Review: DER RICHTER - Die Routine der Enttäuschung

Review: DER RICHTER - Die Routine der Enttäuschung
Fakten:
Der Richter (The Judge)
USA. 2014. Regie: David Dobkin. Buch: Nick Schenk, Bill Dubuque.
Mit: Robert Downey Jr., Robert Duvall, Vera Farmiga, Billy Bob Thornton, Vincent D’Onofrio, Dax Shepard, David Krumholtz, Jeremy Strong, Leighton Meester, Frank Ridley, Ken Howard u.a. Länge: 141 Minuten. FSK: freigegeben ab 6 Jahren. Ab 16. Oktober im Kino.
Story:
Als der Großstadtanwalt Hank Palmer (Robert Downey Jr.) vom Tod seiner Mutter erfährt, ist er schockiert und reist sofort in seine Heimat. In der bürgerlichen Kleinstadt muss er feststellen, dass sich seit seinem Abschied vor 20 Jahren einiges verändert hat. Sein Vater (Robert Duvall), zu dem Hank kein besonders gutes Verhältnis hat und der einst selbst Richter war, leidet inzwischen unter Alzheimer und ist der Hauptverdächtige eines Tötungsdeliktes. Sein Sohn kann diese Anschuldigungen nicht akzeptieren und übernimmt die Verteidigung seines Vaters vor Gericht. Dabei findet er weitaus mehr heraus, als ihm lieb ist.


Meinung:
Ich fälle schon mal schnell mein Urteil: Nichts ist schlimmer als biederer Standard in Sachen Film, unabhängig vom Genre, und in diese Falle der Belanglosig- und Gleichkültigkeit stolpert 'DER RICHTER' ebenso mit austauschbarem 08/15-Ansporn rein. Unter guten Umständen gibt's in solchen Fällen jedoch noch immer ordentlich Freiraum für zumindest astreine Darstellerleistungen und da ist der Film von David Dobkin - Regisseur von Ausnahmewerken wie "SHANGHAI KNIGHTS" und "WIE AUSGEWECHSELT" - auf jener Ebene nicht wirklich eine Ausnahme. Robert Downey Jr. als Protagonist Hank Palmer kann mit Leichtigkeit das sympathische Arschloch geben, welches sich geschickt und charmant-überheblich aus jeder Situation rauswieselt und ein abgebrühter, doch innerlich problembehafteter Meister seines Faches ist. Schauspieler-Ikone Robert Duvall bekommt ebenso wieder genügend Gründe, den alternden stolzen Patriarchen der steinernen Enttäuschung und fachlichen Gegenpol Joseph Palmer aufzubieten. Zusammen ergeben sich da hitzige Streitgespräche zwischen Filmvater und Filmsohn im Palmer-Haushalt, die das Tempo halbwegs effektiv am Laufen halten, aber dennoch nicht ganz gegen den hageren Mischmasch aus plakativen Gerichts- und sentimentalen Familiendramen bestehen können.

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Selten waren sich Vater und Sohn so nah

Dieser ist nämlich so bleiern in seinem 142-minütigen Prozedere melodramatischer Einfältigkeiten, dass für eigenwillige Charakterisierungen kein Platz ist, nur für funktionale Oberflächen, passend zum malerischen Kleinstadt-Americana und Lumpen-Score. Man bemerke allein die Familie von Palmer-Bruder Glen (Vincent D'Onofrio), die zweimal nur im Hintergrund zu sehen ist, da sie rein gar nichts beiträgt - warum sie dann überhaupt im Film ist, bleibt daher ein ungelöstes Indiz der Gleichgültigkeit. Hinzu kommt, dass das meiste Konfliktpotenzial in der Vergangenheit liegt, immer wieder nur aufgezählt wird und beinahe ausschließlich Verbitterung und Enttäuschung mit sich bringt, was eine gewisse Lustlosigkeit im Spiel hervorruft, wie auch in der Inszenierung. Da ist man auch leicht schockiert, wenn man im Abspann Janusz Kaminski als Kameramann identifiziert, sich jedoch gleichzeitig an die ewig gleichen Schwenks in der Abarbeitung des Gerichtssaals erinnert (von der Schwärze eines vordergründigen Objekts in die Totale hinein - gibt's in einer Szene glatt dreimal hintereinander). Wenn das aber nicht reicht, bettelt Dobkin anhand des zurückgebliebenen Palmer-Filius Dale (Jeremy Strong) und seinen (technisch nicht ganz authentischen) Super-8-Aufnahmen vom vergangenen Zusammensein um eine Empathie, die jedoch von Anfang an von der Glätte der Gesamtgestaltung und der durchgängigen Kalkulierbarkeit des Plots unterwandert wird.

