Die Viamala, der San Bernardino-Pass und die Rheinschlucht gehören in jedes Rennrad-Tagebuch. Die schönsten Eindrücke und alle Infos zu den Touren!
In Graubünden erfüllen sich die Träume eines jeden Rennrad-Fahrers. Hier trifft man auf alles, wovon man träumt, wenn man im Winter die Trainingskilometer auf der Rolle abspult: hohe Pässe, tiefe Schluchten, weite Täler und einsame Straßen. Auf einige der großen Schweizer Rennrad-Klassiker nehme ich dich in diesem Beitrag mit.
Durch die Viamala-Schlucht auf den San Bernardino-Pass in Graubünden
Es ist ruhig in Thusis am frühen Morgen. Im Hotel Weiss Kreuz gibt es schon ab 06:30 Uhr Frühstück, damit wir Radler pünktlich aufbrechen können. Kurz nach Ortsende beginnt gleich mein Tagesanstieg. Ein Schild am Straßenrand warnt mich vor, auf was ich mich einlasse: 1.400 Höhenmeter auf 46 Kilometer muss ich bis zum San Bernardino-Pass bewältigen.
Bis dorthin warten viele einmalige Plätze auf mich und ich kann es nicht erwarten, mit dem Rad an ihnen vorbeizuziehen. Der erste ist die Viamala-Schlucht. Nach drei kurzen Tunneln verengt sich die Straße. Über mir ragen plötzlich bis zu 300 Meter hohe Felswände in den Himmel.
Mit dem Rennrad durch die Viamala-Schlucht
Es wird dunkel, ich höre das Wasser des Hinterrheins rauschen. Smaragdgrün blitzt der Fluss tief unten in der Schlucht zwischen grauen Felsen herauf. An den engsten Stellen sind die Felswände nur wenige Meter voneinander entfernt.
Schon die Römer haben sich auf geschlagenen Wegen durch die Viamala gezwängt. Die Schlucht wird seit Jahrhunderten als Transportweg genutzt. Mindestens seit 1473 zogen Fuhrleute durch die Schlucht, die hier die einzige Verbindung hinauf zum Bernardino ist.
„Ich schreibe nichts von der ungeheuren Großartigkeit der Via Mala: mir ist es, als ob ich die Schweiz noch gar nicht gekannt hätte“, meinte Friedrich Nietzsche. Mir kommt es ähnlich vor, als ich zwischen den Felswänden in die Pedale trete.
Die Schlucht wird bald breiter, die Sonne blendet meine Augen. Die Viamala spukt mich in ein breites Tal aus. Durch das Val Schons führt mich die Straße mal flach, mal leicht ansteigend von einem historischen Bergdorf ins nächste.
Im Val Schons scheint die Zeit still zu stehen. Bauernhöfe stehen verstreut in den steilen Berghängen. Die Wiesen leuchten in der Morgensonne in einem saftigen Grün. Ich bin fast allein auf der Straße. Ab und zu überholt mich ein Motorradfahrer oder ein Porsche. Die meisten Fahrzeuge sind auf der nahegelegenen Autobahn unterwegs – der einzige Schönheitsfehler der Tour, der dafür die Landstraße vom Verkehr frei hält und für Radfahrer zu einem echten Genuss macht.
In den Tiefen der Rofflaschlucht
Nach den Örtchen Zillis und Andeer wartet der erste steile Anstieg der Tour. Er führt mich hinauf nach Splügen. Traumhaft gezogene Serpentinen, feinster Asphalt, unter mir der tosende Fluss. Erneut verengt sich das Tal. Die Rofflaschlucht trennt Splügen vom Val Schons.
Erneut tauche ich ab. So tief, dass meine Sportuhr das GPS-Signal verliert. Ein dichter Nadelwald säumt die Straße und die Schlucht. Den Eingang zur Schlucht markiert das Gasthaus Rofflaschlucht. Die Gäste, die auf der Terrasse sitzen, feuern mich an. Motivierende Zurufe, anstatt Mittelfinger, Scheibenwasser und Hupe – so macht Radfahren Spaß!
