Review: DOM HEMINGWAY – Auch Arschlöcher haben Gefühle

Erstellt am 11. August 2014 von Die Drei Muscheln @DieDreiMuscheln

Fakten:
Dom Hemingway
UK. 2013. Regie: und Buch: Richard Shepard. Mit: Jude Law, Richard E. Grant, Demian Bichir, Emilia Clarke, Nathan Stewart-Jarrett, Jordan A. Nash, Jumayn Hunter, Nick Raggett, Emma Lock u.a. Länge: 94 Minuten. FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Ab 5. September 2014 auf DVD und Blu-ray erhältlich.

Story:
12 Jahre und sie sind endlich vorbei! Ja, so ein Knastaufenthalt ist kein Zuckerschlecken und deswegen verdient Dom Hemingway, der legendäre Safeknacker, auch die Entschädigung, des großen Gangsterbosses Fontaine. Immerhin ist Dom für ihn in den Bau gegangen und hat all die Jahre seine Klappe gehalten. Doch so wie geplant verläuft Doms Leben in Freiheit nicht. Aber immerhin bleibt Dom sich treu und verursacht seine Probleme selbst.


Meinung:

Mit impulsiven Bonmots stimmt Dom Hemingway (Jude Law) gleich zu Beginn des Films ein deftiges Loblied zugunsten seines Penisses an, während unsichtbar im unteren Bildrand ein Mitinsasse jenen ausgiebig blasen muss: In seinen Augen ein modernes Kunstwerk, das Kurse, gepickt von Akademikern, analysieren sollten, dessen sagenhafte Anmut in unzähligen Gedichten poetisch abgetastet und in der Literatur in ganzen Reihen reflektiert niedergeschrieben werden sollte. In shakespearscher Prosa weiß Dom, der kurz davor ist den Knast nach zwölf Jahren wieder zu verlassen, sein vom narzisstisches Ich zu zelebrieren. Das vulgäre Mundwerk pflegt Dom in wahren Schimpfworttiraden, die wie Kaskaden aus ihm herausbrechen. Allerdings muss der pathetische Mantel seiner Selbstinszenierung im Gangster-Milieu, in dem Dom sich einst heimisch fühlte, weichen: Hier kläfft man sich an wie wilde Hunde und fordert das ein, was einem rechtmäßig zusteht, gerade dann, wenn man seinen Kopf für jemanden hingehalten hat und dafür zwölf Jahre kassierte!


 

Dom nimmt sich was er will

Nach dem fulminanten Monolog zu Beginn, in dem Dom in assiger Eloquenz seinen Schwanz eben zur purpurnen Gottheit paraphrasierte, zeigt „Dom Hemingway“ in einem relativ Tempo, welche Segmente das Drehbuch abdecken versucht: Das schroffe Gangster-Thema in Kombination mit in Dramatik gewälzten Familiengeschichte. Dom nämlich hat sich, während er sich einen Ruf als formidabler Geldschrankknacker erarbeitet und in der delinquenten Szene etablierte, vollkommen von seiner Familie distanziert und seine Tochter Evelyn vollständig vernachlässigt. Innerfamiliäre Entfremdung und die „Vergangenheit, von der man sich einfach nicht lösen kann“, sind die thematischen Eckpfeiler, die „Dom Hemingway“ kontrollieren. Und gewiss hat der Film reichlich Potenzial, welches sich vor allem im ungezügelten wie facettenreichen Spiel seines Stars Jude Law reflektiert. Der einstige Frauenschwarm hat sich längst von seinem Loverboy-Image verabschiedet und als ernstzunehmender Darsteller in der Filmwelt einen Platz gesichert. Schade nur, dass sich Law mit dieser tollen Performance an ein Konzept verschenkt, das von A bis Z altbacken ist.
Sicher gibt es einige amüsante Passagen in „Dom Hemingway“ und es mangelt der Inszenierung seitens Richard Shepard gewiss nicht an Kurzweil. Auffällig ist nur, wie schwer sich das Skript letztlich doch darin tut, einen rhythmischen Einklang in das Narrativ einflößen zu lassen, denn das repetitiv aufgedrehte Wechselspiel aus konkreter Milieu-Schroffheit und zwischenmenschlicher Diskrepanz wirkt auf den Erzählfluss wie eine herbe Zäsur. In dieser redundanten Permanenz konterkariert die für sich genommene, durchaus authentische Stimmung der einzelnen Aspekte nachteilig jedwede Stimmung: „Dom Hemingway“ fehlt einfach die Stringenz, der Film kippt in seinen Ambitionen immer wieder aus dem Rahmen und negiert sich eigenständig den dramaturgischen Effekt, kann er doch keinen emotionalen Ertrag aus Jude Laws verzogenem Versagerdasein, der erst einen Autounfall braucht, um sich einer Läuterung unterziehen zu können und plötzlich wieder verantwortungsbewusste Gefühle für sein Töchterlein zu vernehmen. Es wäre vermutlich nicht gerecht, „Dom Hemingway“ als 'schlechten Film' zu bezeichnen, 'vollkommen egal' hingegen ist zutreffend.

4,5 von 10 nackten Ärschen

von souli