Review: AMERICAN MARY - Amputiert und zugenäht


Review: AMERICAN MARY - Amputiert und zugenäht  

Fakten:

American Mary
CA, 2012. Regie & Buch: Jen & Sylvia Soska. Mit: Katharine Isabelle, Antonio Cupo, Tristan Risk, David Lovgren, Paula Lindberg, Clay St. Thomas, John Emmet Tracy, Twan Holliday, Nelson Wong, Jen Soska, Sylvia Soska u.a. Länge: 99 Minuten. FSK: Freigegeben ab 18 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.
Story:Die angehende Chirurgin Mary steht kurz vor dem Abschluss ihres Studiums, dass Geld ist jedoch knapp. Ein Job in einem Stripclub soll die Kasse kurzfristig füllen. Zufällig gerät Mary, dank ihrer Fähigkeiten, dadurch an eine ganz andere Einnahmequelle: Body-Modification. Illegal durchgeführte Schönheits-OPs für Klienten mit sehr speziellen Wünschen. Ein lukratives Geschäft. Ein dramatischer Vorfall lässt Mary dann eine Grenze überschreiten und weckt die dunkle Seite in ihr.
  
Meinung:Mit ihrem zweiten Spielfilm zeigen die Soska-Zwillinge Jen und Sylvia, dass mit wenig Geld und Zeit sich doch noch ansprechende Genrefilme machen lassen, die zudem nicht die x-te Zombie-, Schlitzer-, Monstervariation darstellen. "American Mary" bietet einen interessanten thematischen Background, wirkt handwerklich enorm abgeklärt und, gemessen an den Mitteln, erstaunlich gut umgesetzt, so das er viele der zahllosen B-Movies aus dem Horrorkeller noch ein Stück billiger aussehen lässt.

Review: AMERICAN MARY - Amputiert und zugenäht

Hat gar nicht wehgetan...

Ein typischer Horrorfilm ist "American Mary" eigentlich auch nicht, zumindest kein dahergelaufener Standard nach Schema F. Vielmehr wird der Zuschauer der Einblick in eine Welt gewährt, die in den Hinterhöfen und Kellern der Realität tatsächlich existiert. Body-Modification, äusserst grenzwertige Schönheits-OPs für Menschen, die ein etwas anderes Schönheitsideal vertreten und ihren Körper dem anpassen wollen. Dem Thema bedingt enthält "American Mary" unweigerlich Anflüge von David Cronenbergs Body-Horror-Filmen, dabei jedoch klar in der Realität verankert. Statt Monster und Mutationen gibt es teils bizarre, befremdliche und sogar abstossende Dinge zu sehen, die so oder so ähnlich tatsächlich existieren und praktiziert werden. Dadurch bezieht der Film einen ganz besonderen Reiz und schafft sich eine interessante Nische im Genre. Etwas Rape & Revenge ist dann auch noch dabei, ohne das die Soskas (übrigens auch in einer kleinen "Doppelrolle" zu sehen) zu sehr bei grossen Vorbildern kopieren.

Review: AMERICAN MARY - Amputiert und zugenäht

Praktisch: Die Ersatzteile gleich mitgebracht

Generell darf man auf weitere Arbeiten der Schwestern gespannt sein, denn sie wissen scheinbar ganz genau was sie wollen und wie das auszusehen hat. Nichts wirkt hastig dahingeschlurt oder budgetbedingt eingeschränkt. Gar nicht so einfach unter den Bedingungen. Sehr ordentlich und stimmungsvoll eingefangen, gute (wenn auch nur wenige) Effekte, passend gewählter Soundtrack, ordentliche Darsteller. Hervorzuheben ist darunter natürlich Katharine Isabelle ("Ginger Snaps"), die nicht nur erwachsen, sondern auch darstellerisch gereift ist. Aus ihrer Rolle entsteht auch die eigentliche Spannung des Films, die sich eben nicht genretypisch aus dem Whodunit- oder Zehn-kleine-Negerlein-Prinzip ergibt. Die Entwicklung ihrer Figur macht diese aus. Sie ist Opfer wie Täterin, Protagonistin wie Antagonistin, kaum eindeutig festzulegen, sehr ambivalent. "American Mary" ist zwar nie hochspannend, jedoch niemals langatmig oder fade. Dem Script hätten zwar gewisse Höhepunkte nicht geschadet, dennoch alles wirklich nett gemacht.
Punktabzug gibt es leider eindeutig für das ruckartige und etwas blöde Finale. Das erscheint wie der eingebaute Schlusspunkt, der am Ende dazugebastelt werden musste. Mit einem runderen Abschluss würde der Film wohl noch ein bisschen in der Wertung steigen können. Vielleicht. So oder so, "American Mary" ist erfreulich anders und sehr ordentlich umgesetzt. Einen Blick definitiv wert und eine kleine Empfehlung. Mit Schönheitsfehlern, aber wie wir aus dem Film lernen, Schönheit liegt im Auge des Betrachters.
6,5 von 10 amputierten Gliedmassen. 

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