Review: FEUCHTGEBIETE - Hinter der Pfui-Bah-Show

Review: FEUCHTGEBIETE - Hinter der Pfui-Bah-Show
Fakten:
Feuchtgebiete
BRD. 2013. Regie: David Wnendt. Buch: Clauf F. Falkenberg, David Wnendt, Charlotte Roche (Vorlage). Mit: Carla Juri, Meret Becker, Axel Milberg, Christoph Letkowski, Edgar Selge, Peri Baumeister, Marlen Kruse, Harry Baer, u.a. Länge:109 Minuten. FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Helen ist 18, Scheidungskind und nimmt es mit der Hygiene nicht so genau. Trotzdem schwingt sie den Rasierer, um Körperhaare loszuwerden – auch die am Arsch. Doch als sie sich schneidet und somit eine Analfissur zufügt, muss sie ins Krankenhaus. Dies könnte die Chance sein, ihre verkrachten Eltern wieder miteinander näher zu bringen.

Meinung:
Das mediale Echo, als Charlotte Roche ihren Debütroman „Feuchtgebiete“ auf den Büchermarkt losließ war verhalten, zumindest was die kritischen Stimmen betraf. Ansonsten erwies sich der Roman Viel wurde am Buch herumgemäkelt. Dabei wurde Roches literarischer Auswurf meist nur auf ihre Ekeleskapaden reduziert, war zur Folge hatte, dass sich „Feuchtgebiete“ nur noch vehementer auf den Bestsellerlisten festsetzte und somit mehr Schlagzeilen generierte. Das solch ein Erfolgsroman nicht lange braucht, um als Films adaptiert zu werden ist wenig verwunderlich.

Review: FEUCHTGEBIETE - Hinter der Pfui-Bah-Show

Helen mag Klobrillen am liebsten pur und ohne Klopapierschutz

Regisseur David Wnendt, der 2011 mit dem Neonazi-Drama „Kriegerin“ ein beachtliches Spielfilmdebüt ablieferte, weiß was erwartet wird, von einer Filmadaption des angeblichen Skandalromans: Ekel. Wnendt zeigt seinem Publikum allerhand Bilder und Szenarien, die bei zartbesaiteten Zuschauern durchaus den einen oder anderen Würgereiz hervorkitzeln können und „Feuchtgebiete“ benutzt diese Art der Attraktion nicht nur als Stilmittel, sondern oftmals auch als Antriebskraft. Trotzdem ist „Feuchtgebiete“ kein blanker Reißer, der einzig und alleine davon erzählt wie mit Grillzangen in Menstruationsblut herumgestochert und Wundwasserblasen platzen. Hinter der ganzen Pfui-Bah-Show verbirgt sich die Geschichte einer großen Unsicherheit. Hauptfigur Helen ist nur vordergründig eine Rebellin, die mit Körperflüssigkeiten und ihrer Sexualität kokettiert. Die 18jährige schleppt ein Trauma hinter sich her und genau diese Thematik versucht Regisseur Wnendt mehr und mehr in den Fokus zu rücken. Problem dabei ist jedoch, dass die Figur der Helen dabei von einer selbstbestimmten, jungen Frau zu einer Marionette des Anstands verkommt. Denn „Feuchtgebiete“ lehnt das Argument, dass Helens Faszination für gesellschaftlich genormte Widerlichkeiten und etwas andere sexuelle Praktiken das Ergebnis eines Traumas ist, nicht ab, sondern verstärkt es nur noch. Somit erweist der Film all denen, die die Geschichte pamphletisch als „unerhört“ oder „krank“ bezeichnen, einen Gefallen und reduziert gleichzeitig die Individualität der Figur Helen.

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Wir hoffen, dass der Arzt nicht nach seinem Ehering sucht

Aus rein künstlerischer Sicht gibt sich „Feuchtgebiete“ keine wahre Blöße. Mit großer Verspieltheit setzt David Wnendt das Geschehen in Szene und dem Kanon der Romanvorlage entsprechend, wurde auch darauf verzichtet die Darsteller, wie sonst so oft üblich, via Make-Up zu körperlichen Makellosigkeiten zu verwandeln. So befindet sich der Film in einer ewig zittrigen, meist er sehr erfrischenden, Balance zwischen künstlerischer Bildartistik und zwangloser Ungeschminktheit. Ein mittlerweile recht rarer Seiltanz, der immer mal wieder droht abzustürzen, was auch daran liegt, dass sich „Feuchtgebiete“ erzählerisch auf einem eher biederen Level bewegt. Ganz und gar nicht bieder kommt dafür Hauptdarstellerin Carla Juri daher. Die Schweizerin verleiht der Helen eine anfangs durchaus angenehme Verve, die jedoch erst am Ende eine Art Entwicklung durchmacht. Dieser charakterliche Stillstand raubt Helen vieles von ihrer Präsenz, auch wenn diverse Off-Kommentare ihren Rebellenstatus regelrecht penetrant zu unterstreichen versuchen.


„Feuchtgebiete“ ist besser als der Roman von Charlotte Roche. Das war auch nicht die eigentliche Herausforderung. Regisseur und Co-Autor David Wnendt hat mit seinem zweiten Kinofilm ein durchaus schwieriges Projekt gewählt und ist nicht vollkommen gescheitert. Er weiß wie man inszeniert und Tonalitäten entwirft, nur leider ist „Feuchtgebiete“ dann doch nicht mehr als recht konservatives Erzählen, angereichert mit einer breiten Massen von mal mehr und mal weniger effektiven Szenen, die Schock und Ekel erzeugen (sollen), ansonsten aber eher unerheblich sind. Unerheblich. Ja, dieses Wort beschreibt „Feuchtgebiete“ wohl am passendsten.

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