Review: BITTER MOON - Die Kehrseite grenzenloser Liebe

Erstellt am 19. April 2013 von Die Drei Muscheln @DieDreiMuscheln
  
  

Fakten:
Bitter Moon
FR, GB, USA, 1992. Regie: Roman Polanski. Buch: Roman Polanski, Gérard Bach, John Brownjohn. Mit: Peter Coyote, Emmanuelle Seigner, Hugh Grant, Kristin Scott Thomas, Victor Banerjee, Sophie Patel, Luca Vellani, Boris Bergman, Olivia Brunaux, Heavon Grant u.a. Länge: 134 Minuten. FSK: ab 16 Jahren freigegeben. Auf DVD erhältlich.

Story:
Das britische Ehepaar Nigel und Fiona machen eine Kreuzfahrt, die ihre augenscheinlich harmonische, allerdings leicht eingeschlafene Ehe wieder auffrischen soll. Sie lernen dort den querschnittsgelähmten Amerikaner Oscar und seine bildhübsche, französische Frau Mimi kennen. Nigel spürt die unglaubliche Anziehungskraft von Mimi, kann sich ihrer erotischen Aura kaum entziehen. Oscar bemerkt das und bittet Nigel in seine Kabine. Nicht etwa, um ihn zur Rede zu stellen, er hat selbst viel zu erzählen: Die Geschichte von Mimi und ihm, die dem braven Nigel die Sprache verschlägt.
  

  
Meinung:
- "Warum bleibst du bei mir?"- "...weil du mir so äußerst wertvoll bist. Viel wertvoller als jemals zuvor."

Wer würde bei dem Grinsen nicht an einen Seitensprung denken?

In was für einen Strudel aus menschlichen Emotionsgeflächten, Höhe- und Tiefpunkten, Grenz- und Extremerfahrungen uns Roman Polanski bei "Bitter Moon" einsaugen wird, deutet sich zu Beginn kaum oder nur sehr vage an und lässt sich maximal am Rande erahnen. Dafür beginnt die Schilderung der Liebe zwischen Oscar und Mimi viel zu romantisch, verspielt, fast schon märchenhaft-kitschig. Die perfekte Romanze eines Paares, das in den gemeinsamen Stunden, Tagen und Wochen die Welt um sich herum vergisst. Voller Hingabe wird sich die gegenseitige Liebe beteuert und ausgelebt. Mit vollem Körpereinsatz. Ja, es macht fast den Eindruck, Polanski hätte den Kitsch für sich entdeckt, um sich schliesslich bei der Inszenierung der ausgiebigen Liebesspiele selbst zu befriedigen. Doch "Bitter Moon" baut da nur auf, was er im weiteren Verlauf mit einer wahninnigen Intensität einreißt.

Frau am Telefon, na und? Man achte auf den Hintergrund...

Die Befürchtung, Polanski würde hier ein altersgeiles Soft-Porno-Geschnacksel runterschleudern, bei dem es lediglich um das Zuschaustellen nackter Haut und immer bizarrer werdenden Sexpraktiken gehen, wird in der zweiten Hälfte ohne Kompromisse von sich geschmettert. Vorher wird keine Gelegenheit ausgelassen, sich gegenseitig zu begatten. Mal ganz klassisch vor dem Kamin, mal mit vollem Mund, später auch gerne in Latex, mit Popo-Peitsche oder der Schweinemaske im Gesicht. Keine billig-sabbernde Fleischbeschau, denn Polanski zeigt so, wie die Beziehung der Beiden ein obsessives Maß annimmt, das irgendwann außer Kontrolle gerät. Ab dem Punkt schlägt alles um in die pure Grausamkeit. "Bitter Moon" schmeckt nun so bitter wie er klingt, die Geigen sind vom Himmel in die Hölle gefallen und schlagen plötzlich ganz andere Töne an. Jetzt offenbart die Bessessenheit, der bedingunglose Verfall dem Partner gegenüber seine hässlichste Fratze in einem Ausmaß der Boshaftigkeit, wie es selten zu sehen ist. Das kann nur durch den vorher entstandenen Unterbau so wirken, tatsächlich glaubhaft, selbst in seiner Extreme. Wie unendliche Liebe in so grausamen Sardismus enden kann, ist verstörend, bitterböse und vernichtend. "Bitter Moon" zerreißt seine Protagonisten vor den Augen des Zuschauers, der diesem, sich immer steigernden, Prozess fassungslos zusieht, fasziniert und abgestoßen ist. Ein Beziehungsdrama von ganz oben nach ganz unten, eigentlich noch viel weiter. Wo sonst am Ende die Trennung steht, geht das hier Gezeigte den Schritt weiter, der so brutal wie endgültig ist. 

 
Ein schonungsloser, beunruhigender Film mit einer engagierten Emmanuelle Seigner und einem famosen Peter Coyote, bei dem es sehr verwundert, dass die Karriere danach im B-Movie Sumpf unterging. Mit solchen Leistungen empfiehlt man sich sonst für die ganz großen Rollen, sehr schade.
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