Dieser Abschnitt ist für mich einer der schönsten der Tour. Sowohl im Anstieg, als auch auf der Abfahrt. Meine Laufräder rollen flüssig über den makellosen Belag. Zur Abwechslung kommen einige Serpentinen auf mich zu, danach bin ich schnell am Sufnersee kurz vor Splügen.
Von Splügen auf den San Bernardino-Pass (2.067 m)
Große Steinhäuser im italienischen Stil stehen in Splügen direkt neben klassischen Schweizer Holzhäusern. Das Kopfsteinpflaster, das die Straßen durch den Ort schmückt, rüttelt mich ordentlich durch. Splügen ist eines der ältesten Passdörfer Graubündens. Dieses Flair spürt man selbst im Vorbeiradeln und noch besser bei einem Kaffee auf der Rückfahrt.
Direkt am Fuße des San Bernardino-Passes liegt das Örtchen Hinterrhein. Von hier aus geht’s nochmal ordentlich zur Sache. Acht Kilometer und 400 Höhenmeter trennen mich von der Passhöhe.
Auf eng gezogenen Serpentinen klettere ich nach oben. Taleinwärts bremst mich ein kräftiger Wind, verläuft die Serpentine talauswärts, schiebt mich der Wind sachte an.
Ich lasse die Waldgrenze hinter mir. Vor mir breitet sich ein weitläufiges Hochplateau aus. Die Landschaft erinnert mich an meinen letzten Norwegen-Urlaub. Glatt geschliffene Felsen ragen aus den kargen Wiesen. Die Straße schmiegt sich perfekt an die Konturen des Untergrundes.
Vom Pass bläst mir ein eisiger Wind entgegen. Der höchste Punkt scheint nicht mehr fern – doch ich muss noch eine ganze Weile in die Pedale treten, bis ich am Pass und somit am Moesolasee aus den Clips steigen kann. Das Anerkennende Nicken eines entgegenkommenden Motorradfahrers spornt mich ein letztes Mal an.
Dann stehe ich mit meinem Rennrad das erste Mal auf über 2.000 Metern. Ein wunderbarer Moment, der Lust auf viele weitere Schweizer Pässe macht. Ich streife meine Windjacke über und rolle am selben Weg zurück nach Thusis.
Wer am Bernardino-Pass nicht umkehren will, der sollte gleich die ganze Rheinquell-Runde in Angriff nehmen. Infos dazu gibt’s hier!
Eckdaten zur Tour:
- Länge: 93 Kilometer
- Anstieg: 1.550 Höhenmeter
- Kondition: mittel
- Landschaft: einmalig
Mit dem Rennrad auf den Lukmanierpass (1.915 m) zwischen Graubünden und dem Tessin
Der nächste Radtag beginnt mit einer Zugfahrt. Ich bin gestern noch nach Ilanz übersiedelt, eine kleine Ortschaft in der Region Surselva, in dessen Tal der Vorderrhein seinen Ursprung hat. Am späten Nachmittag steige ich am Bahnhof Ilanz in die Rhätische Bahn nach Disentis ein.
Ein Grund, warum ich das Bergsteigen und Radfahren in der Schweiz so liebe, ist das gut ausgebaute Bahnnetz. Fast jede größere Ortschaft ist mit dem Zug erreichbar und sollte beim Radeln ein Problem auftreten, ist der nächste Bahnhof nicht fern und man kommt auf Schienen zum Ausgangspunkt zurück. Auch für Rundtouren oder Überschreitungen bieten sich in der Schweiz die öffentlichen Verkehrsmittel an.
Von Disentis aus erreicht man zwei reizvolle Pässe: den Oberalppass, der nach Andermatt (Kanton Uri) führt und den Lukmanierpass, der Graubünden mit dem Tessin verbindet. Bis ich aus dem Zug aussteige, habe ich mich noch nicht entschieden, welchen der beiden Pässe ich heute fahren werde. Auf beiden Touren müsste ich bis zum Pass etwa 20 km und 900 Höhenmeter zurücklegen. Die Länge ist also kein Entscheidungskriterium.
