Fakten:
Gangster Chronicles (Pawn Shop Chronicles)
USA. 2013. Regie: Wayne Kramer. Buch: Adam Minarovich. Mit: Vincent D’Onofrio, Paul Walker, Matt Dillon, Elijah Wood, Brendan Fraser, Norman Reedus, Rachel Lefevre, Thomas Jane, DJ Qualls, Kevin Rankin, Matt O’Leary, Chi McBride, Michael Cudlitz, Lukas Haas u.a. Länge: 112 Minuten. FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Ab 29. August 2014 auf DVD und Blu-ray erhältlich.
Story:
Im Pawn Shop (Pfandleihhaus) von Alton kehren jede Menge seltsame Typen ein und aus. Vom Elvis-Imitator, über einen unsicheren Neo-Nazi bis zu einem Mann, der bei Alton den Ring seiner seit Jahren spurlos verschwundenen Frau findet.
Meinung:
Mit dem recht straighten Reißer „Running Scared“ hat Wayne Kramer 2006 eine kleine Perle geschaffen, die ohnehin schon lange zum Geheimtipp in der Filmwelt avancierte. Kramer veranschaulichte darin, wie viel Wert er in eine ausgeklügelte Optik steckt und inszenierte ein reaktionäres wie ungemein cartooneskes Gewalt-Märchen, welches sich in schierer Inhumanität bettete: Brodelnder Großstadt-Pessimismus wurde in „Running Scared“ jedenfalls mächtig groß geschrieben und menschliche Abgründe lauerten hinter jeder Straßenbiegung. Möchte man den Unkenrufen Glauben schenken, hat auch Paul Walker in „Running Scared“ seine wohl beste Karriereleistung abgeliefert. Dass der kalifornische Blondschopf also nicht unbedingt schlecht damit beraten wäre, einen weiteren Film unter der Obhut von Wayne Kramer zu drehen, ist wohl nicht zu weit hergeholt, denn mit schauspielerischen Talent glänzen konnte Walker nur sehr, sehr selten. Und mit „Gangster Chronicles“, dem eine Kinoauswertung nicht vergönnt war, ist dies nun genau der Fall.
Die Qualität von „Gangster Chronicles“ muss allerdings mit einem etwas anderen Maß gemessen werden. Natürlich war auch „Running Scared“ keine cineastische Großleistung und propagierte über gut zwei Stunden eine reichlich fragwürdige Weltanschauung. Doch „Running Scared“ konnte eine Sogwirkung entfachen, die sich der Formelhaftigkeit eines standardisierten urbanen Thrillers entzog und einen ganz eigenen, schroff-installierten Style entwickelte. „Gangster Chronicles“ hingegen ist stilistisch sehr beliebig, wartet zwar auch mit einigen markigen Western-Elementen auf, wie auch die Kamera gerne mal in Schräglage kippt, umher schleudert oder eher unkonventionelle Winkel präferiert, doch von originärer Bildsprache darf man zu keiner Zeit sprechen. Was natürlich schade ist, hat sich Kramer doch als ein versierter Stylist offenbart, der jegliche Szenen in ihrer Visualität peu à peu durchzukombinieren wusste, um einen atmosphärischen Limbus zu kreieren, der den Zuschauer arretiert und gebannt auf die Leinwände (oder Mattscheibe) starren lässt: Blinzeln könnte tödlich sein!
„Gangster Chronicles“ stellt sich nun in die Tradition des Episodenfilms, lässt einzelne Geschichte überlappen, Schicksale mal ganz unscheinbar berühren, mal mit durchgetretenem Gaspedal kollidieren. Paul Walker mimt beispielsweise den Meth-Junkie und Neo-Nazi Raw Dog, der seine eigene Ideologie nicht versteht, Matt Dillon („Verrückt nach Mary“) trifft auf eine heiße Spur, die ihn zu seiner vor sechs Jahren verschwundenen Frau (und damit auch zu Elijah Wood („Alexandre Ajas Maniac“), der seine Rolle aus „Sin City“ wieder ein Stück weit aufleben lässt) führt und Bredan Fraser („Die Mumie – Das Grabmal des Drachenskaisers“) versucht sich als drittklassiger Elvis-Imitator durchzuboxen. Berührungspunkt für alle Handlungsstränge ist ein Pfandleihhaus irgendwo in den schwülen Südstaaten, welches von Vincent D'Onofrio („Full Metal Jacket“) betrieben wird. Man stellt also fest: An (B-)Prominenz fehlt es „Gangster Chronicles“ gewiss nicht, und es liegt auch an keinem der Darsteller, dass sich „Gangster Chronicles“ letztlich nicht als wirklich als 'gelungenes Werk' bezeichnen lassen darf.
Das Narrativ von „Gangster Chronicles“ ist gespickt mit Redundanzen und verfällt schnell einer ungemein ermüdenden Tonalität, aus die sich der Film letztlich auch nur einmal wirklich befreien kann. Während die Episode um Paul Walkers Junkie, der ein Labor zu überfallen versucht, gerne mit humoristischen Spitzen glänzen würde, oftmals aber nur in der regungsloser Mimik des Rezensenten versiebt, hat Matt Dillons bulliger Feldzug durch die südlichen Hinterhöfe schon etwas einnehmendes, gerade weil ihm Elijah Wood in seinem unscheinbar-diabolischen Spiel gut Paroli bietet. Damit haben sich die Highlights des Films allerdings erschöpft und Fraser als Möchtegern-Elvis, der eine ganze Kleinstadt aus ihrem inneren Gleichgewicht bringt, ist zwar irgendwo ganz ulkig, aber auch vollkommen belanglos, was das ständige Jonglieren mit jedweden Absurditäten eben auch relativ zügig reizlos macht.
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von souli