Durch die lange Isolation hat sich in Madagaskar eine ganz eigenwillige Fauna entwickelt. Auf der Insel im Indischen Ozean leben etwa 270 Reptilienarten, der allergrösste Teil davon (95 – 99%) ist endemisch: es gibt sie nur in Madagaskar.
Unter Madagaskars Reptilien finden sich das Nilkrokodil, mehr als 180 Eidechsen-Arten (dazu zählen Chamäleons, Leguane, Geckos, Skinke und Schildechsen), diverse Arten von Land- und Wasserschildkröten sowie Schlangen. Auch viele Arten von Amphibien, wie Frösche, finden sich auf der Großen Insel im Indischen Ozean.
Besonders ist, dass etliche Reptilien-Arten nur punktuell, in geografisch sehr limitierten Zonen Madagaskars vorkommen. Jede ökologische Nische wird von ganz spezifischen Tieren besetzt, wobei der Regenwald mehr Nischen bietet als der Trockenwald. Dies führt so weit, dass gleiche Nischen zuweilen doppelt besetzt sind: von tagaktiven und von nachtaktiven Tieren. Zu ihrer Verteidigung haben viele Reptilien in Madagaskar keine Aggressionswaffen entwickelt, sondern sich zu verblüffenden Tarnkünstlern entfaltet. Sie sind teilweise so gut getarnt, dass sie sogar auf Fotos schwer auszumachen sind. Andere hingegen sind auffallend gezeichnet mit farbigen schillernden Mustern.
Krokodile
Es gibt nur noch eine Art Krokodil auf Madagaskar, nachdem die grösseren Vertreter dieser Panzerechsen ausgestorben sind. Das heute noch – wenn auch selten – anzutreffende Nilkrokodil (voay oder mamba genannt) wird bis zu 6 Meter lang und ist für den Menschen das einzige gefährliche Tier Madagaskars. Es findet sich bis heute in etlichen Flussläufen und insbesonders im Unterlauf des Betsiboka. Das Krokodil gilt in vielen Regionen Madagaskars als Wiedergeburt der Ahnen und wird wegen seiner Kraft verehrt, wie beispielsweise in einem heiligen See bei Anivorano. Krokodilzähne gelten für vielen Madagassen als kraftvolle Glücksbringer. Doch trotzdem wurden und werden die Tiere intensiv gejagt, besonders wegen des – für den Touristenmarkt gesuchten – Leders. Noch immer werden Taschen, Schuhe und Geldbeutel aus Krokodilleder mitten in der Hauptstadt Antananarivo frei verkauft – und offenbar auch gekauft. In der Umgebung des Flughafens Ivato gibt es eine kommerzielle Krokodilfarm, die auch besichtigt werden kann.
Eidechsen
Die Echsenpopulation auf Madagaskar ist sehr vielseitig. Mehr als 180 Arten Eidechsen, Geckos und Chamäleons leben in den unterschiedlichen Naturlandschaften der Insel.
Chamäleons
Madagaskar beherbergt zweidrittel der weltweiten Chamäleonarten. Etwa 60 Arten der auf Madagaskar vorkommenden Chamäleons sind hier endemisch, also nur hier zu finden.
Reisende erfreuen sich besonders an den Pantherchamäleons mit seinen vielen Farbvariationen, den großen Parsons-Chamäleons oder an den bis zu 80 cm lang werdenden Riesenchamäleons. Schwieriger zu entdecken sind die kleinen Arten, darunter das nur etwa 1,5 cm lange Brookesia Micra, das als kleinstes Chamäleon der Welt gilt. Chamäleons bewegen ihre Augen unabhängig voneinander, und bewegen sich in ruckartigen Bewegungen, die an ein zögerliches Schreiten erinnern. Regungslos warten sie auf ihre Beute, wie Insekten oder Ameisen. Im geeigneten Moment schiesst die mehr als körperlange, aufgerollte Zunge auf die Beute zu, die an der klebrigen Zungenspitze hängen bleibt. Übrigens beziehen sich viele madagassische Sprichwörter, die zu Umsicht und Bedachtheit mahnen auf Chamäleons. Doch insgeheim fürchten sich viele Madagassen vor diesen Relikten einer fernen Urzeit und glauben, dass der Biss dieser Tiere tödlich sei.
