Retinoblastom: Wenn bereits ein Blick in die Augen Leben retten kann – Teil 2

Retinoblastom: Wenn bereits ein Blick in die Augen Leben retten kann – Teil 2Retinoblastom: Wenn bereits ein Blick in die Augen Leben retten kann – Teil 2

Aileen und ihre Eltern

Ihr mögt euch erinnern: Vor einem Jahr gaben uns Damaris Fischer und Livio Caplazi einen Einblick in ihr Familienleben mit ihrer an Augenkrebs erkrankten Tochter Aileen. In einen ausführlichen und beeindruckenden Interview erzählten sie uns im letzten Herbst, welch äusserst belastende Erfahrung für Eltern die Diagnose einer Krebserkrankung beim eigenen Kind darstellt. Damit nicht genug: Als Eltern müssen sie sich auch laufend mit zusätzlichen Sorgen und Problemen im Zusammenhang mit der Therapie beschäftigen. Wie sieht ihr Familienleben ein Jahr später aus? Wie geht es Aileen heute? Die Eltern erzählen uns in diesem Beitrag über die Geschehnisse in den letzen Monaten.

Retinoblastom: Wenn bereits ein Blick in die Augen Leben retten kann – Teil 2

Schon so gross: Aileen wird bald 2 Jahre alt!

Bevor wir Aileens Eltern zu Wort kommen lassen, fassen wir für euch die wichtigsten Fakten und Infos aus dem letztjährigen Interview mit ihnen zusammen:

Das Retinoblastom – ein seltener Kinderkrebs

Die Krebsform, die Aileen hat, ist sehr selten. Das Retinoblastom ist ein bösartiger Tumor der Netzhaut des Auges. Dieser Tumor geht von genetisch veränderten unreifen Netzhautzellen aus und führt unbehandelt zum Tode. Wird die Krankheit frühzeitig erkannt und therapiert, sind die Heilungschancen gut. 96% der Patienten können geheilt werden. Da das Wachstum des Retinoblastom nur von unreifen Netzhautzellen ausgehen kann, tritt dieser Tumor nur sehr selten nach dem 5. Lebensjahr auf. Auf 20.000 Lebendgeburten kommt etwa ein Krankheitsfall, was rund 3 bis 4 Fällen pro Jahr in der Schweiz entspricht. Bei Mädchen und Jungen tritt der Tumor mit gleicher Häufigkeit auf.

Aufklärung und Sensibilisierung

Auch wenn dieser Krebs sehr selten ist, müsste man ihn besser kennen – erst recht, weil es sich bei diesem Krebs um eine Form handelt, die man als Eltern von blossem Auge selber erkennen kann. Dies wasr für Aileens Eltern der Hauptgrund dafür, mit ihrer Geschichte an die Öffentlichkeit zu gehen. Es wäre nämlich ein Leichtes, ein Retinoblastom früh zu erkennen, wenn man dafür sensibilisiert wäre. Leider neigen die Ärzte gerne dazu, erste Verdachtsmomente zu bagatellisieren. Reagiert man aber nicht schnell genug, können die Tumore die Augen so weit zerstören, dass man sie sogar entfernen muss. Oder im schlimmsten Falle über den Sehnerv ins Kopfinnere wandern.

Die Behandlung

Die Behandlung von Kindern mit Retinoblastom ist schweizweit auf das Hopital Ophatalmique Jules Gonin in enger Zusammenarbeit mit dem Unispital (CHUV) in Lausanne konzentriert, welches in diesem Leistungsbereich mit Francis Munier, Leiter der pädiatrischen Augenonkologie über eine ausgezeichnete Expertise verfügt. Das Augenspital Jules-Gonin ist europaweit einzigartig und bekommt aufgrund seines Renomees viele Kinder aus dem Ausland zugewiesen. Die Klinik und insbesondere Professor Munier haben einen sehr guten Ruf. Angefangen hat die Behandlung im Februar 2017, damals betrugen die Abstände zwischen den Terminen 4 Wochen, weil die Chemotherapie stattfand. Anschliessend fanden die Kontrolluntersuchungen mit Behandlung unter Narkose in 2 – 3 Wochen Abständen statt. Aileen und ihre Eltern reisen immer am Vorabend an, übernachten dort und reisen am nächsten Tag wieder nach Hause – ausser während einer Chemotherapie, dann müssen sie drei Tage in Lausanne bleiben.

Aileen hat grosses Glück, dass sie die sogenannte „interarterielle Chemo“ machen kann. Diese wirkt direkt am Auge und nicht wie die „systemische Chemo“ überall im Körper. Aileen dürfte somit auch die Krippe oder – wie sie es bereits gemacht hat – das Babyschwimmen besuchen. Anders als Kinder, die sich der systemischen Chemo unterziehen, muss Aileen nicht aufpassen, dass sie sich irgendwo ansteckt und krank wird. Unser Leben ist somit nicht gross eingeschränkt, wir haben uns auch nicht zurückgezogen oder gar isoliert. Aileen ist gerne unter Kinder und die Eltern wollen, dass sie soziale Kontakte pflegt.

Die ersten ein, zwei Jahre der Behandlung sind die strengsten. Während der ersten sechs bis zwölf Monaten ist die Gefahr am grössten, dass neue Tumore entstehen. Nachher sollten diese dank der Therapie abnehmen und dadurch werden auch die Abstände zwischen den einzelnen Klinikbesuchen etwas länger. Die Therapie sollte mit rund 5 bis 6 Jahren abgeschlossen sein – die Heilungschancen betragen 96%.

