Fakten:
360
GB, AT, BR, F, 2011. Regie: Fernando Meirelles. Buch: Peter Morgan. Mit: Anthony Hopkins, RachelWeisz, Jude Law, Ben Foster, Lucia Siposová, Gabriela Marcinkova, Danina Jurcová, Johannes Krisch,Dinara Drukarova, Vladimir Vdovichenkov, Djemel Barek, Moritz Bleibtreu, Peter Morgan u.a. Länge 106 Minuten. FSK: ab 12 Jahren freigegeben. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.
Story:
Unterschiedliche Länder, unterschiedliche Menschen, unterschiedliche Geschichte...und doch hängt beeinflusst das Handeln des Einzelnen die Geschehnisse der Anderen, das berühmte Schmetterlings-Effekt. Es beginnt mit einem britischen Geschäftsmann, der in Wien eigentlich eine Prostituierte gebucht hat, sie aber im letzten Momente versetzt. Das startet mehr oder weniger eine Ereignungskette. Zwar ist nicht alles direkt darauf zurück zuführen, doch beeinflusst diese kleine Abweichung den Verlauf der Geschichten mehrere Menschen rund um den Globus. Von Wien bis London, von Paris bis Phoenix. Für manche ist es nur ein kleiner, für einige ein bedeutender Einschnitt...
Ambitioniert ist der Film von Fernando Meirelles auf alle Fälle. Neu ist das Prinzip um kleine Abzweigungen im Leben, die indirekt eine Ereignungskette auslösen und somit vollkommen fremde, rund um den Erdball verstreute Menschen beeinflussen zwar nicht, aber das macht ja auch nichts. Eine Herausforderung stellt dieses Vorhaben an jeden Drehbuchautor, in diesem Fall Peter Morgan. Der versteht sein Handwerk ( u.a. "Der letzte König von Schottland", "Frost/Nixon") und zunächst sieht auch hier alles nach Erfolg aus.
Wie die einzelnen, kleinen Geschichten miteinander verwoben sind, ist absolut schlüssig. So lapidare Dinge wie eine Nachricht auf der Mailbox, eine wohlwollende Bewertung auf einer Internetseite oder eine zufällige Bekanntheit im Flugzeug, das alles schuppst das Leben daran eigentlich nicht beteiligter Menschen in eine andere Richtung. Das so zu erdenken und niederzuschreiben ist nicht einfach, allein auf seine Zusammenhänge beschränkt funktioniert Morgans Buch bestens. Problematisch wird es dann, die Geschichten und Personen drumherum sinnvoll unter einen Hut zu bekommen.
John will seine Tochter nicht sterben lassen.
Es werden viele Charaktere, Schauplätze und Szenarien angerissen, doch einige werden total vernachlässigt. Da verläuft mehr als nur eine Storyline ins Nichts, beim Abspannstellt sich eine gewisse Verwunderung ein, scheint doch vieles nicht fertig erzählt. Andere sind zwar geschlossen, wirken insgesamt aber eher überflüssig. WieFüllmaterial, um den dezenten roten Faden nicht abreißen zu lassen. Bedauerlich, denn interessant erscheint zunächst jede der Figuren und der Blick auf ihre persönlichen Geschichten. Gerade bei dem von Ben Foster gespielten Sexualstraftäter, der aus der Haft entlassen verzweifelt gegen seine Triebe ankämpft, fällt dies besonders ins Gewicht. Seine Figur und Geschichte hätte eine ganzen Film allein tragen können, stattdessen verschwinden er und seine Story irgendwann sang- und klanglos. Konsequent bis zum Schluss erzählt wirkt hier wenig, allein die Geschichte um die Prostituierte wirkt komplett. Sicherlich kann so ein Film nur kurze Zeitfenster öffnen, nur bei manchen stellt sich die Frage, warum sie dann erst geöffnet wurden. Vielleicht, oder sehr wahrscheinlich, wäre eine Begrenzung auf weniger Figuren und Storys sinnvoll gewesen, oder die Laufzeit deutlich zu erhöhen. Das hätte kaum gestört, denn Potenzial ist reichlich vorhanden.Denn "360" ist an und für sich sauber gemacht. Fernando Meirelles überzeugt abermals als fingerfertigerRegisseur, der sich auf die Inszenierung versteht. Der Cast ist hervorragend gewählt. Neben A-Prominenz wie Anthony Hopkins, Rachel Weisz, Jude Law und Ben Foster greift Meirelles auf viele internationale Gesichter zurück, anstelle jede Rolle mit bekannten Zugpferden zu besetzen. Das erweißtsich als geglückt. Einige Gesichter dürften dem Publikum unbekannt sein (wie wohl den AusländernMoritz Bleibtreu, der sich mit so kleinen Rollen schon in einige globale Produktionen "geschummelt" hat, was nicht despektierlich gemeint ist), was sich gleichzeitig so unverbraucht und authentisch macht. Was Stil, Idee und Inszenierung angeht, lässt sich "360" rein gar nichts vorwerfen. Gerade deshalb macht sich zum Schluss Ernüchterung breit, dass aus diesen ganzen guten Aspekten kein vollkommen zufriedenstellender Film entsteht. Eine Chance hat "360" verdient, hier wird einfach so viel gut und richtig gemacht. Nur am entscheidensten Punkt leider nicht und das ist bei so einem Film nun mal das Drehbuch.
6 von 10 globalen Schmetterlingsflügelschlägen