Spontan entscheide ich mich an der Kreuzung für den Lukmanierpass, weil ich dort mit weniger Verkehr rechne. Ich sollte rechtbehalten.
Von Disentis auf den Lukmanierpass
Mit einer Höhe von 1.915 Metern ist der Lukmanierpass einer der niedrigsten und einfachsten Pässe über die Zentralalpen. Ohne viele Serpentinen bahnt sich die Straße auf geradem Wege durch das Val Medel. In etwa eineinhalb Stunden gelangt man auf den höchsten Punkt.
Der 20 km lange Anstieg von Disentis (1.142 m) ist eine angenehme Fahrradstrecke. Nur wenige Passagen sind richtig steil. Zwei Kilometer nach Disentis erwarten mich wieder mehrere kurze Tunnel, die mir den Weg durch die Medelser Schlucht ermöglichen.
Dann weitet sich das Tal und ich durchstreife die Dörfer Curaglia, Platta, Fuorns, Acla und Sogn Gions – allesamt typisch Schweizerisch und urig.
Von der Passhöhe weht mir ein unbarmherziger Wind entgegen. Er ist so stark, dass ich kurz überlege, umzukehren. Aber die schöne Landschaft motiviert mich, weiter in die Pedale zu treten.
Von den steilen Berghängen, die das Tal eingrenzen, sprudeln frische Bächlein herab. In der Talmitte vereinen sie sich zu einem stattlichen Flüsschen und bilden zwischen blank geschliffenen Felsformationen immer wieder schöne Gumpen.
Finale am Sontga Maria Stausee
Eine steile Rampe und zwei Serpentinen muss ich mich bei starkem Gegenwind noch hinaufkämpfen, dann erreiche ich den Stausee Sontga Maria, der auf der Passhöhe zur Energiegewinnung errichtet wurden.
Der Wind weht so stark, dass die Wasseroberfläche Wellen schlägt. Ich kann es nicht erwarten, den Böen den Rücken zuzukehren. Ich ziehe meine Windjacke über und stürze mich in die Abfahrt.
20 Minuten später bin ich wieder in Disentis. Man kann jetzt entweder noch den Oberalppass dranhängen, sich zurück nach Ilanz in den Zug setzen, oder das Tal hinausradeln. Ich entscheide mich für den Zug, weil ich am Nachmittag noch eine weitere Runde machen will.
Eckdaten zur Tour:
- Länge: 40 Kilometer
- Anstieg: 900 Höhenmeter
- Kondition: einfach
- Landschaft: tip top
Die Touren über den San Bernardino und den Lukmanierpass kannst du auch zu einer stattlichen Runde zusammensetzen. Die Rennrad-Route führt in 300 Kilometern und 5.000 Höhenmetern rund um die Rheinquell-Region. Alle Infos findet du hier.
Graubünden: Mit dem Rennrad durch das Naturwunder Rheinschlucht
Den Abschluss meines Radtrips in Graubünden begehe ich auf einem der schönsten Streckenabschnitte, die ich bisher mit dem Rennrad befahren habe. Zwischen Ilanz und Reichenau bahnt sich der Rhein durch das Gestein seinen Weg talauswärts.
Vor 10.000 Jahren donnerten dort beim Flimser Felssturz angeblich 100.000 Millionen Kubikmeter Gestein in die Tiefe.
Sie begruben den Vorderrhein unter einer dicken Schuttmasse. Ein 25 km langer See staute sich auf. Mit der Zeit grub sich der Fluss jedoch einen Weg durch die Schuttmassen. Der See floss ab und die Rheinschlucht entstand.
Die Schlucht trägt zu Recht den Beinamen Swiss Grand Canyon. Die bizarren Gesteinsformationen faszinieren Wanderer, Zugpassagiere, Wanderer, Rafter und Radfahrer aus der ganzen Welt.
Über Laax und Flims zur Rheinschlucht
Ich starte die Runde durch die Rheinschlucht wieder in Ilanz. Sechs Kilometer zieht sich der erste Anstieg hinauf nach Laax. Ich brate in der Sonne und könnte mich Ohrfeigen dafür, dass ich am Brunnen an der Kreuzung in Ilanz meine Flasche nicht mehr aufgefüllt habe.
