Wow. Just wow! Nun habe ich ja schon zwei Mal drüber schlafen dürfen und bin immer noch ganz aus dem Häuschen. Das war mal ein geiles Rennen. Dass mittendrin auf DER Bikestrecke noch ein richtig harter Gewitterregen über uns hereinbrechen musste, macht die Sache irgendwie noch runder. Es passt einfach zu einem Cross-Triathlon, dass die Kämpfer aussehen wie die Schweine und die ohnehin schon technisch herausfordernden Downhills noch etwas schwieriger wurden.
Aber der Reihe nach…
Der Morgen des Renntages versprach mit Sonnenschein und perfekten Temperaturen einen herrlichen Auftakt zur diesjährigen XTERRA European Championship im tschechischen Renaissance-Städtchen Prachatice. Nachdem ich die Beine am Freitag gar nicht mehr bewegt hatte, drehte ich eine kleine Radrunde von unserem schnuckligen kleinen Hotel aus und lief noch ein kurze Runde um den Block, um die Beinchen zu aktivieren. Das tat gut! Dann gemütlich frühstücken, alles in Auto packen und zur T2, um die roten Laufbeutel einzuchecken. Danach direkt nach Kristanovice zum See, um das Bike einzuchecken. Natürlich geht viel Zeit drauf, da man viele bekannte Athleten trifft und mit jedem ein kurzes Wiedersehen-Schwätzchen halten muss. Irgendwann ist es dann auch schon an der Zeit, sich warm zu laufen und in den Neo zu schlüpfen. Just in diesem Moment brauen sich immer dunklere Wolken über dem herrlich gelegenen Moorsee zusammen und der Gewitter-Donner rückt bedrohlich näher. Die Wassertemperatur war mal wieder gerade am Limit, aber nach einem kurzen Einschwimmen und dem Warten auf den PRO-Start, fühlt man sich dann tatsächlich etwas wärmer und besser. Nach den PROs kommen alle Agegroup-Männer (wie üblich die größte Gruppe) mit den schwarzen Badekappen und dahinter die Mädels mit den lila Kappen.
Wir starten aus dem Wasser und ich komme gefühlt richtig schlecht weg. Vierhundert Meter hart anschwimmen können bei so einem Meisterschaftsrennen irgendwie „alle“ und es gibt die Mega-Waschküche. Ein einziges Drunter und Drüber. Selbst nach der ersten Wendeboje wird das nicht besser und erst nach der Zweiten wird alles etwas geordneter. Raus aus dem Wasser, „Australian Exit“, über den wackeligen Ponton mit Sprung ins Wasser. Ich freue mich, dass ich das geübt habe und es endlich klappt, ohne dass mir Wasser in die Schwimmbrille kommt. Nice. Auf in die zweite Runde. Jetzt läuft das alles schon viel besser. Etwas überrascht bin ich, wie viele PRO-Damen so schlecht schwimmen, dass wir sie schon wieder einholen können (wie schon bei allen anderen XTERRA-Races). Aber da bei der Cross-Variante das Laufen und vor allem das Radfahren SO viel entscheidender ist, gibt es viele gute Bike-Runner, die sich nicht die Zeit nehmen, ordentlich schwimmen zu lernen. Schließlich kann ich wieder ein paar Kollegen einsammeln und komme ganz gut aus dem Wasser.
Beim Einchecken wurde schon klar, dass ich einfach die A-Karte gezogen hatte. Meine Startnummer 280 war ganz am Anfang der Wechselzone – ein paar Nummern höher und ich wäre ganz am Ende gewesen. Argghhh! Aber so ist das halt manchmal. So muss ich nach einem ganz flüssigen ersten Wechsel mein Bike an allen Kollegen vorbei durch die gesamte T1 schieben…
Rauf auf’s Bike, Handschuhe freihändig anziehen. Gut, dass das erste Stück noch flach auf Asphalt verläuft. Dann geht’s aber auch gleich in die Trails. Anders als noch in Belgien und Frankreich (ganz zu schweigen von meinem Desaster-Rennen am Schluchsee) fühlen sich die Radbeine frisch an und es kommen nicht gefühlte 100 Leute an mir vorbeigedonnert. Ein gutes Zeichen! 🙂
Nach fünf Kilometern kommt der schwierigste Downhill und die spanische PRO-Athletin Eva García steigt gleich mal respektvoll direkt vor mir ab und schiebt runter. Ich schaffe es gerade noch, an ihr vorbei zu schlängeln, werde aber direkt vom nächsten Kollegen zum Absteigen gezwungen. „Einfach NOCH schneller schwimmen lernen, Jörg!“ Von da na geht’s aber mega-flüssig, es kommen nur noch am kommenden sehr langen Anstieg ein paar Young Guns vorbei, sonst wird es eher ruhig. Irgendwann kommt dann auf einem der wenigen Flachstücke ein richtig schneller Vierer-Zug vorbei mit Ösi-Freund Arthur Winter. „Was der kann, kann ich auch“, denke ich mir und hänge mich bis zum nächsten Downhill an. Im darauf folgenden Uphill merke ich aber, dass er sich da etwas übernommen hat, denn das wird mir zu langsam und ich überhole. An der zweiten Verpflegungsstelle nochmal Gel und Wasser abgreifen und dann geht’s in den langen, schnellen Downhill. Danach ein einziges Up and Down. Sportfreund Sepp (Josef Diepold) kommt wie üblich schon von weitem hörbar mit seinem charakteristischen Dampflok-Sound langsam an mir vorbei. Dann brechen alle Schleusen und ein richtig harter Gewitterregen bricht über uns herein. Die dicken Tropfen schlagen fast schmerzhaft auf der Haut auf und verwandeln alle Downhills in kleine Sturzbäche. Fun, fun, fun! Nur die Brille beschlägt bei solch schwierigen Bedingungen (nicht nur bei mir) und es wird echt heikel, irgendwie doch noch möglichst viel von der Strecke zu erkennen und bei jeder Gelegenheit möglichst kurz eine Hand vom Lenker zu nehmen und die Brille abzuwischen. Aber abnehmen möchte ich sie eben auch nicht – bei dem vielen Dreck, der durch die Gegend fliegt. Ein weiterer bekannter Agegroup-Kollege, Frantisek Bulava, holt mich ein und ich freue mich, dass ich ihm ein wenig im technischen Terrain folgen kann.
