Fakten:
Gloria, die Gangsterbraut (Gloria)
USA. 1980. Regie und Buch: John Cassavetes. Mit: Gene Rowlands, John Adames, Julia Carmen, Buck Henry, Lupe Garnica, John Finnegan, Lawrence Tierney, J.C. Quinn, Tom Noonan, Sonny Landham u.a. Länge: 117 Minuten. FSK: freigegeben ab 12 Jahren. Auf DVD erhältlich.
Story:
Die Ex-Gangsterbraut Gloria muss einen kleinen Jungen beschützen, dessen Eltern und Geschwister von den Männern des Syndikats brutal ausgelöscht wurden. Phil, der Junge, besitzt die Aufzeichnungen seines Vaters, die einige Gangsterbosse für lange Jahre in den “Bau” bringen würden. Gloria kennt die Gangster und ihre Methoden. Es beginnt eine Flucht auf Leben und Tod durch den Großstadt-Dschungel New York. Nur das nackte Überleben zählt. Erschöpft und zu allem bereit stellt Gloria sich den Gangstern – mit dem Revolver in der Hand.
Meinung:
John Cassavetes meldet sich nach 3 Jahren Pause mit diesem Genre-Stück zurück, das er ursprünglich als reine Schreiberling-Auftragsarbeit vorgesehen hatte, vom Studio COLUMBIA aber geradewegs dazu genötigt wurde, es auch selbst zu inszenieren. Und da erlebt man mal in einem ganz seltenen Fall das Cassavetes-Feeling in light für ein offenbar weit gefälligeres Publikum, wo er sich doch offensichtlich einigen sichergehenden Einschränkungen ergeben musste (PG-Rating und so) - für eine Vision, die ihm laut eigener Aussage gar nicht mal so wichtig erschien. Tatsächlich wirkt der Film zu Anfang irgendwie gehemmt, macht sich mit dem grimmigen New Yorker Milieu bekannt und hält sich dennoch befremdlich zurück, wenn es darum geht, die eigentliche Härte dieses Umfelds in Sachen Gewalt, Korruption und Obszönität darzustellen. Konventionell erscheinen da - nach den bewusst übersuppend-impressionistischen Öl-Gemälden von Romare Baerden im Vorspann - auch die Helikopter-Shots von der New Yorker Skyline, die vom (vorallem in der ersten Hälfte) überschwänglich-melodramatischen Score Bill Contis älter/zum Zeichen ihrer Zeit gemacht werden, als überhaupt nötig.
Eine echte Gangsterbraut weiß sich zu wehren
Aber Cassavetes hat seinen Stil nicht ganz aufgegeben, da bleibt das Bild noch immer angenehm-roh und geographisch-erfassend, nur eben vergleichsweise ein gutes Stück an der konformeren Leine gehalten. Mitgebracht hat er zudem nochmals das darstellerische Herzstück seines Gesamtwerkes, Gena Rowlands als titelgebende Gloria, die sich Phil, dem Sohn ihrer Nachbarin, annimmt, welche aufgrund des problematischen "Wissen" ihres Mannes (einem Buchhalter, allerdings kein chinesischer diesmal) vom Mob exekutiert wird.Hinzu kommt, dass jener Sohnemann das gesuchte Buch vom Vater "geerbt" hat und ohnehin als Zeuge von den Schergen verfolgt wird - doch wie sich herausstellt, ist Gloria ebenfalls eine abgebrühte Gangsterbraut, die jene Fellas sogar persönlich kennt und trotz der anfänglich schwierigen Uneinigkeit mit dem neunmalklugen Kid nur schwer von ihm loslassen kann. Drum muss sie sich nicht nur mit der Störrigkeit des Bengels und der pausenlosen Jagd auf sie beide herumplagen, sondern auch mit dem Umstand, wie man ihm die Situation sowie das Prinzip Tod erklären und auf alles Kommende vorbereiten soll - siehe auch LÉON - DER PROFI, beinahe das gleiche Konzept, nur mit vertauschten Geschlechterrollen. Aber wenn schon!Auch Gangsterbräute fahren Bus, denn Umweltschutz ist gut
