Review: DER HUNDERTJÄHRIGE, DER AUS DEM FENSTER STIEG UND VERSCHWAND – Ein Opa mischt die Geschichte auf

Erstellt am 14. Mai 2014 von Die Drei Muscheln @DieDreiMuscheln

Fakten:
Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand (Hundraaringen som klev ut genom fönstret och försvann)
Schweden. 2013. Regie: Felix Herngren. Buch: Felix Herngren, Hans Ingemansson, Jonas Jonasson (Autor). Mit: Robert Gustafsson, Iwar Wiklander, Mia Skäringer, Jens Hultén, Bianca Cruzeiro, Alan Ford, Sven Lönn, David Shackleton, u.a. Länge: 115 Minuten. FSK: Ab 12 Jahren freigegeben. Im Kino.
Story:
Der Schwede Allan Karlsson hat Geburtstag. Sein hundertster. Doch im Altersheim, in dem er lebt, hält er es nicht mehr aus, also klettert er aus seinem Fenster und verschwindet. Während alles wegen seines Verschwindens in Aufruhr ist und Gott und die Welt nach Allan sucht, klaut er einem jungen, zwielichtigen Mann mit Lederjacke einen Koffer, in dem 50 Millionen Kronen drin sind. Natürlich wollen dieser Mann und seine Bande den Koffer wieder haben. So erlebt Allan das ein oder andere Abenteuer, erzählt von seiner bewegten Geschichte, in der er es mit Stalin, Franco und der Atombombe zu tun hatte, und gerät dazu, ganz nebenbei natürlich, auch in Lebensgefahr.


Meinung:
Wenn ein Buch über ein Jahr den ersten Platz so ziemlich jeder Bestseller-Liste einnimmt, dann ist eines so gut wie sicher: Es wird eine Verfilmung geben. Oft krallt sich Hollywood die Rechte, doch Jonas Jonassons Buch „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ wurde in seinem Herkunftsland Schweden produziert. Dabei ist ein Film entstanden, der zwar für knapp zwei Stunden ordentlich zu unterhalten weiß, jedoch wohl kein Film ist, den man sich mehr als einmal ansehen braucht.

Allan steigt aus dem Fenster - und das Abenteuer beginnt

Prunkstück des Films, um gleich mal mit der Tür ins Haus zu fallen, das sind die Rückblicke Allans in seine Vergangenheit – und damit auch in hundert Jahre Weltgeschichte. Er trifft kleine, unbedeutende Menschen. Er baut in New York Hochhäuser. Er hat mit Diktatoren wie Franco oder Stalin zu tun und wirkt auch sonst quietschfidel in der großen Politik, stets unbedarft und ohne den blassesten Schimmer zu haben, was er denn hier genau tut. Diese Rückblicke sind das Prunkstück des Films. Doch leider hat man ihnen viel zu wenig Platz eingefügt. Natürlich sind alle Rückblenden des Buchs, soweit ich mich an meine Lektüre des Romans zurückerinnern kann, auch im Film enthalten, dennoch erscheinen sie einfach viel zu kurz. Das ist schade. Die eigentliche Hauptstory kann da einfach nicht mithalten, trotz ihrer Skurrilität.

Die Hauptstory, ja, die ist ein Kriminalstück, fast schon im Stile der Coen-Brüder, jedoch, ganz unskandinavisch, mit deutlich weniger Blut. Allan Karlsson flieht an seinem hundertsten Geburtstag aus dem Altersheim, stiehlt einen Koffer mit 50 Millionen schwedischen Kronen, bekommt es mit einer Gangsterbande und einem ausgewachsenen Elefanten zu tun und wird ganz nebenbei auch von der Polizei gesucht. Achja, ein paar Tote gibt’s natürlich auch noch. Obwohl wirklich viel passiert und trotz seiner skurrilen Geschichte will der Film einfach nicht in Schwung kommen. Ein Grund könnte die Behäbigkeit des Hauptdarstellers Robert Gustafsson sein, was aber auch verständlich ist: Seine Figur ist schließlich ein alter Mann. Aber auch in seinen jüngeren Jahren ist er ein Pol der Langsamkeit, was sich irgendwann auf die ganze Stimmung überträgt: Ruhig, lässig, gediegen. Was sich aber schlimmer auswirkt, dass ist, dass der trockene, teilweise auch schwarze Humor des Romans nicht adäquat in den Film übertragen werden konnte. Zugegeben, teilweise ist auch hier manch böse Spitze vorhanden, doch erreichen sie nicht die Ausgefeiltheit und Treffsicherheit von Jonassons Vorlage.

Ein skurriler Anblick ist dieser Haufen ja schon.

Robert Gustafsson, der beim Dreh noch keine 50 Jahre alt ist, sieht mit seiner Latexmaske ebenfalls nicht wirklich authentisch aus. Eben wie ein Kerl, der eine Maske aufhat, um einen hundertjährigen Mann zu spielen und nicht wie dieser Mann selbst. Dennoch spielt er ordentlich und kann die Unbekümmertheit Allans präsentieren, auch wenn er, wie bereits geschrieben, insgesamt zu langsam ist, besonders in seinen jüngeren Jahren. Die weiteren Darsteller erfüllen mit ihren sehr stereotypen Figuren jedes Klischee über die jeweilige Gruppe, können jedoch ebenso überzeugen. Optisch kann man nichts aussetzen, auch die Musik, die erst ein wenig merkwürdig, manchmal zu altbacken, manchmal zu fröhlich anmutet, geht irgendwann ins Ohr und man beginnt sogar, ein wenig mitzuwippen. Im Vergleich zur Vorlage fehlen dem Film natürlich viele kleine Details, die das Buch so besonders machen, aber das ist in einem Film nun mal schwer umzusetzen.

Insgesamt ist der Film zwar eine ganz unterhaltsame Sache, die auch nie wirklich langweilig wird, aber dennoch ist er nichts Außergewöhnliches und in vielen Dingen einfach zu lasch. Manchmal ist er lustig, manchmal zündet ein bissiger Kommentar Allans – und manchmal ist es einfach nur vorhersehbar, platt und nervig. So macht man zwar sicher nichts falsch, wenn man sich den Film ansieht, aber mehr kann „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ halt leider auch nicht. Wahrscheinlich war dafür die Vorlage einfach zu gut.

6 von 10 Wodka mit Stalin