Review: CARRIE – Des Satans jüngste Tochter badet im Blut der beliebigen Restauration

Review: CARRIE – Des Satans jüngste Tochter badet im Blut der beliebigen Restauration
Fakten:
Carrie
USA. 2013. Regie: Kimberley Peirce. Buch: Roberto Aguirre-Sacasa, Stephen King (Vorlage). Mit: Chloe Grace Moretz, Julianne Moore, Gabrielle Wilde, Portia Doubleday, Zoe Belkin, Samantha Weinstein, Katie Strain, Karissa Strain, Judy Greer, Barry Shabaka Henley u.a. Länge: 100 Minuten. FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Im Kino.

Story:
Carrie White ist ein unscheinbare Teenagerin, die tagtäglich dem Spott ihrer Mitschülerinnen ausgesetzt ist. Auch außerhalb der Schule ist ihr Leben hart, denn ihre streng religiöse Mutter maßregelt sich mit harten, unmenschlichen Strafen. Als Carrie, die nicht aufgeklärt ist, nach dem Schulsport ihre Regel bekommt, glaubt sie, sieverblutet was ihr erneut menschenverachtenden Spott unter ihren Klassenkameraden einbringt. Doch mit ihrer ersten Periode erwachen in Carrie auch neue, noch ungeahnte Kräfte.


Meinung:
Aus tiefer Angst vor grobschlächtigen Entmystifizierungen und den kinematographischen Denkmalschändungen persönlicher Lieblinge, werden nicht nur Remakes als kommerzielles Produkt in ostentativer Pose mit Verachtung gestraft. Der – vielleicht – lobenswerte Hintergedanke eines solchen Projekts, nämlich der Jugend von heute einen Film näherzubringen, der ihren festgefahrenen Sehgewohnheiten nicht mehr entsprechen möchte, in dem man ihn in die Moderne verlegt und genau dieser anzupassen versucht, wird unbehelligt übergangen oder mit gönnerhafter Attitüde und vorgefertigter Meinung verpönt. Und oftmals sollte sich der Pessimismus des Cineasten auch bewahrheiten und jenen Missmut gegenüber Neuaufnahmen kumulativ anzustacheln und wie einen inoperablen Hirntumor bis zum Exodus wachsen zu lassen. Dabei können Reboots gewiss auch ihre guten Seiten haben, in dem sie Vorausgegangenes adäquat aufgreifen und mit einer neuen, wenn möglich differenzierten Sichtweise beehren – Nur gelingt das traurigerweise den Wenigsten.

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Mama ist immer die Beste

Mit Stephen Kings Debütroman „Carrie“ hat sich der ehemalige Regievirtuose Brian De Palma im Jahre 1976 ein gemeinhin als Klassiker deklariertes Monument im Horror-Genre gesetzt. Obwohl seiner „Carrie“-Interpretation – bewerkstelligt nach einer Adaption von Lawrence D. Cohen – die narrative Vielfältigkeit der literarischen Vorlage Kings verloren ging und sich die Psychologie seiner introvertierten Hauptfigur nicht unbedingt mit einem definierten Verständnis für die Weiblichkeit auszeichnete, konnte De Palma zeigen, dass er visuell ein Meister seines gestaltenden Fachs war und hantierte unentwegt, aber gleichzeitig ebenso gekonnt mit den von ihm bestens bekannten Stilelementen und formalen Manieriertheiten.  Mit Kimberly Peirce positioniert sich nun eine Dame auf dem Regiestuhl für die „Carrie“-Neuauflage, die sich immerhin schon für das Drama „Boys Don’t Cry“ mit einer gewissen Menschenkenntnis und dem nötigen inszenatorischen Talent auszeichnen konnte. Nur ist davon im von Beginn an weitreichend verschmähten Remake rein gar nichts mehr zu finden.

