Review: AM GRÜNEN RAND DER WELT - Klassisches Gefühlskino in voller Pracht

Review: AM GRÜNEN RAND DER WELT - Klassisches Gefühlskino in voller Pracht
Fakten:
Am günen Rand der Welt (Far from the Madding Crowd)
Dänemark, Großbritannien. 2015. Regie: Thomas Vinterberg. Buch: David Nicholls, Thomas Hardy (Vorlage).
Mit: Carey Mulligan, Matthias Schoenarts, Michael Sheen, Tom Sturridge, Juno Temple, Jessica Barden, Jody Halse, Mark Wingett, Bradley Hall, Victor McGuire, Harry Peacock, Sam Philips, Dorian Lough u.a. Länge: 119 Minuten. FSK: freigegeben ab 6 Jahren. Ab 16. Juli im Kino.
Story:
Im England des 19. Jahrhunderts lebt Bathsheba Everdene ein unkonventionelles Leben. Die junge, i
ntelligente und sehr eigenwillige Frau liebt ihre Unabhängigkeit. Dabei wird sie von drei Männern umgarnt. Der attraktive Schäfer Gabriel Oak schätzt ihren Eigensinn und macht ihr prompt einen Heiratsantrag, den sie jedoch ablehnt. Der wohlhabende Gutsbesitzer William Boldwood ist fasziniert und verwundert zugleich von dieser modernen Frau, aber auch seinen Heiratsantrag lehnt sie ab. Und dann trifft Bathsheba auf den selbstbewussten Offizier Frank Troy und gerät in seinen gefährlichen Bann…

Meinung:
Es ist nicht Thomas Vinterbergs erste, internationale Produktion. Bereits mit „Dear Wendy“ und „It’s all about Love“ versuchte sich der dänische Regisseur abseits seiner skandinavischen Heimat. Wirklich überzeugend waren diese Ausflüge nicht, auch wenn man ihnen interessante Facetten gewiss eingestehen muss und wohl auch sollte. Nach seinem gefeierten Drama „Die Jagd“, die Vinterberg endlich mit Mads Mikkelsen zusammen brachte, ging der Regisseur des ewigen Meisterwerks „Das Fest“ erneut das scheinbare Risiko ein und versuchte sich im Ausland. Wobei Risiko übertrieben ist, denn „Am Rand der grünen Welt“ ist klassisches Erzählkino, basierend aus den Roman, „Far from the Madding Crowd“ aus dem Jahre 1874 von Autor Thomas Hardy, den man gerne auch die männliche Jane Austen bezeichnet.

Review: AM GRÜNEN RAND DER WELT - Klassisches Gefühlskino in voller Pracht

Gabriel und Bathsheba: Der eine liebt, der andere nicht

Eine Bezeichnung die durchaus passt. Nicht nur das Zeitalter stimmt für diesen Vergleich überein, sondern auch die Themen. Bei „Am grünen Rand der Welt“ geht es um eine junge, couragierte wie selbstständige Frau, Bathsheba Everdeen, die das Erbe ihres Onkels antritt und sich als Leiterin einer großen Farm gegen Vorurteile, Unterdrückung und die Hormone einiger verfallender Männer erwehren muss. Gerade von einem Regisseur wie Vinterberg hätte man damit gerechnet, dass er diese klassische Geschichte neu interpretiert oder vielleicht sie sogar in ein völlig neues wie frisches Gewand kleidet, doch „Am grünen Rand der Welt“ bleibt den Wurzeln des Romans treu. Das ist durchaus schade, doch Vinterberg versteht es dennoch einen Film zu präsentieren, der gewiss nicht an die umwerfenden Qualitäten seiner großen Paradefilm heranreicht, dafür aber anspruchsvolles wie durchaus smartes Unterhaltungskino darreicht, welches die Motive von Hardys Roman versteht und sie ebenfalls zur Kernthematik macht. So verkommt „Am grünen Rand der Welt“ niemals zur plakativen Schmonzette, sondern kümmert sich aufrichtig und konzentriert um Bathsheba und ihren steinigen Weg. Dabei verkommt diese nicht zur blanken Opferrolle, sondern bleibt eine Kämpferin, die stets zwischen ihren Stärken und Schwächen hin und her tingelt und somit niemals ihre Menschlichkeit wie andere Heldenfiguren einbüßen muss.

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Ein Kuss ohne Bedeutung?

Das erklärt u.a. auch, warum die Figur seit Erscheinen des Romans immer wieder als literarische, feministische Heldin herhalten muss. Für die „Die Tribute von Panem“-Autorin Suzanne Collins war Bathsheba sogar eine Inspirationsquelle für die Figur der Katniss. Dass Bathsheba Everdeen auch in dieser Verfilmung von „Far from the Madding Crowd“ als Heldin funktioniert liegt an Hauptdarstellerin Carey Mulligan. sie betört und glänzt in der Rolle und verleiht ihr Stolz, Würde, hinterlässt aber stets auch immer ein wenig das Gefühl von Unsicherheit sowie Freiheitsliebe. Auch Michael Sheen und der Belgier Matthias Schoenarts, der bisher noch keinen Qualitativen Flop in seiner Filmographie vorzuweisen hat, wissen zu überzeugen und sorgen neben Mulligan dafür, dass „Am grünen Rand der Welt“ darstellerisch in der höchsten Liga spielt. Noch ein Stück besser gefallen da nur die von Kamerafrau Charlotte Bruus Christensen eingefangen Bilder. Vinterbergs drehte seine Hardy-Verfilmung zumeist an Originalschauplätzen und Bruus Christensen nutzt diese für wirklich atemberaubend schöne Bilder, die sich so roh wie majestätisch über die Kinoleinwand ausbreiten. Ein optischer Hochgenuss, der dadurch gestört wird, dass die Geschichte an sich immer wieder mit äußerst unliebsamen wie unnatürlich wirkenden Ausbrüchen von Kitsch zu kämpfen hat und darüber hinaus dramaturgisch mehr als nur das eine Mal in ein tiefes Loch stürzt. Vor allem die Figur des Soldaten Sergeant Troy (hölzern: Tom Sturridge) und seiner Geliebten Fanny (viel zu kurz dabei: Juno Temple) greift der Film zu halbherzig auf, so dass sich die späteren Entwicklungen immer ein wenig zu gezwungen und übertrieben anfühlen.

„Am grünen Rand der Welt“ ist von vorne bis hinten klassisches Gefühlskino, welches dank spielfreudiger Stars, durchaus spritzigen Dialogen und umwerfend schönen wie imposanten Bildern zu gefallen weiß. Leider trüben dramaturgische Patzer das Vergnügen etwas. Von einem Regisseur wie Vinterberg hätte man gewiss deutlich mehr erwartet und dennoch, unter all den gängigen Standards bleibt „Am grünen Rand der Welt“ ein Film von ihm. Wenn der dänische Filmemacher etwas versteht, dann Geschichten zu erzählen von Menschen die kämpfen müssen. Sei es gegen die Familie, ein kleines Dorf oder eben die eigenen Gefühle.

6 von 10 aufgeblähte Schafe

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