Review: DAS ZWEITE GESICHT – Das Böse blickt durch Kinderaugen

Review: DAS ZWEITE GESICHT – Das Böse blickt durch Kinderaugen
Fakten:
Das zweite Gesicht (The Good Son)
USA. 1993. Regie: Joseph Ruben. Buch: Ian McEwan.
Mit: Macauly Culkin, Elijah Wood, Wendy Crewson, David Morse, Quinn Culkin, Daniel Hugh Kelly, Ashley Crow, Jacqueline Brookes u.a. Länge: 87 Minuten. FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD erhältlich.
Story:
Nach dem Tod seiner Mutter, wird der 12-jährige Mark von seinem Vater zu seiner Tante Susan geschickt, da diese mehr Zeit für den Jungen hat. Schnell freundet sich Mark mit seinem Cousin Henry an und verbringt mit ihm viel Zeit. Doch rasch zeigt sich, dass Henry ein trotz seines jungen Alters ein waschechter Soziopath ist, der mit fiesen Streichen und perfiden Plänen seinen Umwelt terrorisiert.


Meinung:
Es ist ein seit jeher liebgewonnenes Motiv, ein zu Anfang unschuldig erscheinendes Kind nach und nach zum absolut Bösen zu stilisieren. Erzielt wird dadurch ein hefter Kontrast, der die objektive Wahrnehmung des Zuschauers effektiv torpediert und uns ein reziprokes Bild präsentiert, dass handelsübliche (soziologische) Normen konsequent verweigert und negiert: Das Grauen blick durch (vermeintlich) unverdorbene Kinderaugen. Richard Donner hat uns einst mit des Satans Brut Damien im Horror-Klassiker „Das Omen“ wohl auf ewig das Fürchten gelehrt, während die britische Produktion „The Children“ von 2008 und Jaume Collet-Serras „Orphan – Das Waisenkind“ in jüngerer Vergangenheit ebenfalls den Schrecken wirkungsvoll in Relation mit Kindern stellten. Joseph Ruben darf sich mit seinem inzwischen in Vergessenheit geratenen und seiner Zeit unbeachteten Psycho-Thriller ebenfalls in die Reihe des durchaus wohlgelittenen „Kinder-Horrors“ stellen.

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Das Böse hinter der Maske

Interessant an „Das zweite Gesicht“ ist vorerst seine prominente Darstelleriege: Da hätten wir Elijah Wood („Der Herr der Ringe“-Trilogie) als Mark, der, führt man sich einen seiner heutigen Auftritte zu Gemüte, seltsamerweise keinen Tag gealtert scheint. Er fungiert als emotionaler Anker, als Säule der Handlung, die der Geschichte eine gewisse Fallhöhe verleiht und den Zuschauer konsequent auf seine Seite zieht. Ihm gegenüber steht der Macaulay Culkin, der durch die Familien-Blockbuster „Kein – Allein zu Haus“ und „Kevin – Allein in New York“ rigorosen Weltruhm erlangte, hier als Henry aber gnadenlos gegen sein Image anspielte – Und überzeugte. Symptomatisch vollstreckt er seine erste Szene in „Das zweite Gesicht“ mit einer Maske, die gerade aus der Meta-Perspektive einen netten Fingerzeig auf Culkins damaligen Stand in der Filmwelt bedeutet: Nichts ist so wie es scheint. Für einen Genre-Film wie „Das zweite Gesicht“ ist das natürlich eine klare Botschaft, jedoch bleibt es spannend, wo das Drehbuch von Ian McEwan seine Grenzen verortet hat.

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Mark und Henry spielen `Schere und Kehle`

Dass Ruben durchaus versteht, wie man Psychopathen in Szene setzen muss, hat er nicht nur mit seinem Semi-Klassiker „The Stepfather“ bewiesen, sondern auch mit dem Thriller „Der Feind in meinem Bett“, in dem Patrick Bergin als pedantischer Tyrann Julia Robert das Leben zur Hölle machen durfte. Culkin darf diese Reihe fortsetzen: Wie es sich für einen Psychopathen nun mal geziemt, gibt er vor Mama und Papa den netten Sohnemann, um hinter ihrem Rücken mit rostigen Nägeln und einer selbstgebauten Armbrust auf Hunde zu schießen oder eine Puppe in Erwachsenengröße von einer Brücke auf eine reichlich befahrene Straße fallen zu lassen. Dabei ist diese Massenkarambolage tatsächlich noch nicht die Spitze des willkürlichen Wahnsinns von Henry, denn die innerfamiliären Wunden klaffen immer mehr. „Das zweite Gesicht“ begeht nicht den Fehler, Henry psychologisieren zu wollen, ihm eine tumbe Motivation für sein Tun anzuheften, was seine Person, seine gewiefte Durchtriebenheit noch brutaler herauskristallisiert.

Sicher hat „Das zweite Gesicht“ nicht das Zeug zum Klassikerstatus, denn dafür ist er zum einen etwas zu konventionell strukturiert und zum anderen in seinem unreflektierten Gestus einfach zu simpel gestrickt: Das Böse muss vernichtet werden. Dabei erklärt eine Kinderpsychologin Mark zwischendurch noch einmal, dass „Böse“ ein Wort ist, dass die Menschen dann verwenden, wenn sie sich nicht mehr bemühen, Dinge verstehen zu wollen. Nur dieses „Verstehen“ passt nicht ins Konzept von „Das zweite Gesicht“, was ihn als Genre-Film zu einem immer noch durch seine Konsequenz bestechenden Finale führt, ihn auf der anderen Seite aber auch oftmals im gehobeneren Durchschnitt trotten lässt – Auch was die grundsätzlich bedrohliche Stimmung im Allgemeinen betrifft. Ein großes Lob hat sich auch die Kameraarbeit von John Lindley verdient, der die Schneelandschaft samt Klippenregion vortrefflich fotografiert und Elmer Bernsteins generisch-penetranten Score zu kaschieren weiß.

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