Review: BIUTIFUL - Vater bis in den Tod

Erstellt am 19. Juni 2013 von Die Drei Muscheln @DieDreiMuscheln

Fakten:
Biutiful
Mexiko, Spanien. 2010. Regie: Alejandro González Iñárritu. Buch: Alejandro González Iñárritu, Armando Bo, Nicolás Giacobone. Mit: Javier Bardem, Maricel Àlvarez, Hanaa Bouchaib, Guillermo Estrella, Eduard Fernández, Cheikh Ndiaye, Ana Wagener, Blanca Portillo u.a. Länge: 148 Minuten. FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD und Blu-Ray erhältlich.
Story:
Es geht um einen Mann namens Uxbal. Er ist ein Kleinkrimineller, unterstützt einen afrikanischen Schwarzmarkthändlerring, schafft immer wieder billige chinesische Arbeitskräfte an und bringt arme Leute um ihr Geld. Aber Uxbal hat auch Prinzipien. Moral. Ehre. Und vor allem Liebe. Er versucht in einem heruntergekommenen Vorort von Barcelona seine beiden Kinder Mateo und Ana durchzubringen. Für sie tut er alles. Dazu kümmert er sich auch um andere, hilft ihnen, unterstützt sie. Aber dann tritt ein, was er schon lange ahnte: Uxbal wird sterben. Prostatakrebs im Endstadium. Keine Chance auf Heilung. Während er mit dieser Diagnose zurecht kommen muss, versucht er sich auch noch darum zu kümmern, dass es seinen Kindern auch nach seinem Tod gut geht.


Meinung:
Ganz untypisch erzählt Regisseur Alejandro González Iñárritu hier einen linearen Film, der langsam beginnt, aber schnurgerade auf sein unausweichliches Ziel hinläuft. Zwischen Dreck und Kriminalität in den heruntergekommenen Teilen von Barcelona geht es um einen einzelnen Mann namens Uxbal und dessen Versuch, seine beiden Kinder möglichst gut zu erziehen und ihnen ein schönes Leben zu bieten. Trotz Elend und Leid versucht er verzweifelt, vor seinem Tod die Zukunft seiner Kinder zu sichern und auch sein eigenes Leben zu ordnen. Der Film zeigt, wie wichtig ein Vater in der heutigen Zeit für Kinder ist. Und er begleitet Uxbal auf der Suche nach seinem eigenen Vater, der ihm schon immer gefehlt hat, und auf seinem Weg in den unausweichlichen Tod. Aber wie Iñárritu das macht, das ist mit kaum einem anderen Regisseur zu vergleichen.

Seine Kinder sind für Uxbal das Ein und Alles

Wie auch in „21 Gramm“ oder „Amores Perros“ lässt Iñárritu schon früh keinen Zweifel daran, dass es ein sehr deprimierender Film wird. Er drückt den Zuschauer zu Boden, um ihm dann, wenn er wehrlos ist, noch einen Tritt in den Magen zu verpassen. Und noch einen. Und noch einen. Bis man am liebsten gar nicht mehr aufstehen will. Aber dann hilft er dem Zuschauer doch wieder auf. Dann wirft er einen Blick auf die Familie, zeigt, wie rührend sich Uxbal um seine Kinder kümmert. Wie viel Liebe er zu geben hat. Nur, um kurz darauf den Zuschauer wieder niederzuschmettern. Unterstützt wird dieser emotionale Presslufthammer durch eine enorm abwechslungsreiche Musik des Argentiniers Gustavo Santaolalla, der für „Brokeback Mountain“ und „Babel“ bereits zwei Oscars erhalten hat. Ob nur einfache Klänge von der Gitarre oder dann wieder ein ganzes Orchester. Es passt immer. Genauso wie die Kameraarbeit von Rodrigo Prieto, die sehr stark auf Großaufnahmen setzt, was den von Bardem vermittelten Emotionen extrem zu Gute kommt, und der extrem auffällige Einsatz von Licht. Mal hell, mal dunkel, mal bunt, mal alles zugleich. Das alles unterstützt sowohl die Szenerie, in der sich Uxbal aufhält, macht aber auch dessen Gefühlslage deutlich. Nebenbei versucht Iñárritu noch, sozialkritische Aspekte mit einfließen zu lassen. Das macht er zwar angenehm unaufdringlich, aber leider dennoch wirkt der Film an manchen Stellen dadurch überladen.
 

Emotionales Schauspiel in Perfektion: Javier Bardem

Getragen wird dieser Film von Javier Bardem. Man könnte meinen, er habe bereits das ganze Leben dieses Uxbal gelebt, so sehr taucht er in seine Gedanken ein, so sehr stülpt er das Innerste Uxbals nach außen. Wenn man weiß, wie gut dieser Mann spielen kann, dann sollte man ihn sich noch ein bisschen besser vorstellen. Noch intensiver. Noch selbstzerstörerischer. Man hofft und bangt mit ihm und weiß doch schon sehr früh: für ihn gibt es keine Hoffnung und keinen Ausweg. Das macht das alles eigentlich fast unerträglich. Fast, denn Bardem spielt mit so viel Liebe, dass er, genau wie es Iñárritu macht, den Zuschauer immer wieder zumindest kurzzeitig aus seiner Depression herausholt. Auch die weiteren Darsteller reihen sich in diese emotionale Achterbahn gnadenlos mit ein. Besonders Maricel Àlvarez, die Marambra, die Mutter von Ana und Mateo spielt. Mal erscheint sie als liebevolle Mutter, um im nächsten Moment, gezeichnet von Drogen und Medikamenten, wieder durch depressives und doch überdrehtes Verhalten alle Sympathien zu verlieren.
Leider ist „Biutiful“ besonders in der ersten Hälfte ein gutes Stück zu lang geraten, nimmt sich zu viel Zeit, was ihm leider schadet. Dennoch hält der Film über Leben und Tod, über Liebe, über Familie und über Moral genau das, was er durch den Namen des Regisseurs verspricht. Eine Fahrt in das deprimierende und letztlich auch hoffnungslose Innere seiner Hauptfigur. Er ist Begleiter eines Todgeweihten, Charakter- und Milieudie und zeigt gleichzeitig, was im Leben wirklich wichtig ist: Familie. Den Film kann man sich sicher nicht zu jeder Zeit ansehen. Er zieht den Zuschauer mit runter und lässt ihn am Ende mit offenen Fragen zwischen dem Dreck der heruntergekommenen Stadtteile Barcelonas liegen. Ja, auf seine spezielle, deprimierende Art ist dieser Film „biutiful“. Aber dennoch will ich ihn so schnell nicht noch einmal sehen.

8,5 von 10 Finger voll flüssigem Eis