Replik auf Handelsblattkampagne "Mein Kopf gehört mir"

The creative process is a process of paying lawyers.
Lawrence Lessig
Das Handelsblatt versucht heute, was schon Dieter Gorny vor Jahren missglückt ist: Eigenes Unvermögen in einen Angriff auf ihre Kunden umzuwandeln. Sie nennt es "Mein Kopf gehört mir" und leitet wie folgt ein:
Denker, Tüftler und Dichter fordern im Handelsblatt: Auch künftig muss, wer immaterielle Werte schafft, entlohnt werden. Eine Gesellschaft, die ihre Kreativen vernachlässigt, beraubt sich der Zukunft.

Fast ein Jahrzehnt nachdem der New Yorker Juraprofessor und Miterfinder des Creative Commons Lizenzmodells Lawrence Lessig unsere Denkfiguren von Schutzrechten ins digitale Zeitalter transformiert hat, kommt dieser Diskurs endlich auch in Deutschland an. Die Protagonisten der alten Welt meinen aber, keine Antworten sondern vor allem Anklagen liefern zu müssen. Sie meinen hier sicherlich, wie vor kurzem Sven Regener, allen voran die Piraten und ihre Wähler. Verstanden haben sie aber offenbar wenig. Niemand will den Kreativen etwas wegnehmen.
Die Piraten positionieren sich auf ihrer Website wie folgt (Zitate):
Die Fähigkeit zur aktiven Teilhabe an der Gesellschaft hängt heute in immer größerem Maße vom erworbenen Wissen und Können ab. Aus diesem Grunde muss allen Menschen die Möglichkeit gegeben werden, diese Fähigkeiten zu erwerben. Erforderlich hierfür ist ein freier Zugang zu hochwertiger Bildung für alle Menschen. Alle finanziellen und rechtlichen Beschränkungen, die den Zugang zum Wissen verhindern oder erschweren, müssen überprüft und – soweit möglich – abgebaut werden.
Quelle: http://www.piratenpartei.de/politik/wissensgesellschaft/
Dies zielt auf freien Zugang zu Bildung und Wissen. "Frei" ist im Deutschen ja leider doppeldeutig: Meinen sie "kostenlos" oder "unbehindert"? Sie meinen beides, das steht da explizit. Hier ist noch nicht von Urheberrechten die Rede. Könnte sie aber einführen, z.B. indem man die horrend hohen Preise für Fachbücher thematisiert, die Verlage für einen Content verlangen, der mit Steuermitteln finanziert worden ist: die Forschungserkenntnisse deutscher Hochschulen.
Ihre Positionen zum Urheberrecht formulieren die Piraten so:
Ablehnung des Verbots der Privatkopie und der damit einhergehenden technischen Kopierschutztechniken (Digitales Rechtemanagement".
Begründung: Künstliche Verknappung, Kontrolle des Benutzers.
Zitat:
Wir sind der Überzeugung, dass die nichtkommerzielle Vervielfältigung und Nutzung von Werken als natürlich betrachtet werden sollte und die Interessen der meisten Urheber entgegen anders lautender Behauptungen von bestimmten Interessengruppen nicht negativ tangiert.
Dem stimme ich zu, solange mit "privat" nicht die ungebremste Weitergabe auch an Freunde und Bekannte gemeint ist: Ich erwerbe mit dem Kauf eines digitalen Musikstückes das Recht, dieses beliebig oft zu hören. Ein Teil des Preises deckt auch die Aufnahmekosten (Studio), Produktions- und Vertriebskosten. Für die Privatkopie, d.h. der Kopie fürs Auto, den iPod, die Hifianlage, entstehen dem Anbieter keine Produktions- und Vertriebskosten. Was früher möglich war, z.B. eine Single fürs Autoradio auf eine Cassette zu kopieren, muss auch mit MP3 möglich bleiben. Apple hat dies inzwischen auch eingesehen und die Limitierung für die Privatkopien im iTunes aufgehoben. Ich selbst habe eigentlich noch nie einen Kopienraub begangen, wohl aber schon x Stücke inzwischen dreimal erworben: als Vinyl, CD und MP3.
Das gleiche muss für elektronische Bücher und Zeitungen gelten. Was verboten bleiben muss, weil es dem Urheber Umsatz wegnehmen würde, ist die gewerbsmäßige Kopie zum Weiterverkauf. Nur das sind Raubkopien. Gerade die Zeitungsverlage leiden aber unter einer Kostenloskultur, die sie selbst geschaffen haben. Sie beklagen also im wesentlichen, wie früher Dieter Gorny, eigenes Unvermögen, aus den neuen Möglichkeiten ein Geschäft zu machen.
