Review: eXistenZ - Tod dem Realismus


  
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Fakten:eXistenZCA, GB, USA, 1999. Regie & Buch: David Cronenberg. Mit: Jennifer Jason Leigh, Jude Law, Ian Holm, Willem Dafoe, Don McKellar, Callum Keith Rennie, Christopher Eccleston, Sarah Polley, Robert A. Silverman, Oscar Hsu u.a. Länge: 97 Minuten. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.
Story:eXistenZ ist die neue Sensation auf dem Computerspielmarkt: Die Spieler verbinden ihr Nervensystem direkt mit der Software und tauchen in eine völlig neue, ultra-realistische Spielwelt ein. Bei der Präsentation wird ein Attenat auf die Entwicklerin Allegra verübt, der Täter scheitert knapp. Allegra und ihr Bodyguard Ted müssen fliehen und sich selbst mit eXistenZ vernetzen, um den Verschwörern auf die Spur zu kommen.
   Meinung:Spielst du schon, oder lebst du noch? Als Virtual Reality und sogar das Internet noch nicht so allgegenwärtig, unverzichtbar und selbstverständlich waren wie heutzutage widmete sich der kanadische Meisterregisseur David Cronenberg diesem Themenkomplex, um damit direkt an sein bisheriges Schaffen und dessen Quintessenz anzuknüpfen. „Es lebe das neue Fleisch“ hieß es beim Meister des Body-Horrors bereits 1983, als in Videodrome Technologie und Gewebe, echte und künstliche Realität, Wahn und Wirklichkeit auf bizarre, nicht mehr sauber voneinander zu separieren Art und Weise miteinander verschmolzen. Damals noch „unbeabsichtigt“, überschreiten die Figuren in eXistenZ diese Grenze sehr bewusst. Zum Spaß. Bis darauf Ernst wird. Oder doch nicht? Alles nur Teil dieser schönen, neuen Erlebniswelt? Sind das die Regeln…gibt es überhaupt welche?

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Peng, du bist tot! Oder nicht...?

Während in Cronenberg’s vorherigen Werken in die Realität immer „nur“ ein Stückweit eingebrochen, sie infiltriert wurde durch übernatürliche (und doch meist wissenschaftlich „begründetet“) Phänomene, schafft eXistenZ direkt eine künstliche, irreale Welt und Daseinsebene, die zunächst doch deutlich getrennt scheint von unserer Realität. Denn nur mit den Bioports, einer Art fleischlichen Modems, welche noch nicht mit WLAN funktionieren und deshalb durch eine Nabelschnur-ähnliche Verbindung in direktem Kontakt mit dem Spieler stehen müssen, im wahrsten Sinne des Wortes in ihn eindringen (womit auch der bei Cronenberg beinah unvermeidliche, sexuelle Kontext bedient wird), ist ein Zugang zu eXistenZ möglich. Mensch und Technologie müssen quasi kopulieren, wir uns der künstlichen Fantasie ausliefern und ihr kompletten Zugriff auf uns gewähren. Wir geben uns ihr hin, mit Haut, Haar, Leib und vielleicht sogar Seele. Aus Neugier und fasziniert von den Möglichkeiten, die sie uns bietet, ohne die Risiken zu überdenken. Denn wenn alles eins wird, wir selbst biologischer Teil der ach so perfekten Illusion, wo sind noch Grenzen? Selbst deren Designerin Allegra (göttlich, wie immer: Jennifer Jason Leigh) kann sie nur vermuten. Der Höhepunkt der menschlichen Eigen-Schöpfung: Eine Welt, die sich nicht einzäunen lässt. Den Transfer vom Digitalen ins Organische unaufhaltsam vornimmt und bei dem irgendwann niemand mehr sicher ist, ob er es noch genießen oder bereits fürchten sollte. Das perfekte Spiel. Haben wir das gewollt?
David Cronenberg voll in seinem Element. Vom einst klaren Genre-Regisseur mit interessantem Subtext hat er spätestens nach oder mit Die Fliege die eigenen Grenzen verschoben. eXistenZ verwendet nun eher den Horror/Science-Fiction-Aspekt als Nebensächlichkeit, um seine Diskussion vom Rande in den Vordergrund zu stellen. Über den selbsterschaffenen, bejubelten Kontrollverlust des Menschen durch den Triumph seiner eigenen Genialität. Wir sind an den Punkt gekommen, an dem wir uns selbst besiegen können. Spielerisch. Ohne es zu merken oder erst, wenn es längst viel zu spät ist. Dazu bedarf es keiner direkten, menschlichen Konflikte mehr. Keine Kriege, keine Bomben, kein Schlachtfeld. Nur einen „Stecker“ und die perfekte Illusion. Willkommen in der Zukunft.
8 von 10 Zähnen im Lauf

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