Review: BLUTSPUR IM PARK - Ein Giallo auf links

Review: BLUTSPUR IM PARK - Ein Giallo auf links
Fakten:Blutspur im Park (Una farfalla con le ali insanguinate)IT, 1971. Regie: Duccio Tessari. Buch: Gianfranco Clerici, Duccio Tessari. Mit: Helmut Berger, Giancarlo Sbragia, Ida Galli, Silvano Tranquilli, Wendy D’Olive, Günther Stoll, Carole André, Anna Zinnemann, Lorella De Luca u.a. Länge: 96 Minuten. FSK: Freigegeben ab 18 Jahren. Auf DVD erhältlich.
Story:Die 17jährige Studentin Françoise Pigaut wird am helllichten Tag im Stadtpark erstochen, der Täter kann zunächst entkommen. Kurze Zeit später meldet sich eine Zeugin bei der Polizei, die den TV-Journalisten Alessandro Marchi identifiziert haben will. Tatsächlich ist die Beweislast gegen ihn erdrückend, die Verurteilung kann trotz der vehementen Verteidigung seines befreundeten Anwalts und der entlastenden Aussage von Giorgio, dem neuen Freund seiner Tochter Sarah, nicht verhindert werden. Doch dann geschehen weitere Morde und der eigentlich glasklare Fall scheint plötzlich eine neue Wendung zu nehmen…
  

Meinung:Grundsatzfrage: Wann ist ein Giallo eigentlich ein Giallo? Gerne ordnen wir Filme in Schubladen ein, was schon bei einem gröber definierten Genre wie Horrorfilm oder Thriller nicht immer einfach ist. Wann genau von einem Giallo gesprochen werden kann/darf/muss, daran scheiden sich gelegentlich die Geister, in deren Blütezeit entstanden einige Grenzgänger. Als Leitfaden dienen in der Regel dessen eigene Gesetze, die jedoch nicht dogmatischen Wert haben. Paradoxerweise besteht bei „Blutspur im Park“ (fürchterlicher deutscher Titel, „Una farfalla con le ali insanguinate“ klingt doch so wunderschön) gefühlt kaum ein Zweifel an seiner Zugehörigkeit zu der gelben Kategorie, obwohl er praktisch alle diese „Regeln“ konsequent auf links dreht.

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So fangen viele gute Filme an...

Ausgangspunkt der Handlung ist zwar der Mord an einer jungen Frau von einem (zunächst) unbekannten Killer, dessen Identität erst in den letzten Minuten dem Zuschauer (endgültig) offenbart wird. So weit, so erprobt. Der Weg dorthin gestaltet sich jedoch ganz anders, als sonst gewohnt. Ausgiebig-anrüchigen Sleaze, explizite Brutalität oder ausgefeilte, minutiöse arrangierte Tötungsszenen, an all dem zeigt sich Regisseur Duccio Tessari nicht interessiert, verweigert sich sehr bewusst den etablierten Schauwerten. Das geht so weit, dass die sehr spärlichen Morde sogar komplett im Off stattfinden, in einem Giallo normalerweise das Objekt der Begierde. Was im Normalfall die gesamte Aufmerksamkeit von Machern und Zuschauern auf sich zieht, wird zur reinen Nebensache degradiert, im Gegenzug rücken die Dinge in den Fokus, die sonst als lästiges Mittel zum Zweck nebenbei laufen und nur müde lächelnd als notwendiges Übel durchgenickt werden. Kaum zu glauben, aber „Blutspur im Park“ konzentriert sich doch ernsthaft auf die Ermittlungen der Justiz, das Kreieren eines schlüssigen, cleveren Plots, das Spiel seiner Darsteller und…Achtung, bitte festhalten…eine sinnvolle, durchdachte Pointe! Und jetzt der Knaller: Das funktioniert, sogar verdammt gut. Ein Außenseiter seiner Zunft, der fast schon in Erklärungsnotstand kommt, warum er denn auf Qualitäten baut, die bei jedem anderen Genre das Merkmal eines gelungenen Films ausmachen, beim Sonderfall Giallo eher gewöhnungsbedürftig erscheinen.

