Fakten:00 Schneider – Im Wendekreis der EidechseDeutschland, 2013. Regie & Buch: Helge Schneider. Mit: Helge Schneider, Rocko Schamoni, Peter Thoms, Tyree Glenn Jr., Ira Coleman, Pete York, u.a. Länge: 92 Minuten. FSK: Freigegeben ab 6 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.
Story: Es gibt viel zu tun für Kommissar 00 Schneider. Er bekommt es nicht nur mit einem grapschenden Sittenstrolch zu tun, sondern muss außerdem einen Verbrecher jagen, der sich die Eidechse nennt und Zigaretten und Hühner klaut.
Meinung: Helge Schneider ist seit den Anfängen seiner Karriere eine absolute Ausnahmeerscheinung in der deutschen Künstlerszene. Seine verschrobene, extreme Art des Humors, die von albernem Slapstick, über präzise Imitationen bis hin zu radikalem Anti-Humor reicht, hat die Meinung seit jeher stark gespalten und der berühmte Slogan "Hate it or love it" trifft auf ihn wohl zu wie auf keinen anderen. Trotzdem ist Helge Schneider unbestritten ein wahres Multitalent und ein echter Workaholic, der, wenn er nicht gerade gefühlt das ganze Jahr mit seinem Programm auf Tour unterwegs ist, CD´s aufnimmt, Bücher schreibt oder Filme dreht. Außerdem ist er ein musikalisches Genie, welches diverse Instrumente spielen kann und sich vor allem durch ein feinsinniges Improvisationstalent auszeichnet, durch das keiner seiner Bühnenauftritte dem anderen gleicht. Nach seinem letzten Film "Jazzclub – Der frühere Vogel fängt den Wurm" aus dem Jahr 2004 meldet sich Schneider neun Jahre später endlich mit einem neuen Werk zurück, das sich einer seiner alten, berühmten Figuren widmet, nämlich Kommissar Roy Schneider.
Reservoir Dogs sind dagegen Schoßhündchen.
Wie bei allen Filmen von Schneider gilt auch hier, dass man seinen speziellen Stil mögen muss, sonst wird man sich schnell die Haare raufen ob der eigenwilligen Stilistik, die seine Werke durchzieht. Schneider, der Regie führt, für das Drehbuch verantwortlich ist, die Musik selbst komponiert und als Darsteller in diverse Rollen schlüpft, entführt seine Zuschauer in ein bizarres Paralleluniversum, das mit so vielen Eigenheiten durchzogen ist, dass diese Art des Filmemachens bei anderen Regisseuren normalerweise als dreiste Arbeitsverweigerung durchgehen würde. Kennzeichen eines Helge Schneider Films, und das trifft auch wieder exakt auf dieses Werk zu, sind ein hohes Maß an Improvisation, ein Handlungsgerüst, das keines ist und schnell in einzelne Episoden zerfällt sowie eine radikale Art von fast schon dadaistischem Nonsense sowie parodistische Einlagen, welche die volle Bandbreite abdecken und neben Schmunzlern und Lachern immer wieder zu völligem Stillstand und belangloser Langeweile führen. Ein Beispiel gefällig? Als der Kommissar in seiner Wohnung sitzt, klingelt es an seiner Tür. Er öffnet diese und schmeißt sie sofort wieder zu. Der Mann, ein Staubsaugervertreter, stellt sich vor und wird vom Komissar in die Wohnung gebeten, nur um im nächsten Moment die Tür gegen das Gesicht geschlagen zu bekommen, wodurch ihm ein Zahn ausfällt. Der Kommissar öffnet die Tür ein drittes Mal, aber nur, um den verärgerten Staubsaugervertreter grinsend viele Sekunden lang mit Pfannkuchen zu bewerfen, und danach die Tür wieder zu schließen.Spektakulär choreographierte Action, bei Helge selbstverständlich.
Wer beim Lesen solch einer Beschreibung schon mit dem Kopf schüttelt, sollte sich vom Film gänzlich fern halten, denn im Grunde besteht er ausschließlich aus solch verunsicherndirritierenden Szenenfolgen des brachialen Gaga-Humors. Im Prinzip lässt sich der filmische Stil von Helge Schneider eher in die Riege der surrealistischen Filmemacher wie Luis Buñuel oder David Lynch einordnen und ist mit sonstigen deutschen Regie-Arbeiten nicht einmal im Ansatz zu vergleichen. Nichtsdestotrotz wirkt "00 Schneider – Im Wendekreis der Eidechse" sogar etwas zahmer und gemäßigter als die bisherigen Filme von Schneider, hat toll komponierten Jazz als musikalische Begleitung und ist sowohl von der Kameraarbeit als auch vom Schnitt her durchaus ansehnlich angefertigt worden. Dass Schneider sein grobes Handlungsgerüst diesmal an alte Polizei- und Ermittlerfilme aus den 70er Jahren anlehnt, ist natürlich ebenso nur eine Randnotiz wie die Tatsache, dass außer ihm selbst wieder einmal sämtliche Darsteller entweder lange verschollene Namen sind, die der Regisseur aus der Versenkung hervorholt, oder totale Laien, die planlos in die Kamera schauen oder unzusammenhängende Satzfolgen stammeln.Wer ein ausgewiesener Fan von Helge Schneider ist, muss " 00 Schneider – Im Wendekreis der Eidechse" sowieso gesehen haben, denn auch nach all den Jahrzehnten seiner Tätigkeit hat sich der Mann immer noch kein bisschen verstellt oder dem Mainstream angebiedert und ist ganz er selbst geblieben, weshalb es hier für Anhänger seines Schaffens genauso viel zu Lachen gibt wie es skurrile Details an allen Ecken und Enden zu entdecken gilt. Dass der Streifen nicht ganz rundläuft, ist natürlich noch eine maßlose Untertreibung und ohnehin Teil des absurd-schrägen Gesamtkonzepts, aber es ist schön, dass der alberne Helge immer noch genau so ein alberner Typ ist, wie eh und je.
6,5 von 10 Tanten aus Amerika
von Pat