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Moretz wurde soeben von Spacek ausgeknockt

„Carrie“ scheitert hingegen an allen Fronten. Angefangen mit der Besetzung des scheuen, von ihrer Mutter durch fanatische Hand geführte und von ihren Mitschülerinnen drangsalierten adoleszenten Mädchens. Die unscheinbare und dadurch gar hervorragend aufspielende Sissy Spacek war eine Idealbesetzung, mit ihrem von Sommersprossen übersäten Gesicht, die jedem Trend verweigernde Kleidung und der absoluten Unwissenheit der eigenen Anatomie und Sexualität gegenüber. Spacek hat diese Rolle nicht nur gespielt, sie hat sich in Carrie eingefühlt und ihre Figur sensationell ausgelebt. Mit Chloe Grace Moretz („Kick-Ass 2“) hat man nun auf eine Nachwuchsdarstellerin zurückgegriffen, die zwar durchaus Talent besitzt, für die Rolle der zerbrechlichen Carrie äußerlich aber viel zu apart und niedlich daherkommt. Eine von ihren Mitschülern gemobbte Streberin würde man in dieser Carrie, wenngleich sich Moretz durchaus bemüht ihrem Charakter gerecht zu werden, unter keinen Umständen erkennen wollen. Einzig Julianne Moore („Boogie Nights“), eine der größten, versiertesten Performancekünstlerinnen unserer Zeit weiß als Carries Mutter problemlos zu gefallen.

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Schick. Das kommt ins Highschool-Jahrbuch

Inhaltlich wie auch inszenatorisch sieht es bei „Carrie“ aber auch nicht besser aus. Angelegt im Hier und Jetzt des High School-Wesens und damit jedem Retrocharme entsagend, der De Palmas Version inzwischen einen weiteren atmosphärischen Bonuspunkt gewährleistet, ist unsere Protagonisten nun im digitalen Zeitalter, dem 21. Jahrhundert angelangt und wird in der ikonischen Duschszene – in diesem Fall furchtbar prüde und ohne jeden Sinn für Körperlichkeit in Szene gesetzt - nicht nur verbal gedemütigt, ihre Panikattacke aufgrund der ersten Menstruation wird auch mit dem Smartphone dokumentiert und findet rasch den Upload auf YouTube. Die Psychologisierung von Carrie, gefangen in den Nöten, der Überforderungen und den allgemeinen Problemen während der Pubertät finden trotz der weiblichen Ägide keine feminine, dafür eine unter jedem Aspekt erschreckend asketische und durch plumpe Metaphorik bediente Form. Ganz zu schweigen vom emanzipatorischen Subtext und der Erkenntnis ihrer übernatürlichen, telekinetischen Fähigkeiten, die gemeinschaftlich auf dem apokalyptischen Abschlussball kulminieren.

Obwohl sich Pierces „Carrie“ näher an Kings Vorlage hält, rückt sie den charakterlichen Fokus noch inkonsequenter und verwaschener in die tosende, immerzu wummernde Beliebigkeit. Und es ist natürlich nur von symptomatischer Natur, dass der Abschlussball geradewegs aus einer Zerstörungsorgie kontemporärer Comic-Tornados kommen könnte, in dem Carrie auf ihrem tobsüchtigen Amoklauf alles zu Schutt und Asche verarbeitet, mit Explosionen im Rücken und mit tiefen Straßenrissen unter den Füßen tranceartig durch die Kleinstadt wandelt. In „Carrie“ regiert keineswegs der zentrale und einst so subtil verfasste Psycho-Horror, sondern die blinde und jeden Ansatz von Stimmung zerstörende Getöse, wie es in den Genregefilden heutzutage nun mal Gang und Gäbe scheint. Der klinische Ausdruck künstlerischer Inkompetenz findet auch in „Carrie“ eine neue, bemitleidenswerte Behausung. Aber leider haben wir wohl alle genau damit gerechnet - Der Fluch der Remakes setzt sich fort.

3 von 10 sündigen Fantasien

von souli

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