Selbst in so einer toughen Street-Talk-Dame steckt wohl auch der mütterliche Instinkt und eine Vorbildfunktion, speziell bei einem so hilflosen, auch vorlauten ("I AM THE MAN!") und doch nachvollziehbar-tragischen Gör (auch wenn dessen schauspielerisches Talent eher 'understated' bleibt, vom ehrlichen Lachen abgesehen). Cassavetes kann hier niemandem was vormachen: auch diese Story ist für ihn eine ganz persönliche. Die Mobsters (von Rowlands auch mal witziger Weise 'Bananas' genannt, alà 'EINE FRAU UNTER EINFLUSS') sind wie in einigen seiner vorherigen Filme glatte Traumzerstörer, die überall ihre Finger im Spiel haben und einen kennen, verfolgen und sich erpresserisch aufdrängen. Das ist genau dieselbe Situation wie bei seiner 'ERMORDUNG EINES CHINESISCHEN BUCHMACHERS' - man muss sich zwangsläufig mit solchen Leuten, sprich Produzenten abgeben, auch wenn man es durchweg satt hat, um überhaupt in der Unterhaltungsbranche voranzukommen. Wer sich an seinen darauffolgenden Film 'DIE ERSTE VORSTELLUNG' erinnert, weiß, dass er mit solch bitterer Wahrheit einen semi-sadomasochistischen Kompromiss schloss, weil das alles zum Zwecke der Kreation wohl so seinen Sinn hatte.Auch bei diesem Bild, gehen wir nicht auf den Jungen ein
Und da kommt jetzt seine stellvertretende Gloria ins Spiel, die zynisch-sarkastische Kennerin der Szene, die sich wohl oder übel in jene eingelebt hat, nun aber fortwährend mit einem wiederaufstrebenden Humanismus konfrontiert wird, der ihr System in Frage stellt (wogegen man ja eigentlich nicht ankommen kann, wie sie im Dialog explizit deklariert) und neue Impulse weckt. Wirklich gerne packt sie/Cassavetes das folglich nicht an, gibt sich noch immer konträr; innerlich verklemmt, äußerlich über-den-Dingen-stehend für unbekannte Wege - doch auf der Flucht vor dem vergänglichen Vertrauen der eingeschworenen Milieu-Clique gilt es, sich für den Neubeginn zu behaupten. Und da wird man schließlich im Einsatz für die gute Sache zum fucking beautiful Bad-Ass, zielt mit der Kanone (auch mal zwei) in Richtung Zuschauer, lässt sich nichts gefallen und beweist in der Konsequenz wahre Menschlichkeit für den Neuankömmling und seiner neuen potenziellen Richtlinie - welcher das im Gegenzug auch mit seinem Vertrauen quittiert.Geht Cassavetes da einen Kompromiss ein, wenn er nach all den rau-gehetzten Verfolgungsjagden, unangesagten Schusswechseln, schmierigen Goombas und nervösem Abhängen in der nihilistischen Hotellandschaft NYCs dann seine beiden sich-lieben-gelernten Gegenpole zum Ende hin in einer schwülstigen Zeitlupe am Friedhof wiedervereinigt? Es lässt bestimmt einen gewissen Biss vermissen, aber er schwelgt darin zur Abwechslung auch mal wieder in einem offenen Gefühl von Hoffnung herum - was er sicher gut gebrauchen konnte, auch wenn er es nicht zugeben wollte. Aber komm schon, Kumpel, wenn COLUMBIA PICTURES dem eigenen Talent schon Mut machen will, kann man's doch voll verstehen, wenn man sich dem nicht auf ewig verschließen kann.
7 von 10 Bananas
vom Witte