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Rockt sich frei: der Richter

Da muss dann jemand nämlich z.B. mit der 8mm-Kamera ausgerechnet den Unfall aufgenommen haben, der das Leben einiger Hauptcharaktere entschieden verändert hat und ihn zufällig genau in dem Augenblick unbeabsichtigt zeigen, als so kurz vor dem 3. Akt der wortwörtliche Sturm aufzieht - noch platter geht's nicht und diese Mentalität zieht sich durch das Gesamtwerk, welches alles fein säuberlich, aber mit Ankündigung (siehe den "Symbolismus" mit den "Hortensien") aufsagen muss. Zudem begibt sich Dobkin immer auf recht holprige Pfade, sobald er versucht, seinen bewiesenermaßen nicht wirklich gelungenen Sinn für Humor in die Sache einzubinden, welcher besonders dann problematisch wird, wenn nach einem Running-Gag ausgeschiedener Körperflüssigkeiten dieselbe Komponente aus einem anderen Loch als tragische Nebenwirkung von Krebs genutzt werden will. Dahingehend kann die reine Dialogebene noch eher punkten und vorallem Downey Jr. einige flinke Pointen der Selbstgefälligkeit rausleiern, wohingegen in ernsthafteren Situationen eine eher forciertere Schreibweise heraussticht, der vorallem Billy Bob Thornton als gerissener Staatsanwalt Dwight Dickham (!) schmerzlich-hölzern geopfert wird. Solange ihm noch der Becher mit dem bombastischen Klang eines Sony-Sound-Libraries-Schwertes bleibt...

Aber ich muss mich vielleicht jetzt doch ein bisschen korrigieren hinsichtlich des Vorwurfes der Standardisierung. So wie sich die Situation der Geschichte nämlich allmählich zuspitzt - auf das Downey Jr. nun seinen Vater, den ehrenwerten Richter, vertritt, ihn in Rückblenden versetzt, die mit der Nachmittags-TV-Keule eingearbeitet werden und schließlich auch noch eine Beichte mit Familienhintergrund auf dem Zeugenstand herauskriegen -, ist schon eine amüsant-prätentiöse Vorstellung von Storytelling, genauso wie die pathetischen Schlussbilder auf die Hallen der Justiz im Angesicht der Läuterung und Vergebung. Es fällt in solchen Momenten schwer, dem Film jedwede Glaubwürdigkeit abzunehmen und in einem Wust von allzu bekannten Handlungsmustern muss erst einiges an Zeit verstreichen, bis sich die eine oder andere, mehr oder weniger positive Besonderheit herauskristallisiert. Wenn dann aber mal die triste Souveränität den Boden unter den Füßen verliert und so ein bisschen wahre Menschlichkeit durchscheinen lässt, kann man sich wenigstens abseits des konventionellen Schmalzes, dem Märchen-artigen Domino-Effekt von Story und Charakterentwicklung sowie dem familiären Selbstmitleid noch irgendwo festhalten. Robert Downey Jr. hält einen ohnehin schon durchweg bei der Stange (sowie alle Damen in diesem Film), aber für so einen Schmarrn ist er eigentlich schon zu etabliert, wie auch das vergeudete Ensemble an sich. Die Strafe lautet: Lebenslang verpassenswert, aber der Harmlosigkeit halber nicht ganz entsorgbar.

4 von 10 vollgekotzten Rasen

vom Witte

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