Geckos
Überall in Madagaskar trifft man auf tag- und nachtaktive Gecko-Arten. Als bekanntester Vertreter gilt der grüne Madagaskar-Taggecko – phelsuma madagascariensis. Die verschiedenen Exemplare dieser Art mit unterschiedlichen Größen und Farbvariationen werden gerne fotografiert und finden sich oft an Hauswänden. Ein besonderer Gecko ist der nur in Madagaskar vorkommende nachtaktive Plattschwanzgecko. Diese Tiere werden bis zu 35 cm groß und sind erstaunlich gut getarnt. Sie drücken sich tagsüber an Äste und Baumstämme, wobei ihre Hautfortsätze jegliche Kontur auflösen.
Leguane
Leguane existieren weltweit nur in Amerika und Madagaskar. Die Echsen werden bis zu 35 cm groß, dabei sind Körper- und Schwanzlänge oft in etwa gleich. In Madagaskar leben sieben Arten der dort (und teils auf den Komoren) endemischen Madagaskar-Leguane. Sie sind vor allem in den trockenen Gebieten im Südwesten der Insel zu finden.
Schildkröten
Zwei Arten von riesigen Landschildkröten sind in Madagaskar bereits ausgestorben. Es bleiben fünf Arten Landschildkröten, vier Arten Meeresschildkröten und vier Arten Süsswasserschildkröten übrig. Von den Landschildkröten sind vier endemisch, wovon die im trockenen Süden lebenden und bis zu 40 Zentimeter langen sokaka (Strahlenschildkröte) wegen ihrer auffallenden Rückenzeichnung am bekanntesten sind – und somit gefährdet. Auf dem schwarzen Rücken verlaufen gelbe Striche wie Sonnenstrahlen weg vom Zentrum eines jeden Segments der Rückenplatten. Die Schnabelbrustschildkröte hat wohl trotz eines Arterhaltungsprojektes mit der Aufzucht von Jungtieren das kritische Stadium der Ausrottung erreicht.
Die Meeresschildkröten Madagaskars sind für Taucher spannend. Vor den Küsten der Insel leben u.a. die Suppenschildkröte, die unechte Karettschildkröte und die Lederschildkröte. Letztgenannte zählt als größte Meeresschildkröte der Welt.
Für einige Ethnien Madagaskars ist das Essen von Schildkröten fady (tabu), andere wie die Sakalava und Vezo, benutzen Schildkröten für ihre Rituale.
Schlangen
Drei Familien an Schlangen und Blindschleichen leben in Madagaskar, die in mindestens 62 Arten eingeteilt sind. Meist sind es Nattern (50 Arten), nur drei Boa-Arten sind bekannt, die zwei bis drei Meter lang werden. Diese lebendgebärende Würgeschlange hat übrigens Verwandte in Südamerika, aber kommt nicht in Afrika vor, denn dort wurden die Boas von den aggressiveren Pythons (die es in Madagaskar nicht gibt) verdrängt. Boas werden in Madagaskar gejagt, gegessen und ihre Haut zu Leder verarbeitet.
Keine der Schlangen, die in Madagaskar vorkommen, ist für den Menschen gefährlich. Einige Trugnattern und die Blattnasennattern mit ihrem skurrilen Nasenfortsatz besitzen zwar Giftzähne, ihr Gift ist aber nur schwach.
Bis heute entdecken Forscher regelmäßig neue Reptilien-Arten in Madagaskar. Dabei gelten zahlreiche Gebiete der Insel bis heute als unerschlossen und wurden noch nicht besucht. Gleichzeitig gibt es jedoch leider auch große Areale, in denen Lebensräume für Tiere und Pflanzen aufgrund landwirtschaftlicher Nutzung, Besiedlung, Brandrodung oder der Abholzung von Edelhölzern bereits weitestgehend zerstört wurden – und werden.