Review: DAME, KÖNIG, AS, SPION - Die Bürokratie der Geheimnisse

Review: DAME, KÖNIG, AS, SPION - Die Bürokratie der Geheimnisse
Fakten:
Dame, König, As, Spion (Tinker, Tailor, Soldier, Spy)
UK, Frankreich. 2012. Regie: Tomas Alfredson.
Buch: Bridget O’Connor, Peter Straughan, John le Carré (Vorlage). Mit: Gary Oldman, Mark Strong, John Hurt, Benedict Cumberbatch, Toby Jones, David Dencik, Ciarán Hinds, Colin Firth, Kathy Burke, Stephen Graham, Arthur Nightingale, Simon McBurney, Zoltán Mucsi, Péter Kálloy Molnár, Ilona Kassai, Imre Csuja u.a. Länge: 127 Minuten. FSK: freigegeben ab 12 Jahren. auf DVD und Blu-ray erhältlich.
Story:
England, Anfang der 70er Jahre: Der britische Geheimdienstchef, von allen nur Control genannt, vermutet einen sowjetischen Doppelagenten in den eigenen Reihen und schickt daher den Agenten Jim Prideaux in geheimer Mission nach Budapest. Was dabei als Informationsaustausch geplant war, welcher die Identität des Verräters enthüllen sollte, endet jedoch in einem Desaster. Kurz darauf wird Control entmachtet und der pensionierte Top-Spion George Smiley wird überraschend wieder aktiviert, um den Auftrag fortzuführen. Gemeinsam mit dem jungen Peter Guillam macht er sich so daran, den Verräter in den eigenen Reihen ausfindig zu machen. Doch was als relativ einfache Mission beginnt, entwickelt sich schnell zu einem tödlichen Katz- und Mausspiel, bei dem nichts so ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Wer ist letztlich der Verräter im inneren Zirkel des britischen Geheimdienstes und welche Rolle spielt der geheimnisvolle Agent Ricki Tarr, der ebenfalls auf Mission in Budapest war? Das Spiel um Täuschung wie Verrat beginnt…


Meinung:
Hört man die Begriffe England und Geheimdienst assoziiert man wohl automatisch James Bond. Nun, wer mit dieser Erwartungen an die Verfilmung des Romans von John le Carré herangeht, kann nur enttäuscht werden, denn großes Buhei, exotische Schauplätze und irrwitzige Aktionen sucht man bei „Dame, König, As, Spion“ vergebens. Trotz allem ist der Film des Regisseur Tomas Alfredson, der bereits mit seiner ersten Literaturverfilmung „So finster die Nacht“ Großes schuf, ein cineastischer Schatz. Ein grandioser Film und ein Highlight des Spionage-Genres. Tomas Alfredson führt uns Zuschauer in die Welt des britischen Geheimdienstes, zurzeit des Premierministers Edward Heath, 1973, ein. Dabei verzichtet der schwedische Regisseur auf typische, romantisierte Muster der Ermittlungsdienste. Alle Charaktere, die der Film präsentiert, sind vielschichtige, menschliche Mikrokosmen. Es ist packend dabei zu zusehen, wie sie agieren, wie sie empfinden und wie sie versuchen in dem Strudel aus Verrat, Geheimnissen, Gefahr und Anschuldigungen zu Recht zu kommen. Das erfordert von einem aber absolute Konzentration. Jede kleinste Geste, jeder kurze Blick könnte etwas bedeuten.

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Lacht selten: George Smiley

Die durch und durch komplexe Handlung ist ebenfalls ein Faktor, der den Film großräumig erscheinen lässt und jede Unachtsamkeit  von Seiten des Publikums kann die Verständlichkeit empfindlich stören. Doch die bedingungslose Aufmerksamkeit lohnt sich. „Dame, König, As, Spion“ entwirft eine solch realistische und authentische Welt, wie sie nur selten in Werken rund um Spione und Geheimdienste zu sehen war. Der filmische Umgang mit den Figuren verfestigt diese Wirkung. Echte Helden gibt es hier nicht. Die Taten der Agenten sind meist triste, düstere Aufträge jenseits von astralem, heroischem Ruhm.  Regisseur Alfredson zeigt uns die Bürokratie der Geheimnisse und die findet nicht nur in schmutzigen Hinterzimmern mit ominösen Schattenmännern statt, sondern auch auf, bzw. hinter den Schreibtischen landestreuer, meist älterer Herren. Seine Komplexität generiert der Film nicht nur durch seine Vielschichtigkeit seiner Figuren, sondern auch durch seine narrative Struktur. Ohne Dekrete schickt uns Alfredson in die Vergangenheit, beleuchtet frühere Aktionen ohne es dabei eilig zu haben. Aber auch hier hat alles einen Sinn, eine Bedeutung und hilft dabei die Suche nach dem Maulwurf im Inneren des Circus(so wird der Geheimdienst intern im Film genannt) noch fesselnder und vor allem reizvoller zu gestalten.

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Handelt es sich hier bei wirklich um ein Opfer?

Ohne ein herausragendes Ensemble wäre dies alles aber wohl nicht möglich, aber „Dame, König, As, Spion“ besitzt ohne Zweifel eine Darstellerriege der Extraklasse. Gary Oldman, der hier in die Fußspuren des legendären Alex Guinness tritt, der in der gleichnamigen Mini-Serie der BBC von 1979 ebenfalls George Smiley spielte. Oldman, zuletzt eher in Bombast-Produktionen zu sehen die sein darstellerisches Talent eher marginal herausforderten,  liefert hier neben seiner Performance als drogensüchtiger Bad-Cop aus „Léon – Der Profi“ vielleicht die beste Leistung seiner Karriere ab. Sein George Smiley ist ein kühler Denker. Ein stiller Beobachter mit einer außergewöhnlichen Tiefe. Ihnen als Sympathieträger zu bezeichnen wäre unpassend, denn ob Smiley nun ein Vaterlandsfreund ist oder einfach nur seine Chance nutzen will um innerhalb der Geheimdienst-Hierarchie aufzusteigen wird nie richtig geklärt. Wie die meisten Charaktere im Film, hat dieser George Smiley kein Geheimnis, nein, er selbst ist eines. Wir, die Zuschauer müssen selber herausfinden was im Kopf dieses spröden Mannes mit den dicken Brillengläsern vorgeht. Dass ist so faszinierend wie hochspannend.

„Dame, König, As, Spion“ ist ein Meisterwerk. Mit seiner ruhigen, unaufgeregten Art, seinem apodiktischen Umgang mit dem Mythos des kalten Krieges und der Geheimdienstarbeit  entfacht der Film eine so unaufgeregte, aber innerlich dennoch brodelnde Spionage-Geschichte, die glänzend erzählt und ausnahmslos superb gespielt ist. Massives Kino ohne epochale Verwöhnungen und falschen Pathos. Ein Film, der stur und stilsicher, von seinen eigenen Qualitäten überzeugt, seiner Handlung und seinen Figuren folgt. Der Zuschauer wird dabei zwar nicht an die Hand genommen und sachte sowie instruktiv geführt, aber auch das ist attraktiv. In Zeiten, in denen selbst große Blockbuster, trotz simplen Prämissen, das Publikum mit Erklärungen überschütten, ist „Dame, König, As, Spion“ eine wirklich willkommene und höchst meisterliche Abwechslung.

10 von 10 gelben Zetteln an der Aktentasche

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