme dieser Gangart hilflos hineinlaufen, sind zahlreich gelegt, werden aber durch die Plausibilität übersprungen, die aus den Folgen der Handlungen entstehen. Dafür werden die Figuren und Motivationen zu nachvollziehbar dargestellt. Trotz seiner im absoluten Maximum endenden Dramatik scheint es niemals too much, denn alles ist schlüssig und letztendlich nur das Resultat einer Konstellation, wie sich unglücklicher nicht sein könnte. That's life, nur Gott sei Dank nicht alltäglich.

Verhärtete Fronten: Kathy und Behrani

Das kann in der Form nur gelingen, da die gegensätzlichen Partein nie zu schwarz/weiß gezeichnet werden, sie haben alle Licht und Schatten, handeln aus ihrer Perspektive verständlich, ziehen Sympathien wie Antipathien auf sich, sind nicht nur gut und böse. Es ist verständlich und menschlich, mit der armen Kathy mitzufühlen, die ihren letzten echten Halt im Leben, ihr Haus, aufgrund eines bürokratischen Fehlers verliert, doch ganz unschuldig ist sie an der Situation nicht. Es lässt sich in Behrani hineinversetzen, der seinen Stolz an schmutzigen Baustellen und hinter der Kasse einer Tankstelle verloren hat, nun alles auf eine Karte setzt und das nicht mehr hergeben will. Er hat ja keinen Fehler gemacht, warum das jetzt platzen lassen? So logisch alles aus dem jeweiligen Fokus ist, so unweigerlich sind auch die Entgleisungen, die sich alle Beteiligten erlauben. Jeder fühlt sich im Recht, jeder sieht seine Felle davonschwimmen und kämpft mit aller Macht um seine Existenz. Egal, wie sehr sich jeder moralisch beschmutzt, es ist menschlich. So menschlich wie dessen Konsequenz, wenn eben auch in dieser Größenordnung, die das bittere Finale bereithält.
In so einem Film hängt viel von den Darstellern ab, wenn die das nicht entsprechend bringen, droht das große Drama zu scheitern. Mit Jennifer Connelly und Ben Kingsley wurden Akteure gefunden, die ihre Rollen großartig ausfüllen. Unter den Tisch darf dabei nicht die Leistung von Shohreh Aghdashloo in der Rolle von Behranis/Kingsleys Ehefrau fallen, die das so authentisch rüberbringt, dass sie hinter den großen Stars eigentlich nur namentlich die zweite Geige spielt.
"Haus aus Sand und Nebel" mag leicht überspitzt wirken, letztendlich fließt aber alles so logisch und verständlich zusammen, dass dieses Attest nicht fair wäre. Filme dürfen und müssen einfach auch Extremsituationen zeigen dürfen, dafür sind sie da. Solange sie glaubwürdig aufgebaut sind, wurde alles richtig gemacht.
8 von 10 nebeligen Sandburgen