Review: GRAVITY - Das Gefühl von Unendlichkeit

Erstellt am 5. Oktober 2013 von Die Drei Muscheln @DieDreiMuscheln

Fakten:
Gravity
USA. 2013. Regie: Alfonso Cuarón. Buch: Jonas Cuarón, Alfonso Cuarón. Mit: Sandra Bullock, George Clooney. Länge: 91 Minuten. FSK: freigegeben ab 12 Jahren. Im Kino.

Story:
Für Astronaut Matt Kowalski ist es der letzte Einsatz im Weltraum. Seine Kollegin, die Ingenieurin Dr. Ryan Stone, ist hingegen das erste Mal draußen im All. Zusammen sollen sie Reparaturarbeiten am Hubble-Weltraumteleskop vornehmen. Als die Astronauten in Kontakt mit Trümmerteilen eines alten Satelliten kommen, und ihr Space Shuttle zerstört wird, fliegen Kowalski und Stone schwerelos im Orbit. Um zu überleben und sich zu retten, müssen sie zusammenbleiben.


Meinung:
Unendlichkeit. Wie kann ein Filmemacher sie in einem seiner Werke einfangen? Wie schafft er, die Größe, die Weite, die Stille des Weltalls so in Bilder zu verwandeln, dass wir als Zuschauer das Gefühl haben hier etwas Wahres und Authentisches zu sehen? Noch viel wichtiger: Wie gelingt es das Gefühl von Unendlichkeit zu vermitteln? Regisseur Alfonso Cuarón sollte jemand diese Frage stellen, denn mit seinem Opus „Gravity“ beweist er, dass es möglich ist, das Kino in einen Ort zu verwandeln, in dem man das unbeschreibliche Gefühl hat schwerelos im Orbit zu sein. Eine umwerfende Erfahrung, ermöglicht durch den Zauber des Kinos.

Alleine im Weltall: Stone und Kowalski

Alfonso Cuarón, der zusammen mit seinem Bruder Jonas das Drehbuch schrieb, sowie Kameramann Emmanuel Lubezki, entwerfen mittels einer reduzierten Geschichte und tricktechnischer Perfektion einen Film, der neben Ang Lees „Life of Pi“ zum schönsten gehört, was das moderne SFX-Kino zu bieten hat. Ähnlich wie bei Lee, gelingt es Cuarón auch, dass die tricktechnische Brillanz seines Films niemals aufgesetzt wirkt, sondern sich homogen ins Gesamtbild einfügt. Während z.B. James Camerons „Avatar – Aufbruch nach Pandora“ wie ein plumpes Schaulaufen der Special Effects wirkt, unterstützen die großen Bilder die Geschichte und vor allem das Gefühl, welches „Gravity“ erzeugt. Anders gesagt: „Gravity“ gelingt es die heutigen Möglichkeiten des Filmemachens zu nutzen, ohne dabei das Gefühl beim zuschauen zu verursachen, er wäre ein Lakai der Illusionen aus dem Rechner. Aber natürlich sind es vor allem die Bits und Bytes, die dabei helfen die Unendlichkeit, in der sich die beiden Astronauten Kowalski und Stone gefangen sind, so zu präsentieren, dass einem der Atem stockt. Selten wurde der Weltraum so rigoros beeindruckend präsentiert wie bei „Gravity“. Dabei behilflich ist auch seine Dreidimensionalität. Wer hier jedoch marktschreierische Frontalangriffe auf den Sehnerv erwartet, dürfte weitestgehend enttäuscht sein. Cuarón nutzt den Effekt um die unendliche Räumlichkeit besser zu visualisieren. Auch ohne 3D-Brille auf der Nase dürfte „Gravity“ überzeugen, die Hauptsache bleibt, dass Cuaróns Sci-Fi-Drama dort gesehen werden sollte, wofür er gemacht wurde: die große Leinwand eines Kinos.

Nur nicht loslassen

Auch wenn „Gravity“ vordergründig ein rein auf Schauwerte ausgelegter Film ist, so versucht Cuarón den Überlebenskampf der beiden Astronauten dennoch auch eine philosophische Komponente zu verleihen. Das Ergebnis ist ein leicht verständliches Zeugnis aus Empfindungen. Emotionen, die aufeinanderprallen. Im Dickicht seiner brillanten Atmosphäre, verbleiben die menschlichen Attribute von „Gravity“ ein wenig im Schatten, da die audiovisuelle Wucht der Inszenierung sie immer wieder zurückdrängt, aber auch aus einer leicht abseitigen Position berührt das Schicksal der Helden. Vor allem weil sich George Clooney und ganz besonders Sandra Bullock von ihrer besten Seite zeigen und sogar vergessen lassen, dass die persönlichen, irdischen Schicksalsschläge aus der Vergangenheit von Stone und Kowalski, die immer wieder thematisiert werden und nicht gerade vielschichtig sind. Dafür konzentriert sich Cuarón voll und ganz auf die beiden Astronauten. Ein Kammerspiel im Orbit. Die Enge der Verzweiflung trifft auf die Grenzenlosigkeit des Alls. Das ist so befremdlich wie beklemmend und drückt einen immer wieder in den Kinosessel.

„Gravity“ ist bestes Kino. Ein Kino der Bilder, dessen Größe schwer in Worte zu fassen ist. Sein formeller Inhalt mag bescheiden sein, erweist sich aber auch als Puzzleteil, um das Gesamtwerk aus Hoffnung und Verzweiflung, Weite und Ferne, Leben und Tod zu komplettieren. Es ist ein Film des Stauens, ein cineastische Präsenz die für immense Faszinationen und weit aufgerissene Augen sorgt. Es ist die Magie, die man verspürt, wenn man nachts rauf zu den Sternen blickt und bemerkt wie klein man eigentlich ist. Genau dieses Gefühl ist es welches „Gravity“ hervorruft. Das Gefühl von Unendlichkeit.

8,5 von 10 Tränen in der Schwerelosigkeit