Zum Glück finde ich in Laax einen Supermarkt, der auch am Sonntag geöffnet hat. Cola und Eis geben mir den nötigen Zuckerschock für die Weiterfahrt nach Flims.
Abfahrt mit Topspeed-Potential
Zwischen Laax und Flims kann man die Beine etwas auslockern. Flach führt die Straße zuerst über das Hochplateau und dann durch direkt durch das Dorf Flims, das vor allem bei Downhillern und im Winter bei Skifahrern bliebt ist.
Nach dem Ortsende beginnt die erste lange Abfahrt der Rheinschlucht-Runde. Ohne eine einzige Kurve zu ziehen fällt, die Straße in einer steilen Rampe vor mir ab. Ich muss nicht einmal in die Pedale treten, schon zeigt mein Tacho 55 km/h an. Wer unbedingt seine Grenzen im Downhill ausreizen will, hier wäre der ideale Platz dafür.
Als die Autos hinter mir abreißen, bremse ich meinen Drahtesel ein. Zu groß ist der Respekt vor der Geschwindigkeit. Die Landschaft rauscht an mir vorbei. Alles ist grün und offen. In Tamins überquere ich den Rhein – der Vorderrhein und der Hinterrhein fließen hier zusammen. Vereint für die nächsten 1.300 Kilometer, bis sie in Rotterdam in die Nordsee fließen.
Für mich ist hier etwa die Hälfte der Tour geschafft. Und der schönste Teil beginnt erst!
Mit dem Rennrad durch die Rheinschlucht in Graubünden
14 Kilometer schlängelt sich der Rhein durch die Rheinschlucht. 14 Kilometern, auf denen ich meine Augen fast nicht auf der Straße halten kann, weil sie die Schönheit dieser Landschaft so sehr anzieht.
Bis zu 350 Meter ragen die weißen Steilwände der Rheinschlucht in die Höhe. Ihr besonderes Markenzeichen: Ein feines, weißliches Pulver verbindet die Bergsturzmassen und lässt die Schuttrinnen wie eine feste Felswand aussehen.
Tief unten im Tal schimmert der Vorderrhein türkisblau, umrahmt von dichten Nadelwäldern und den weiß leuchtenden Felswänden ist diese Schlucht ein Naturschauspiel, wie ich es noch nie zuvor gesehen habe.
Hoch heroben schlängelt sich die Straße hinein nach Ilanz. So schmal, dass keine zwei Autos nebeneinander Platz haben. Das ist meistens auch nicht nötig. Es ist wenig Verkehr und ich kann die letzten 20 Kilometer zurück zum Ausgangspunkt beim Landgasthof Glenner voll genießen.
Eckdaten zur Tour:
- Länge: 45 Kilometer
- Anstieg: 900 Höhenmeter
- Kondition: mittel
- Landschaft: unvergleichlich
- die GPS-Route findest du hier
Graubünden mit dem Rennrad: Unterkunftstipps und weitere Infos
Du willst ein paar Tage in der Gegend bleiben? Dann lege ich dir das Hotel Weiss Kreuz in Thusis und den Landgasthof zum Glenner bei Ilanz ans Herz. Beide Hotels bieten für Schweizer Verhältnisse ein super Preis-Leistungs-Verhältnis, überzeugen mit familiärem Charme, Herzlichkeit, guter Küche und modernen Zimmern.
Mit dem graubündenPASS Bike kannst du gegen einmalige Bezahlung in ganz Graubünden unlimitiert alle öffentlichen Verkehrsmittel der Rhätischen Bahn benutzen und dein Rennrad mitnehmen. Eine Investition, die sich auf jeden Fall lohnt, wenn du die Öffis mehrmals benutzen möchtest. Dann musst du unbedingt auch mit dem Zug durch die Rheinschlucht fahren – die Bahnstrecke verläuft nämlich direkt am Flusslauf und bietet noch einmal eine ganz andere Perspektive auf dieses Naturerlebnis.