Bei Filmen hat sich das digitale Angebot auch schon an die Unterschiede und Möglichkeiten angepasst: Ich sehe Filme nur einmal, besonders gute auch ein paar mal mehr. Aber weitaus weniger als ich Musikstücke höre. Deshalb unterscheidet iTunes Angebote zwischen Kauf (beliebig oft schauen) und Ausleihe (1x schauen).
Was die digitalen Verlage uns noch schuldig sind, ist der Weiterverkauf gebrauchter Werke. Ich räume die besondere Schwierigkeit ein, weil sich ein gebrauchtes MP3 in seiner Qualität nicht von einem neuen unterscheidet. Außerdem müsste man sicherstellen, dass das Werk nach meinem Weiterverkauf von meinem Rechner auch gelöscht wird. Und natürlich auch alle Privatkopien... Schwierig, wenn nicht unmöglich.
Die Piraten erkennen die Rechte des Urhebers ausdrücklich an. Sie weisen aber völlig zu recht darauf hin, dass jedes kreative Werk als Input selbst auf vorherige Werke zurückgegriffen hat. Der kreative Prozess, das Werk, ist ohne kreativen Input so gut wie un-möglich. Man denke nur an Disneys Verarbeitungen von Grimms Märchen zu eigenen Filmen (z.B. Schneewittchen zu Cinderella). Übrigens flogen ausgerechnet die Kopierer hartnäckig verfolgende US-Filmindustrie nur deshalb an der Westküste, weil die Patentinhaber für Film- und Studiotechnik wie z.B. ein gewisser Thomas Alva Edison an der Ostküste saßen. Die Gründer von Hollywood waren durch die Bank Patentverletzer. Die Kritiker der Elche... Fachbücher führen im Anhang ein Literaturverzeichnis, eine Liste von Werken, die sie inspiriert hat und die sie zitieren. Neue Musikstile entwickeln sich ebenfalls durch Zitate, Anlehnungen und Inspirationen.
Das Patentwesen ist by the way ähnlich gestrickt wie der kreative Prozess des Künstlers: Wer ein Patent anmeldet muss erklären, welche Aufgabe er löst und wie diese früher gelöst wurde (Patentzitate). Und worin die Verbesserung der eigenen Erfindung liegt.
Die Piraten reagieren mit ihren Positionen auch auf die unangemessenen Verhaltensweisen von Verlagen gegen -meist minderjährige- Ersteller von Privatkopien. Die drakonischen Strafen der Vergangenheit waren umso ungerechter, weil die Kläger eigene legale Angebote, die die Vorteile der digitalen Möglichkeiten unterstützt hätten, lange schuldig blieben. Allen voran in Deutschland. Erst Apple hat daraus ein funktionierendes Geschäft gemacht. 1 Song für 1 Euro. Zu analogen Zeiten zahlten wir 5DM für eine Single.
Was die Piratenkritiker auch verkennen ist der Unterschied zwischen einem Download und einem Stream: Wenn ich bei YouTube ein Video schaue ist das für mich als Konsumenten wie Fernsehen. Ich erzeuge keine Kopie auf meinem Rechner. Es hat eher einen Werbeeffekt, der mich evtl. zum Kauf des Videos oder den Song anregt.
Vor allem noch unbekannte Bands oder Autoren/Blogger nutzen das Internet, um bekannt zu werden und sich einen Ruf aufzubauen. Der Aufstieg beginnt immer bei Null. Am Anfang steckt man nur rein, spielt auf der Straße, liest in einem Autorenworkshop etc. Erst später, wenn man gut ist, kann man Einnahmen erzielen.
Das ist auch die Motivation vieler Open Source Programmierer: Anfänger leisten etwas für die Codebibliotheken und machen sich sukzessive einen Namen. Wer andere überzeugt, verbessert seinen Marktwert. Und: Wer für eine Community arbeitet bekommt das Recht, auch deren Werke zu benutzen.
Wer sich also auf den Standpunkt stellt, die Piraten wollen alle geistigen Eigentümer enteignen hat das Programm nicht gelesen oder die feinen Unterschiede zwischen heute und früher nicht erkannt. Das Handelsblatt und ihre besorgten Köpfe beantworten Fragen, die keiner gestellt hat. Die Piraten wollen niemanden enteignen.
Die Nichtanerkennung des geistigen Eigentums ist keine linke Position, sondern eine libertäre, wie die Lektüre der Website "Eigentümlich Frei" beweist.
Die Sozialdemokraten sollten beides unterstützen: Das Urheberrecht. Und das Recht auf die kostenlose Privatkopie.

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