Story:Michèle ist der Kopf einer Firma, die sich rund um die Uhr mit Videospielen beschäftigt und zu den angesagtesten Playern auf dem Markt gehört. Verantwortlich dafür ist zweifelsohne Michèle und ihre selbstbewusste Einstellung: Sie weiß genau, was sie will, und sie weiß ebenso, wie sie es bekommt. Auch in puncto Liebesleben ändert sich ihre kalte bis herzlose Attitüde nicht. Eines Tages wird Michèle jedoch zum Opfer eines Attentats, woraufhin sich ihr gesamtes Leben für immer verändern soll. Niemand weiß, wer dafür verantwortlich ist. Ein Umstand, der ihr keine Ruhe lässt. Sie macht sie auf die Suche nach dem Mann, der ihr das Leben nehmen wollte. Als Michèle ihn schließlich findet, verliert sie sich in einem gefährlichen Spiel, das jeden Moment außer Kontrolle geraten könnte.
Meinung:In den letzten Jahren war es ruhig um Paul Verhoeven. Im Laufe seiner Karriere konnte der niederländische Regisseur immer wieder für Skandale sorgen und selbst in Hollywood gewagte Filme inszenieren. Ausufernde Gewalt und auch ästhetisierte Sexualität gehören zu seinen wiederkehrenden Motiven und werden dementsprechend freizügig thematisiert. Um den reinen Unterhaltungsaspekt ging es dabei nie und nur selten begnügte sich der Filmemacher damit an der Oberfläche zu verweilen. Oftmals dringen seine Filme tief in die Psyche ihrer Hauptfiguren ein und die Gewalteruptionen dienen lediglich als Indikator für soziale oder gesellschaftliche Problemfelder. Auch sein neuestes Werk streift zahlreiche Themenkomplexe und löst einen altbekannten Konflikt auf interessante Art und Weiße.
Michele fackelt nicht lange
Elle bedient schon früh typische Elemente des Rape-and-Revenge Genres, beginnt erwartungskonform mit der notwendigen Vergewaltigung und lässt diese im weiteren Verlauf omnipräsent im Zentrum des Films verweilen. Der Erwartungshaltung des Zuschauers verweigert sich Verhoeven jedoch konsequent und so kommt es im Fortgang immer seltener zu bekannten Momenten. Schnell findet der Film seine eigene Struktur, die in ihrem Kern von der aufopfernden Darstellung Isabelle Hupperts getragen wird und so werden simplifizierte Genreklischees konsequent zu einem vielschichtigen Diskurs umgeformt. Denn nach der einleitenden Vergewaltigung, die wie so viele Momente des Films mit beachtlicher Intensität inszeniert wurde, senkt sich beinahe ein bedächtiges Schweigen über die, so scheint es zumindest, gedemütigte Michele. Die Spuren werden schleunigst beseitigt, die Polizei bleibt uninformiert und sie setzt ihr alltägliches Leben als Kopf einer Videospielfirma fort. Lediglich unter ihrer Oberfläche scheint es zu brodeln, vor Ärgernis, Wut und Scham…aber auch vor Erregung. Nicht viele Darstellerinnen sind zu solch subtilen und anspruchsvollen Emotionen fähig, doch Huppert meistert die Herausforderungen des Films gewohnt mühelos und verkörpert eine äußerlich selbstsicher, aber innerlich verunsicherte Frau, die von den zahlreichen Herausforderungen des Lebens verschluckt zu werden droht. Darüber hinaus behandelt Elle eine Vielzahl an Themen, die es lohnen den Film mehrmals zu sehen und durchaus zu ausgiebigem Diskussionen einladen.Sicherlich dürfte Elle bei manchen Zuschauern einen sehr bitteren Nachgeschmack hinterlassen. Der Gedanke eine Frau könnte an Vergewaltigung, der ultimativen Form männlicher Dominanz, sexuelle Erregung und Gefallen finden, darf diskutiert, aber nicht voreilig abgestraft werden. Natürlich handelt es sich dabei einerseits um eine vorwiegend männliche Fantasie, jedoch macht es andererseits gerade die weibliche Perspektive des Films zu einem interessanten Diskurs. Und dabei sollte die Tatsache, dass der Film von einem alten, weißen Mann stammt keine voreiligen Rückschlüsse auf das Werk zulassen.
7 von 10 unangenehmen Abendessen