Review: BIG BAD WOLVES - (K)Ein Wolf unter Wölfen (?)

Erstellt am 10. Dezember 2014 von Die Drei Muscheln @DieDreiMuscheln

                                                                      
Fakten:Big Bad Wolves ISR, 2013. Regie & Buch: Aharon Keshales, Navot Papushado. Mit: Lior Ashkenazi, Tzahi Grad, Rotem Keinan, Dov Glickman, Menashe Noy , Dvir Benedek , Nati Kluger, Kais Nashif, Ami Weinberg u.a. Länge: 106 Minuten. FSK: Freigegeben ab 18 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.
Story:Ein Serientäter entführt, vergewaltigt und enthauptet kleine Mädchen. Polizist Miki und seine Kollegen nehmen einen Verdächtigen, den unscheinbaren Lehrer Dror, äußerst heftig in die Mangel. Das hat Folgen: Ein Video des illegalen Verhörs landet im Internet, Miki wird suspendiert. Nun an keine Vorschriften mehr gebunden, will er ein Geständnis von Dror. Dabei kommt er dem Vater eines Opfers in die Quere, der den selben Plan hat. Gemeinsam verschleppen sie Dror in den Keller des Vaters, gut ausgestattet mit allerhand nützlichem Werkzeug. Nur Beweise für die Schuld des Mannes haben sie nicht.
  
Meinung:„Verrückte haben keine Angst vor Waffen…Verrückte haben Angst vor Verrückten.“
Vor vier Jahren gelang den beiden Israelis Aharon Keshales und Navot Papushado mit „Rabies – A Big Slasher Massacre“ ein Überraschungs- und Achtungserfolg, zumindest in Genrekreisen. Auf den ersten Blick schien ihr Low-Budget-Backwood-Slasher nur eine Kopie gängiger US-Vorbilder, offenbarte sich dann letztlich zu einem gewitzten, ironischen Beitrag, den man so nicht unbedingt auf dem Zettel hatte. Mit dieser Verve machen die beiden Filmemacher auch bei ihrem jüngsten Werk „Big Bad Wolves“ weiter, was allein beim Blick auf die Thematik sehr risikofreudig, wenn nicht sogar zum Scheitern verurteilt erscheinen mag. Das so anzugehen erfordert Mut wie Können und dass sich dieser zum größten Teil auszahlt, macht ihre Namen auch weiterhin äußerst interessant.

Die Polizei, dein Freund und Folterknecht.

Wenn es darum geht, einen vermeidlichen Kindermörder zu einem Geständnis zu bewegen, ist dann jedes Mittel recht? Die Frage haben schon einige Filme gestellt, u.a. der hervorragende „7 Days“ – der diese soweit es ethisch überhaupt möglich ist sogar beantwortete – oder der hochgelobte „Prisoners“, der zunächst die moralische Zwickmühle anriss, sie dann völlig unverständlicherweise komplett ignorierte und sich an seiner gewollten Ernsthaftigkeit somit aufhängte. „Big Bad Wolves“ begeht diesen kolossalen Fehler nicht, denn er will gar nicht erst hinterfragen, was richtig oder gerecht in diesem Fall überhaupt ist. Er lässt seine Figuren einfach handeln, aus ihrem Gesichtspunkt nachvollziehbar, ob das vertretbar ist steht gar nicht zur Debatte bzw. wird nicht näher zum Thema des Films gemacht. In Bezug auf den Inhalt klingt das kaum machbar, aber es funktioniert tatsächlich. Durch seinen Grundton, der trotz der grausamen Verbrechensserie und der folgenden Konsequenz durch die selbsternannten Rächer niemals zur verkniffen-ernsten, einzig auf Leid und Elend abzielenden Qual- und Foltershow wird, es sich jedoch nicht nehmen lässt, genüsslich mit diversen Versatzstücken davon zu hantieren. Gut und Böse, das spielt hier alles keine Rolle. Jede der Hauptpersonen ist ambivalent angelegt, das Treiben vollkommen wertungsfrei. „Big Bad Wolves“ soll unterhalten, Spannung erzeugen, mehr als einmal sarkastischen Humor aufblitzen lassen und macht dies erfrischend unverkrampft und über weite Strecken sogar sehr effektiv.

Wie beim Kinderarzt: Jetzt kommt der Reflexhammer.

Keshales und Pupashado vergreifen sich bei ihren pechschwarzen Humorattacken nicht an wehrlosen Opfer und gehen geschickt der größten Stolperfalle aus dem Weg. Die abscheuliche Verbrechensserie wird nicht verharmlost, was gleichzeitig auch das Handeln aller Beteiligten zumindest nachvollziehbar gestaltet. Über geschändete, ermordete Kinder wird sich nicht amüsiert. Nur wer selbst Dreck am Stecken hat, wird nicht in Schutz genommen. Mit zynischen, ätzenden Pointen und Dialogen geizen sie nicht, auch vor der nicht unbedingt toleranten Einstellung Israels zu gewissen Bevölkerungsgruppen wird bewusst kein Halt gemacht. Wie schon bei „Rabies – A Big Slasher Massacre“ greifen sich die beiden Regisseure ein angesagtes Genre – hier eben den in Mode gekommenen „Torture-Porn“ – und drehen ihn nach ihrer Fasson durch den Wolf. Folgen einigen Regeln, ignorieren dafür andere und überraschen durch ihre selbstbewusste Art, sich nicht zu sehr in Klischees und Erwartungshaltungen zu verlieren. Dafür muss ihnen großer Respekt gezollt werden, von der sauberen Inszenierung ganz zu schweigen, die locker auf dem Niveau gestandener US-Produktionen steht. Das ist abgewichst, das ist straight, nur am Ende kann das tolle Konstrukt nicht ganz stabil stehen. Es mangelt nicht am Stil, nicht an der grundlegenden Herangehensweise wie Umsetzung, es ist viel einfacher: Der Schlusspunkt ist leider weder überraschend, noch wird das entscheidende i-Tüpfelchen gesetzt.
Ausgerechnet auf den letzten Meter enttäuscht „Big Bad Wolves“, allerdings nicht mit einem Frontalzusammenstoß. Das aufgebaute Niveau kann schlicht nicht gehalten werden und gerade weil alles vorher so schmissig aufgetischt wurde, erwartet man einfach mehr, als schlussendlich geboten wird. Auch damit haben sich Keshales & Pupashado wieder über Erwartungshaltungen hinweggesetzt, diesmal allerdings im negativen Sinne. Doch die Fallhöhe ist lange nicht so krass wie bei dem bereits angesprochenen „Prisoners“. Der hatte alle Chancen auf Höchstwertungen und krachte auf ganz ordentliches Niveau, „Big Bad Wolves“ ist immer noch ein kleiner Geheimtipp, nur er hätte ein richtig großer sein können. Wie auch immer, Tipp bleibt Tipp. 
6,5 von 10 verschmorten Brusthaaren