Fakten:
Blow Out – Der Tod löscht alle Spuren (Blow Out)
USA. 1981. Regie und Buch: Brian DePalma. Mit: John Travolta, Nancy Allen, John Lithgow, Dennis Franz, Curt May, Peter Boyden, Deborah Everton, John McMartin, John Aquino u.a. Länge: 108 Minuten. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.
Story:
Tontechniker Jack ist nachts im Stadtpark unterwegs, um Geräusche für einen neuen Horrorfilm aufzunehmen. Dort wird er zufällig Zeuge wie ein Wagen von der Fahrbahn abkommt und eine Brücke herunterstürzt. Jack eilt zur Hilfe und kann die Beifahrerin retten, der Fahrer stirbt jedoch. Bei diesem handelt es sich um niemand geringeren als George McRyan, den aktuelle Präsidentschaftskandidaten. Jack und Sally, die Beifahrerin, werden angehalten über den Unfall zu schweigen. Kein Problem für Jack, doch beim abhören seiner nächtlichen Tonaufnahmen hört er etwas, dass wie ein Schuss klingt. War es vielleicht kein Autounfall, sondern ein Attentat?
Meinung:
Der einstige Alfred Hitchcock-Eklektiker Brian De Palma („DieUnbestechlichen“), etablierte sich zum Ende der 1970er Jahre zu einem der wichtigsten und vielseitigsten Regisseure der „New Hollywood“-Ära und entwickelte einen ganz eigenen, unverkennbaren Stil innerhalb der der namhaften Garde renommierter Filmschaffender. Wie es die Branche aber nun mal so an vielerlei Position zum Lauf der Dinge macht, bröckelten nicht nur einige lose Partikel vom einst so schillernden Prestige De Palmas, der Mann hat sich seit dem Millennium nicht mehr von der Stelle bewegt und seinem nahezu anhaltenden Negativtrend mit dem sterilen Erotik-Thriller „Passion“ zuletzt die lustlose Krone aufgezwängt. Es bringt aber rein gar nichts, nun mit schmollender Miene über De Palmas Einsturz und endgültigen Niedergang zu krakeelen. Viel angenehmer ist es doch, noch einmal zurück in die Zeit zu reisen, in der man seinen Namen noch mit hochklassigem Output assoziieren durfte und einen Regisseur erlebte, der nicht nur die Stilblüten seiner Vorbilder mit energischem Tatendrang frönte, er legte auch nicht viel Wert auf die Meinungen der Kritiker, die seiner sleazigen Modalität nicht immer die nötige Liebe entgegenbrachten.
Kuck mal, wer da lauscht
Die künstlerische Hochzeit De Palmas lässt sich in den 1970-1980er Jahre entdecken, in denen der damals noch angenehm egozentrische Italoamerikaner nicht nur mit seiner seifig-giallesken „Psycho“-Neuinterpretation „Dressed toKill“ gefiel, sondern beispielsweise auch das klassische „Rise & Fall“-Motiv mit dem Gangster-Epos „Scarface“ auf ein neues Level zu heben wusste. Inmitten diesen - und vielen weiteren – gemeinhin als Klassiker deklarierten Werken, entstand auch „Blow Out“, ein düsterer Thriller mit waschechter Pulp-Ambition im Schlepptau. Und der hat es in vielerlei Hinsicht wahrlich in sich. Betrachtet man den Film vorerst aus der cineastischen Perspektive, wird es bereits hochinteressant, denn De Palma orientiert sich nicht nur an seinem Liebling Alfred Hitchcock, „Blow Out“ ist – wie er der Titel bereits einleitet – eine Hommage an Michelangelo Antonionis brillanten „BlowUp“ aus dem Jahre 1966, wie auch an den ästhetischen und durch die markante Farbgebung akzentuierte Usus eines Dario Argento („Profondo Rosso“). Es ist das reinste Potpourri an aufgegriffenen Stilelementen, mit denen Brian De Palma hier lustvoll ungeniert hantiert.
Sally (Nancy Allen) singt wohl gerade nicht die Hymne
Wenn sich dann noch der informale Aspekt eines politisch-motivierten Paranoia-Thrillers in „Blow Out“ mischt, dann schnellen die Gedanken nicht unbegründet in die Richtung von Francis Ford Coppola oftmals übergangenem Großtat „Der Dialog“ von 1974. Im wichtigen Vordergrund steht aber Jack Terry (John Travolta), der sein Geld als Tontechniker für billige Slasher-Movies verdient und durch einen Zufall – wie einst David Hemmings – Zeuge eines Verbrechens wird. Wie Antonioni, geht auch De Palma der Frage nach unserer Realität und der gefälschten Wahrnehmung unserer Wirklichkeit auf den Grund. Was zu Anfang in einer spitzbübischen Film-in-Film-Montage beginnt, in der ein furchtbar mieser Horrorstreifen als Geburtsstätte eines audiovisuellen Kunststücks steht, ist bereits in dieser Szene als symbolische Reflexion über Schein und Sein zu verstehen. Wem kann man in dieser Welt nun wirklich noch vertrauen? Die Antwort ist eindeutig: Weder den Menschen, noch den aufgezeichneten Geräuschen und schon gar nicht den Bildern. „Blow Out“ wird doppelbödig, ist in seiner Geschichte aber nie so verschachtelt, als dass die Handlung der visuellen Klasse irgendwie im Wege stehen könnte.
Und natürlich ist genau das wiedermal die große Stärke von „Blow Out“: Jede Einstellung scheint ein exzessiv durchkomponiertes, hervorragend kalibriertes Stil- und Zeitdokument. Hinter „Blow Out“ stecken nicht nur die Reminiszenzen an die strahlenden Vorbilder und die inhaltliche Suche nach objektiver Wahrheit, verwebt mit einer abgründiger Verschwörungsgrundlage. „Blow Out“ manifestiert das verkaterte Zeitgefühl der Ronald Reagan-Periode, in der nichts von der Aufbruchsstimmung des 68er-Jahrgangs übrig bleibt, in der die Hoffnungen auf die Verwirklichung einer besseren, schöneren Existenz in unser aller Zukunft brach liegen. Wenn De Palma „Blow Out“ dann schlussendlich in einer unfassbar zynischen Schlusspointe kulminieren lässt, dann weiß man einfach, dass in diesen Tagen die Welt noch in Ordnung war und er auch vor dem makabersten Bruch angestaubter Konventionen keinerlei Scheu verspürte. Warum auch? „Blow Out“ ist formvollendete Kunst. Kunst, die man erleben muss, die inhaltlich in ihrer Verstrickung nicht das Gelbe vom Ei darstellt, die man aber Frame für Frame in sich aufsaugen darf und Minute für Minute genießen. Schön war es damals mit dem ollen Misogyn.
7 von 10 Feuerwerken am Nachthimmel
von souli