Je älter Aileen wird, umso mehr sträubt sie sich gegen die Therapie. Diese neuen Entwicklungen machen alles noch schwerer. Aber wenn die Familie mit einem guten Bescheid wieder nach Hause fahren kann, dann vergessen sie den Krebs schon fast ein wenig. Doch rund eine Woche vor dem nächsten Termin beginnt sie das Schicksal wieder zu belasten…

Das vollständige Interview könnt ihr hier nachlesen: Retinoblastom: Wenn bereits ein Blick in die Augen Leben retten kann

Retinoblastom: Wenn bereits ein Blick in die Augen Leben retten kann – Teil 2

Nach wie vor ist Aileen ein aufgestelltes Mädchen!

Heute – ein Jahr später

„Die letzte Chemotherapie war am 27. September 2017. Seit Dezember 2017 ist Aileen behandlungsfrei und es gab keine weiteren neuen Tumore. Die Abstände der Besuche in der Klinik in Lausanne, an denen die Aileens Augen unter Vollnarkose untersucht werden, waren ein halbes Jahr lang auf vier Wochen angesetzt und jetzt sind wir zwischen 6 bis 8 Wochen! Da die Abstände der Besuche nun grösser sind, hat Aileen genügend Zeit sich, von den Untersuchen zu erholen und auch wir bekommen dadurch mehr Luft zum Atmen. Mit jedem positiven Bericht wächst die Zuversicht, dass das Schlimmste überstanden ist, und doch sind wir vor jedem Besuch sehr angespannt, bis wir das Resultat erfahren. Die Angst, dass wieder neue Tumore gewachsen sind oder wieder aktiv wurden, ist immer im Hinterkopf.

In diesem Jahr haben wir viele neue Bekanntschaften gemacht. Bei einigen haben sich Freundschaft entwickelt. Wir fühlen auch jedesmal mit ihnen mit. Wenn sie keinen guten Bescheid erhalten, nimmt es auch uns mit und es wird uns wieder bewusst, wie unberechenbar dieser Krebs ist. Wir haben nun schon bei zwei Kindern mitbekommen, dass sie ein Auge entfernen mussten, da es nicht mehr anders ging. Dies stimmte uns jedes Mal sehr traurig und gleichzeitig machte es uns nervös, ob es bei Aileen auch irgendwann so weit sein könnte…

Aileen ist nun bald zwei Jahre alt und verhält sich wie jedes andere Kind in diesem Alter. Sie ist nach wie vor ein aufgestelltes, fröhliches und interessiertes Mädchen, das genau weiss, was es will und einen starken Charakter hat. Was sich zurzeit eher schwierig gestaltet, ist das Abdecken des Auges. Dies mag sie gar nicht und wir geraten deswegen oft in Konflikte. Die vier Stunden täglich sind für uns alle deswegen sehr anstrengend. Wenigstens wissen wir, dass sich das Sehvermögen bereits verbessert hat und wissen dadurch auch, dass sich das Abdecken des linken gesünderen Auges lohnt.

Bald schon bekommt Aileen eine kleine Schwester. Wir freuen uns sehr darauf und gleichzeitig sind wir auch etwas angespannt, ob mit ihren Augen alles gut sein wird. Beim nächsten Untersuch von Aileen werden wir das Baby mitnehmen und auch deren Augen werden angeschaut. Zum Glück ohne Narkose.

Jeden Donnerstag kommt jemand von Low Vision für eine Stunde zu uns nach Hause, um mit Aileen zu spielen. Low Vision ist eine Organisation, die Familien mit sehbehinderten und behinderten Kindern unterstützt. Wir haben schon einige Tipps bekommen, wie wir mit der Beeinträchtigung ihres Sehvermögens am besten Umgehen und sie auch fördern können.“

Retinoblastom: Wenn bereits ein Blick in die Augen Leben retten kann – Teil 2

Bald wird Aileen eine grosse Schwester sein!

Auch dieses Interview ist ihm Rahmen der durch uns unterstützten Kampagne „4 von 5“ von Kinderkrebs Schweiz entstanden. Wir danken Damaris Fischer und Livio Caplazi einmal mehr ganz herzlich, dass sie uns einen weiteren Einblick in ihr Familienleben mit einem krebskranken Kind gewährt haben. Aileen und ihren Eltern wünschen wir für die Zukunft nur das Beste, insbesondere für die bald anstehende Geburt ihres zweiten Kindes!

4 von 5 können geheilt werden

Von 5 krebskranken Kindern und Jugendlichen in der Schweiz können 4 geheilt werden. Trotzdem bleibt Krebs – nach Unfällen – die zweithäufigste Todesursache bei Kindern. Dazu kommt, dass mehr als zwei Drittel der geheilten Kinder und Jugendlichen (sogenannte «Childhood Cancer Survivors» kurz Survivors) an Spätfolgen leiden.

Wer die Kampagne auch unterstützen möchte, kann dies einerseits durch Teilen dieses Blogposts über die eigenen sozialen Medien (Facebook, Twitter, Instagram, Snapchat, Linkedin, Xing etc.) und Verwendung der Hashtags #4von5 oder #KinderkrebsSchweiz tun. Oder andererseits einen persönlichen Wunsch als Geste der Solidarität für ein krebskrankes Kind äussern und diesen mit den Stichworten #4von5 #ThoughtsForAChild #KinderkrebsSchweiz teilen.

Retinoblastom: Wenn bereits ein Blick in die Augen Leben retten kann – Teil 2Weiterführende Informationen zu Kinderkrebs Schweiz sowie zur Kampagne „4 von 5“ findet ihr hier!

Weitere Beiträge passend zum Thema:

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