Review: Die zwei Leben der Veronika – Das Doppelgängermotiv auf Gefühlsbasis

Review: DIE ZWEI LEBEN DER VERONIKA – Das Doppelgängermotiv auf Gefühlsbasis
Fakten:
Die zwei Leben der Veronika (La Double Vie de Véronique)
Frankreich, Polen, Norwegen. 1991. Regie: Krzysztof Kieslowski. Buch: Krzysztof Kieslowski, Krzysztof Piesiewicz. Mit: Iréne Jacob, Wladyslaw Kowalski, Sandrine Dumas, Guillaume De Tonquédec, Claude Duneton, Philippe Volter u.a. Länge: 98 Minuten. FSK: Ab 12 Jahren freigegeben. Auf DVD erhältlich.


Story:
Die Leben zweier junger Frauen sind irgendwie miteinander verbunden. Die Polin Weronika und die Französin Véronique haben einen sehr ähnlichen Lebenslauf, gleichen sich wie ein Ei dem anderen, haben ein großes musikalisches Talent und probieren sich beide in der Liebe aus. Dennoch wissen sie nichts voneinander. Doch als Weronika bei ihrem ersten Konzert auf der Bühne zusammenbricht, sollte das große Auswirkungen auf das Leben Véroniques haben.

Meinung:
Zwei Leben verbunden, zwei Leben sind eines. Die Polin Weronika, eine junge und hochtalentierte Sängerin, und die Französin Véronique, ebenfalls eine junge und hochtalentierte Sängerin. Sie gleichen sich bis auf die Haarspitzen, sehen beide sehr hübsch aus. Sie sind beide verliebt, in einen jungen Mann und in die Musik. Doch als Weronika bei ihrem ersten großen Konzert wegen ihres kranken Herzens tot zusammenbricht, da verändert sich das Leben Vèroniques von Grund auf. Sie weiß nicht genau wieso, aber sie gibt ihre erfolgsversprechende Gesangskarriere auf, nimmt einen Job als Musiklehrerin an und lässt sogar ihr eigenes Herz untersuchen. Sie verbeißt sich nicht mehr in irgendwelchen Dingen, sondern beginnt zu leben.

Review: DIE ZWEI LEBEN DER VERONIKA – Das Doppelgängermotiv auf Gefühlsbasis

Veronika lebt von ihren Gefühlen...

Kunst und Leben. Geht das gemeinsam? Oder muss man sich entscheiden? Ihr Leben für die Kunst, allein für die Kunst bis in den Tod, so scheint es die polnische Veronika zu stellen. Ob es das Wert ist, das lässt der Filmoffen. Die französische Veronika hingegen springt aus dieser Kunstwelt ab, führt ein „normales“ Leben, ohne wirkliche Höhepunkte, dafür sicher. Beides, also ein gutes Leben zu führen und gleichzeitig sich der Kunst zu verschreiben, das scheint nicht zu gehen. Eine andere, eine darauf aufbauende Sichtweise ist eine politische. Hier stehen die beiden Veronikas als Allegorie für die politischen Einheiten Polen bzw. Frankreich. Beide durchaus sehr künstlerisch und kulturell hoch entwickelt, hat nur ein Land die freie Entscheidung, das auch frei und ohne Angst vor Repressionen auszuleben – Frankreich. In Polen bezahlt man dafür mit seinem Leben, wie Weronika.
Beide Interpretationsweisen haben durchaus Hand und Fuß, aber scheinen nicht den Kern des Films zu erreichen. In erster Linie spielt der Film für mich einfach mit der Liebe in verschiedenen Formen. Mit der Liebe zur Kunst und mit der Liebe zu anderen Menschen. Und das macht er weniger über eine Geschichte, sondern über ein Gefühl. Denn die Geschichte mit ihrem Doppelgängermotiv, die verläuft leider irgendwann mehr oder weniger im Sand oder wird zumindest aus den Augen gelassen. Stattdessen kommt der Film eben enorm über das Gefühl. Kieslowski verzaubert den Zuschauer, der, auch wenn der Film mit seinen übersinnlichen Motiven vielleicht nicht die größte Geschichte aller Zeiten erzählt, sich dieser Geschichte voll hingeben kann. Und das liegt in erster Linie an zwei Faktoren:

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...und sie fühlt, dass es da draußen mehr gibt, als sie ahnt.

Einmal an der Hauptdarstellerin. Beide Veronikas werden gespielt von er bezaubernden Iréne Jacob, die ihre Sache himmlisch gut macht. Wenn sie zu sehen ist, dann achtet man nicht mehr auf die übrigen Figuren, man kann nur noch ihr und ihrer Leichtigkeit zusehen, die sie auch später in Kieslowskis „Drei Farben: Rot“ an den Tag legte. In beinahe jeder Szene ist sie zu sehen und doch kann man sich nicht satt sehen an ihr. Wenn sie lächelt, dann lächelt man als Zuschauer. Wenn sie leidet, dann leiden auch wir. Wir hoffen und bangen, wir freuen uns und trauern. Das, was Iréne Jacob hier zeigt, das nennt man wohl Bildschirmpräsenz par excellence. Das zweite Prunkstück ist die Musik von Zbigniew Preisner. Besonders sein Konzert in e-Moll ist einfach fantastisch. Die Musik eines bombastischen Symphonie-Orchesters kombiniert mit Glockenläuten, einem Chor und der engelsgleichen Stimme von Weronika macht dieses Stück zu einem beinahe schon hypnotischen Erlebnis, das nicht nur die Ohren in Verzückung bringt, sondern dem ganzen Körper ein unbeschreibliches Gefühl beschert.


Auch wenn „Die zwei Leben der Veronika“ gegen Ende hin ein wenig an Fahrt verliert und das Interesse an der Geschichte, das in den Anfangsminuten mit seinem Doppelgängermotiv noch vorhanden war, nicht mehr ganz halten kann, so ist der Film doch ein sehr schöner, ein liebevoller Film geworden. Ob er nun tatsächlich eine politische Aussage beinhaltet, das kann ich nur schwer beurteilen. Wenn, dann ist das aber nur nebensächlich, denn viel wichtiger erscheint das Gefühl, das uns Krzysztof Kieslowski beschert. Ein angenehmes, wohliges Gefühl, dass er besonders durch die wunderbare Iréne Jacob und die nicht minder wunderbare Musik Zbigniew Preisners aufbaut. Ein Film, der einen auf mehr als nur einem Sinn anspricht. Ein Gefühlsfilm.


8 von 10 hingebungsvolle Arien


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