Review: 12 UHR NACHTS – MIDNIGHT EXPRESS – Die Hölle auf Erden

Review: 12 UHR NACHTS – MIDNIGHT EXPRESS – Die Hölle auf Erden
Fakten:
12 Uhr Nachts – Midnight Express (Midnight Express)
USA. 1978. Regie: Alan Parker. Buch: Oliver Stone. Mit: Brad Davis, Bo Hopkins, Randy Quaid, John Hurt, Irenen Miracle, Paolo Bonacelli, Paul L. Smith, Norbert Weisser, Vic Tablian u.a. Länge: 121 Minuten. FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.

Story:
1970, Flughafen Istanbul: Der Amerikaner Billy Hayes wird verhaftet wegen Haschischschmuggel. Vier Jahre später, nach einem langen Prozess, wird er zu 30 Jahren Gefängnis verurteilt. Für Billy beginnt eine körperliche wie seelische Tortur. Zusammen mit seinen Mitgefangen Max und Jimmy plant er seine Flucht.


Meinung:
Alan Parker gehört zu den Filmemachern, die in diesen inflationär aufgestellten Toplisten gerne mal übergangen werden, ähnlich wie ein Peter Weir („Der einzige Zeuge“) oder auch Michael Cimino („Im Jahr des Drachen“), obwohl sie doch mit einer künstlerischen Kontinuität aufwarteten, von der viele andere Kollegen nur träumen dürfen. Unter der Ägide von Alan Parker entstanden Werke, an denen sich die Menschen noch in Jahrhunderten erfreuen werden, weil er es in formidablerAusübung verstand, sowohl zwischen anspruchsvollem Kunstkino und packender Unterhaltung umherzuspringen, als auch in den unterschiedlichsten Genres Fuß zu fassen. Zu seinen Glanzleistungen gehören der schwüle Okkult-Thriller „Angel Heart“ wie der noch schwülere Rasssismus-Thriller „Mississippi Burning – Die Wurzel des Hasses“, die außerdem wunderbar veranschaulichen, wie akkurat Parkers Schauspielführung doch immer ausfiel. Parker war Zeit seiner Karriere kein Spaßvogel, Komödien sind in seiner Filmografie dann doch eher Mangelware. Beklemmender als in „12 Uhr nachts – Midnight Express“ hat man den Meister aber wohl nie erlebt.

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So ein türkischer Knast ist kein Zuckerschlecken

Nach einem Drehbuch von Oliver Stone, der gemeinhin durch Filme wie „Platoon“, „JFK – Tatort Dallas“ und „Nixon – Untergang eines Präsidenten“ erfolgreich als politisch-engagierter Autorenfilmer etablierte, erzählt „12 Uhr nachts – Midnight Express“ die auf wahren Begebenheiten beruhende Passionsgeschichte des Billy Hayes: Bei seinem vierten Versuch, Haschisch aus der Türkei in die Vereinigten Staaten zu schmuggeln, wird der damalige Student auf dem Istanbuler Flughafen überführt. Und nachdem sich Billy eine Kooperation mit dem Geheimdienst eigenständig durch einen Fluchtversuch vermasselt hat, wird er inhaftiert. Alan Parker beweist seine inszenatorische Finesse schon in der mehr als brillanten Exposition: Wie wir Zeuge davon werden, wie Billy das Haschisch in den Flieger schmuggeln möchte, ist Suspense-Kino der Extraklasse, verstärkt durch den stetig schneller pochenden Herzschlag auf der Tonspur (ein Mittel, das Parker in „Angel Heart“ nochmal aufgreifen wird). Schweißgebadet zeigt sich in dieser Sequenz gewiss nicht nur unser Protagonist, der die illegale Drogen nicht einmal zum Eigengebrauch verwenden wollte, sondern damit auf die schnelle ein paar Dollar verdienen.