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Der Prozess läuft eher suboptimal.

In der Tat benötigt der Film- so merkwürdig das klingen mag – eine gewisse Anlaufzeit, um sich auf die unerwarteten Gegebenheiten einzustellen und sich von den als selbstverständlich betrachteten Erwartungshaltungen zu trennen. Bereits der Vorspann lässt erahnen, dass sich hier ein Sub-Genre-Film der etwas anderen Art anbahnt. Ein elegantes Vorspiel, nicht etwa zu vergleichen mit dem hypnotischen Farbenkoma eines Mario Bava bei „Blutige Seide“, das wirkt jetzt schon geerdeter, etwas konventioneller, was keinesfalls abwertend zu verstehen ist. Konventionell mag sogar das falsche Wort sein, dafür ist das Ganze viel zu speziell, zu faszinierend. Beginnend mit Tschaikowskys Klavierkonzert No. 1 geht der Score über in 70er-Easy-Listening-Jazz, um bei einprägenden Main-Theme zu landen, das einen über die folgenden 95 Minuten begleiten wird. Wie in einer Fernsehserie werden nun zunächst die wichtigsten Charaktere mit Namenseinblendung vorgestellt, ohne dass sie bisher in die Handlung aktiv eingegriffen haben. Diese wird dann standesgemäß mit einem Mord eröffnet, um sich daraufhin straight auf den Whodunnit-Plot zu stürzen, was bald mehr von einem Justizthriller als einem Giallo im eigentlichen Sinne zu haben scheint. Markant sind hier allerdings schon narrative Kniffe, die sich erst im Laufe der Zeit als hervorragend konzipierte Puzzleteile entlarven, die nicht wie sonst ohne Sinn und Verstand am Ende in das große Ganze reingedrückt werden, ohne Rücksicht ob die passen oder nicht, Hauptsache man kann das Bild hinterher grob erkennen.

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"Dschungelcamp? Niemals, nicht in 40 Jahren!"

„Blutspur im Park“ mag trotz der versierten, nicht auf großes Spektakel angelegten, dennoch hochwertigen, anspruchsvollen Inszenierung (die Schönheit liegt hier oft in Details, die nicht so offensichtlich wie bei Argento und Co durch ihre Extravaganz hervorsticht) zunächst leicht träge wirken, was ausschließlich der behutsamen, rückblickend effizienten und einzig richtigen Entwicklung der Geschichte geschuldet ist. Besonders bemerkenswert, wie geschickt hier die handelnden Personen skizziert und durchgehend undurchsichtig gehalten werden, auch wenn man zwischenzeitlich meint, auf der richtigen Fährte zu sein. Das Spiel mit dem Zuschauer – nachdem eh schon dessen Erwartungen auf das Genre allgemein verschoben wurden – funktioniert exzellent, dank des klugen, wendigen Skripts und ganz besonders aufgrund der Leistung der überdurchschnittlich agierenden Darsteller, allen voran der einst „schönste Mann der Welt“ Helmut Berger, der mit Abstand den schwierigsten, dafür natürlich auch dankbarsten Part abbekommen hat…wenn man in der Lage ist, diesen wie er zu stemmen. Seine Figur ist niemals zu durchschauen, selbst wenn man sich dem schon sicher scheint, dafür benötigt es nicht nur einer guten Vorlage seitens des Drehbuchs, das musst du verkörpern können. Berger kann das. Ohne ihn und seine Leistung würde das Finale gar nicht seine zerschmetternde Wirkung in dieser Form entfalten können.
Ein ungewöhnlicher, ein außergewöhnlicher Giallo, der im Prinzip alles dafür tut, mehr als „nur“ das zu sein. Anders zu sein. Das kann eventuell einige Zuschauer leicht verschrecken, irritieren, doch gerade das, in der Qualität, definiert erst sein Alleinstellungsmerkmal. Dass es auf solch eingelaufenen Pfaden noch derartig eigenwillige Abzweigungen gibt, erfreulich und nicht genug wertzuschätzen. 
7,5 von 10 schönen Schmetterlingen

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