Review: DER MEDICUS – Ein deutscher Monumentalfilm: Außen hui, innen pfui.

Review: DER MEDICUS – Ein deutscher Monumentalfilm: Außen hui, innen pfui.
Fakten:

Der Medicus

Deutschand. 2013.

Regie: Philipp Stölzl. Buch: Jan Berger. Mit: Tom Payne, Ben Kingsley, Emma Rigby, Stellan Skarsgard, Olivier Martinez, Elyas M’Barek, Michael Marcus, Fahri Yardim u.a. Länge: 150 Minuten. FSK: ab 12 Jahren freigegeben. Im Kino.
Story:
Zu Beginn des 11. Jahrhunderts muss der junge Rob Cole (Tom Payne) mit ansehen, wie seine Mutter an der so genannten Seitenkrankheit stirbt und seine beiden Geschwister von ihm weggenommen werden. Rob schließt sich einem Bader (Stellan Skarsgard) an, von dem er in die Grundkenntnisse des Heilens eingeführt wird. Doch er will mehr und so macht er sich auf den beschwerlichen Weg nach Persien, wo er beim Meister der Heilkunst Ibn Sina (Ben Kingsley) lernen will, alle Krankheiten zu besiegen. Auf seiner Reise muss er viele Gefahren überstehen, doch sind sie erst der Anfang, denn vor ihm wird noch eine turbulente Zeit stehen, geprägt vom Aufeinanderprallen unterschiedlicher Religionen, Mentalitäten und Auffasssungen von Liebe.
Meinung:
1986 veröffentlichte der amerikanische Schriftsteller Noah Gordon einen historischen Roman namens „The Physician“. Ein Jahr später erschien auch die deutsche Übersetzung unter dem Titel „Der Medicus“ und avancierte weltweit zu einem Bestseller. Allein in Deutschland wurden über 6 Millionen Exemplare verkauft. Eigentlich verwunderlich, dass sich Hollywood einen solchen Stoff nicht sehr schnell geschnappt hat. Über 25 Jahre dauerte es. Und dann waren es nicht mal die Leute aus Hollywood, sondern eben wir Deutschen. Aber können wir das? Einen so großen, langen Roman auch adäquat auf die Leinwand bringen? Versucht haben wir es zumindest, sogar mit internationaler Besetzung.

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Der weise Ibn Sina inmitten seiner Studenten

Nun, optisch braucht sich die Koproduktion der UFA Cinema, der ARD Degeto und Beta Cinema keinesfalls hinter den Historienfilmen aus Hollywood zu verstecken. Dreck und Schutt in Britannien, Prächtige Bauten und prunkvolle Gewänder im Morgenland. Schmutz und Schmuck liegen so nah beisammen und dazu wirkt das ganze Mittelaltersetting äußerst glaubhaft und ansehnlich. Das größte Plus sind die Naturaufnahmen, die tatsächlich den Atem stocken lassen. Ob nun Klippen in Großbritannien oder die steinigen und sandigen Wüstenlandschaften im Orient. In seinen größten Momenten erinnern die Bilder von der Wüste tatsächlich ein kleines wenig an „Lawrence von Arabien“. Ein größeres Kompliment könnte man einem Wüstenfilm wohl kaum aussprechen. Auch die CGI-Effekte sind durchaus gelungen und die Musik von Ingo Ludwig Frenzel schließt sich ebenfalls schön an die alten Monumentalschinken an.
Dann aber fängt es schon leicht an. Hauptdarsteller Tom Payne sieht mit seinen stechend blauen Augen zwar interessant aus, kann aber den Film nie wirklich alleine tragen. Gut, dazu stehen ihm ja mehr oder weniger etablierte Schauspieler zur Seite. Anfangs ist es noch Stellan Skarsgard als proletenhafter Bader, der sich hier herrlich gehen lassen kann, später Ben Kingsley als weiser Lehrmeister Ibn Sina. Auch Olivier Martinez als Shah kann durchaus überzeugen. Zwar sind auch die kleineren Rollen wie die von Robs Traumfrau Rebecca (Emma Rigby) oder seinen Studienkollegen (Michael Marcus, Elyas M’Barek) nicht unbedingt fehlbesetzt, aber irgendwie fehlt hier das letzte kleine Quäntchen Esprit, dass sie auch an den übrigen Cast heranreichen können.

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Der Bader will den jungen Rob nicht gehen lassen.

Bisher könnte man meinen, der Film läuft, abgesehen von ein paar Schönheitsfehlern, wirklich gut. Aber zwei riesige Probleme lassen den Film einfach nicht über das Mittelmaß hinauskommen. Zum einen ist das die Erzählweise des Films. Anfangs noch wirklich angenehm dargestellt, scheinen schon bald größere Sprünge die Handlung unrund zu machen. Immer wieder fehlen scheinbar wichtige Teile der Handlung, die nur, mehr oder weniger intensiv, angedeutet werden und dann (scheinbar) einem Schnitt zum Opfer fallen und man springt einfach ein Stück weiter. Da es aber meist sehr interessante Elemente sind, die nicht gezeigt werden, immerhin sind hier Schlachten, Sandstürme oder Liebesnächte dabei, wirkt die übrige Handlung doch sehr langweilig und einfach nur so vor sich hinplätschernd, echte Höhepunkte sucht man vergeblich. Immerhin die Szenen, in denen es um die Praxis der medizinischen Behandlung geht, sei es nun eine Pestepidemie oder die vielen kleineren Eingriffe, können die Langeweile kurz unterbrechen.

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Eine Operation kann eine blutige Sache sein.

Und der zweite große Mangel ist die fehlende Möglichkeit, mit den Figuren mitzufühlen. Natürlich mit es fast unmöglich, in zweieinhalb Stunden einen solch ausschweifenden Roman wie diesen hier auch nur annähernd angemessen umzusetzen, doch wurden von Drehbuchautor Jan Berger und Regisseur Philipp Stölzl so viele teilweise auch für die nähere Charakterisierung der Figuren wichtige Elemente weggelassen und komplett verändert, dass es am Ende einfach nicht mehr möglich ist, das Handeln wirklich nachzuvollziehen. Vielmehr bleiben Rob und die übrigen Menschen recht oberflächlich und eindimensional. Außerdem kann man kritisieren, dass der Film nur noch sehr wenig mit der eigentlichen Romanhandlung zu tun hat. Lediglich die Entwicklung der Behandlungsweisen und der Medizin kann man noch relativ gut nachvollziehen.
Unterm Strich ist „Der Medicus“ zwar eine ambitionierte und optisch auch wirklich großartige Sache, doch leider könne die langweilig und emotionslos erzählte Geschichte hier nicht im Ansatz mithalten. Als Romanverfilmung aufgrund der unglaublich vielen, gravierenden Änderungen ohnehin gescheitert, kommt der Film auch als solcher nicht übers Mittelmaß hinaus.

5 von 10 amputierte Zehen


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