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Der Traum von Freiheit

Aber Straftat ist Straftat und Billy muss es sich ohne Wenn und Aber gefallen lassen, dafür zur Rechenschaft gezogen werden. Wie dies allerdings vonstattengeht, entbehrt sich jedoch jeder Verhältnismäßigkeit und nachdem Billys Anwalt eine Haftstrafe von vier Jahren ausgehandelt hat, die für ihn als Erfolg gefeiert werden sollte, nimmt das Dilemma seinen Lauf: Knapp zwei Monate vor seiner Entlassung beschließt die türkische Justiz ein Exempel an ihm zu statuieren und verurteilt ihn nachträglich als Schmuggler zu lebenslänglich in einem Istanbuler Drecksloch von Gefängnis. „12 Uhr nachts – Midnight Express“ wächst heran zu einer wahren Tour de Force und lässt Billy hilflos durch die grauenhaften Gepflogenheiten dieses Mikrokosmos wanken. Der Willkür des sadistischen Aufsehers Hamidou ausgeliefert, müssen sich die Gefangenen drakonischen unterziehen und desolate hygienische Zustände erfahren. Allein die Gefängniskulisse erzeugt den puren Ekel im Zuschauer: Alles scheint feucht und verschmutzt, die Insassen müssen zusammengepfercht in heruntergekommenen Zimmern nächtigen, bis es am nächsten Morgen wieder Schläge mit der Route auf die nackten Fußsohlen regnet.


 

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Erwischt!

12 Uhr nachts – Midnight Express“ fiktionalisiert den Leidensweg des Billy Hayes und Oliver Stone gestand später in einer Entschuldigung, die er an das türkische Volk richtete, das der die Situation dann doch reichlich überdramatisierte. Aber geschenkt, wir sprechen wir von einem Spielfilm, der eine gewisse Wirkung einheimsen möchte, was ihm auch tadellos gelingt. Was „12 Uhr nachts – Midnight Express“ aber einen kleinen Zacken aus der Krone bricht, sind nicht die Umstände per se, denn dass es in einem türkischen Knast nicht gerade zimperlich zugeht, versteht sich wohl von selber. Es ist die Summe an auswegloser Grausamkeit, die Oliver Stone dem Zuschauer hier zumutet. Seine Skript weidet sich an einer markanten Xenophobie und Ressentiments, die noch heute beständig sind. Freundliche Türken hat „12 Uhr nachts – Midnight Express“ überhaupt nichts zu bieten, sondern nur durchtriebene und geisteskranke Zeitgenossen, den man kein Vertrauen schenken darf. Dass gerade diese Tatsache den echten Billy Hayes enttäuscht hat, versteht sich von selber, fällt dieser tendenziöse Habitus und der Hang zur Übertreibung doch irgendwo schon reichlich spürbar ins Gewicht. Und doch kauft man es Parker ab, dass er nicht vor hatte, ein derartig ungefiltertes Menschenbild zu propagieren.Man könnte diese Darstellung auch aus einer repräsentativen Perspektive betrachten, die sich auf all die Systeme in unserer Welt bezieht, in denen sich Schuld und Sühne nicht die Waage halten, denn die Quintessenz von „12 Uhr nachts – Midnight Express“ ist der Aufruf gegen die vollstreckte Ungerechtigkeit, gegen eine korrupte (in diesem Fall eben osmanische) Rechtspolitik, die sich jedem logischen Verfahren entzieht. Was festzuhalten bleibt, ist, dass „12 Uhr nachts – Midnight Express“ manipulatives, aber simultan dazu eben auch erschreckend authentisches Kino ist. Das Gesetz des Dschungels thront über dem Gefängnis, Hoffnungsschimmer für Hoffnungsschimmer werden im Keim erstickt, Billy zerfällt immer weiter, bis es sich dann doch schlagartig eine erlösende Chance auf Rettung gibt – Endlich Durchatmen. Schön ist auch zu sehen, wie „12 Uhr nachts – Midnight Express“ es vermeidet, die Homosexualität ausschließlich als etwas widerwärtiges, etwas herabwürdigendes darzustellen. Vollkommen zu Recht ein Klassiker.7,5 von 10Küssen unter der Dusche
von souli

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