Fakten:
Halbblut (Thunderheart)
USA. 1992. Regie: Michael Apted. Buch. John Fusco. Mit: Val Kilmer, Sam Shepard, Graham Greene, Fred Ward, Dennis Banks, Sheila Tousey, Fred Dalton Thompson, Ted Thin Elk, Rex Linn, Patrick Massett, Sylvan Pumpkin, Julius Drum, John Trudell u.a. Länge: 114 Minuten. FSK: freigegeben ab 12 Jahren. Auf DVD erhältlich.
Story:
Mitten in dem abgelegenen Sioux-Reservat Pine-Ridge in South Dakota, kommt es zu einem tödlichen Zwischenfall: Ein angesehener Stammesführer wurde erschossen aufgefunden und der Täter ist vollkommen unklar. Das schreit natürlich nach Aufklärungen und es trifft ausgerechnet den jungen Polizisten Ray Levoi, der in Sachen Ermittlungen noch ein unerfahrener Grünschnabel ist. Dazu kommt auch noch, dass Levoi indianisches Blut in sich trägt, was ihn zu einem sogenannten „Halbblut“ macht. Er macht sich auf den Weg zum Tatort und trifft dort auf seinen Partner Frank Coutelle, ein rauer und ebenso altmodischer Cop, dessen Methoden nicht wirklich mit der Zeit gegangen sind. Die beiden müssen zusammenarbeiten und den Mord aufklären, denn die Situation könnte eskalieren und das Reservat schnell auf den Kopf stellen. Die Zusammenhänge mit dem Vorfall sind jedoch äußerst undurchsichtig und der vorerst zurückhaltende Ray muss die Distanz aufgrund seiner Abstammung gegenüber den Indianern ablegen, um die Wahrheit aufzudecken. Er lernt den Reservat-Sheriff Crow Horse kennen und versteht immer mehr, dass er erst sich selbst annehmen muss, bevor er den Fall lösen kann…
Meinung:
„Halbblut“ kann in erster Linie mit überwältigenden Landschaftsaufnahmen begeistern, die von Genius Roger Deakins, Hauskameramann der Coen-Brüder, in einer exzellenten Weite eingefangen wurden. Gedreht wurde an Originalschauplätzen und diese Authentizität macht sich in jeder Aufnahme vollkommen bezahlt: Die karge, aber ebenso mächtige Natur dient als perfektes Setting für den Film und die aufeinanderprallenden Moralwerte. Natürlich darf in diesem Fall auch Komponist James Horner nicht unerwähnt bleiben, eine Feste Größe seine Fachs, längst über jeden Zweifel erhaben, und auch in "Halbblut" kann seine Komposition wieder mit ruhigen wie anspannenden Klängen überzeugen, die die Atmosphäre immer wieder antreibt und simultan abgefedert. Ebenso lobende Worte lassen sich auch für die Besetzung des Films finden, die gerade mit Hauptrolle Val Kilmer einen echten Coup gelandet hat. Kilmer, der sich gerne als vergessenes Kind der 80er und 90er Jahre bezeichnen lassen muss, zeigt als unerfahrener Ermittler und Halbblut Ray Levoi eine großartige Leistung. Gleichwohl Graham Greene als Sheriff Crow Horse und Sam Shepard als Frank Coutelle, die zwar durchgehend die zweite Geige spielen und Kilmer den Raum zur Entfaltung lassen, in ihren Szenen aber immer überzeugend auftreten.
Blutsbrüder
Wenn sich die Traumfabrik einem amerikanischen Thema annimmt, das sich vor allem auf einen politischen Hintergrund stützt, dann ist die Gefahr nach wie vor groß, denn die Regisseure neigen mit erschreckender Häufigkeit dazu, ihre Themen in Verlogenheit und naiver Rührseligkeit zu baden, nur um die Fehler in der Gegenwart wieder geradezubiegen, die Wahrheit damit aber zu keiner Sekunde mit der nötigen Ernsthaftigkeit behandeln. Da kann es um die Sklaverei, den Krieg selbst – Stichwort: Pathos und Patriotismus - und auch den Wilden Westen gehen. Der Konflikt zwischen dem „Weißen Mann“ und den Ureinwohnern. Immer wieder werden die Indianer in der Filmgeschichte als raubende Mörder dargestellt und diffamiert, als Tiere, die jede Menschlichkeit verloren haben und sich einzig und allein mit grausamen Handlungen durch die Welt schlagen. Das stimmt in gewissen Fällen, aber ein Regelfall war das nie, denn Indianer, und das wollen viele nicht verstehen, waren sensible und äußerst zurückhaltende wie intelligente Menschen, die sich nicht nur mit Gewalt durchsetzen wollten, sondern für jede Kultur ein offenes Ohr hatten. Kevin Costners verdienter Oscar-Erfolg „Der mit dem Wolf tanzt“ dient da partiell wunderbar als Aufklärungsfilm. Und mit diesem Film schneiden wir auch in die Sparte von „Halbblut“, wenn auch auf differenten Wegen.Ray bekommt Schützenhilfe
Wir begleiten Ray Levoi in das hitzige Sioux-Reservat, die Heimat seiner Vorväter, ein Teil seines Inneren - Und doch ist ihm diese Welt so unbekannt. Ein toter Indianer zieht den Polizisten an den Tatort, konfrontiert mit den Menschen, die seine geteilte Seele ausmachen. „Halbblut“ ist auf den ersten Blick sicher ein konventioneller und besonnener, ruhiger ruhiger Krimi, der die Muster und altbekannten Vorgaben des Genres routiniert abklappert, doch in Wahrheit steckt in der Szenerie ein viel größerer Wert, sowohl aus der menschlichen, als auch aus der politischen Sicht. Michael Apted vermischt die Elemente des Whodunit mit denen der Selbstfindung. Ray muss sich selber akzeptieren, um die Wahrheit aufzudecken. Zwischen der wachsender Loyalität gegenüber der Sioux und der beruflichen Treue, muss Ray seinen Weg finden, der das Gleichgewicht seiner Identität bestimmt und die kulturellen Konflikte aus dem festgefahrenen Blickfeld räumt. Diskriminierung, Ethologie und Determiniertheit. „Halbblut“ verknüpft die schwüle Western-Atmosphäre mit der stillen Abgrenzung und heimlichen Annahme eines Menschen, dessen Mordermittlungen einer ganz neuen Bedeutung gegenüberstehen.„Halbblut“ zählt sicher zu den unbekannten Perlen der 1990er Jahre, die es wohl nie schaffen werden, die verdiente Aufmerksamkeit zu ernten, einfach weil das Thema nicht ansprechend genug ist oder die Schauspieler den gewissen Rang in der Öffentlichkeit nicht genießen können. Dabei erweist sich "Halbblut" nicht nur als solider Krimi, sondern auch als interessanter Hybrid aus Selbstfindung und Kulturkonflikt, der die politischen und historischen Bezüge korrekt anspricht und abhandelt. Sicher konventionell, aber spannend und sorgfältig erzählt, mit tollen Darstellern, großartigen Landschaftsaufnahmen und einer hitzigen Atmosphäre, die „Halbblut“ überaus empfehlenswert machen.
7 von 10 Brüdern im Geiste
von souli