Wir kommen dann auch gemeinsam in die T2, während wir gerade wieder die Dampflok Sepp einholen. Der Flucht, weil er seine Startnummer vergessen hat und nun seinen Beutel nicht findet. 😉 Bei mir läuft der 2. Wechsel dagegen recht gut und ich gehe mit flottem Schritt auf die abschließenden zwei Laufrunden. S’Engele steht fotografierend am Weg und ich kann nicht anders, als ihr frohlockend zuzurufen, wie viel Spaß mir das gerade macht. 🙂
Die Laufbeine sind exzellent – das hatte ich schon in St. Moritz gemerkt und den Mädels gesagt. So überhole ich auch nur noch am laufenden Band. Lediglich zwei PRO-Männer holen mich noch ein (die bereits in der zweiten Runde sind). Am Ende der ersten Laufrunde geht’s wieder zurück in die Stadt und ich sehe einen mir bekannten Anzug (TriClub Baden aus der Schweiz) – allerdings ohne den wichtigen Aufdruck „Pauling“. Egal, ich nehme alles, was kommt. Im Ziel klärt sich dann auf, dass es sich um Dirk Pauling’s Vereinskameraden Klaus Liedtke handelt, der ihn beim XTERRA Switzerland schlagen konnte. Ergo erneut ein gutes Zeichen. Über die Stadtmauer, rauf auf den großen Platz, durch jubelnde Menschenmassen, wieder raus in die steilen, matschigen Berge. Am langen, schrägen Grashang sehe ich dann endlich den begehrten Aufdruck „Pauling“ vor mir und weiß, dass ich heute endlich den Großmeister schlagen kann. Flüssig überholt, freue ich mich gleich darauf einen weiteren wichtigen Anzug vor mir zu sehen: Den des Tschechen Tomás Klimek. Schon wieder ein gutes Zeichen! Alles Athleten, die mir zeigen, dass ich auf einem guten Weg an die Altersklassen-Spitze bin. Ein bisschen fies ist die Streckenführung schon, denn immer, wenn man meint, jetzt geht es endlich final abwärts in Richtung Stadt, kommt definitiv ein weiterer Gegenanstieg. Jetzt, in der zweiten Laufrunde, wird es naturgegeben etwas voller und ich bin – anders als bei den aggressiven Belgiern – sehr positiv überrascht, wie unglaublich höflich Platz gemacht wird, wenn ich von hinten komme.
Tja, und dann sind wir wieder zurück bei der dritten Verpflegungsstelle und es geht nur noch final die Straße ins Zentrum zurück (note to other race organizers: Ja, das macht 4 (in Worten: VIER!) Aid Stations auf einer 5k-Runde – genug sogar für Onkel Jörgi!). Ich lass‘ es nochmal richtig laufen und bin richtig glücklich im Ziel.
Im Zelt bei der Zielverpflegung treffe ich sogleich auf Dirk Pauling, der mich auch sogleich seinem Teamkameraden und Challenger Klaus Liedtke vorstellt. Um diese Beien zu schlagen, brauchte ich schon einen richtig guten Tag. Sie platzieren sich dann auch auf Rang 3 und 4 direkt hinter mir. Ach, ich hatte vergessen zu erwähnen, dass ich wie im vergangenen Jahr hinter dem Österreicher Gerald Will den Silber-Rang erkämpfen konnte. Während alle „normalen“ Athleten sich so im Minutentakt (oder auch mal zwei) platzieren, schafft er es immer wieder aus unerfindlichen Gründen mit satten 15 Minuten Abstand inmitten der Profis zu platzieren. Ich sag da mal nichts dazu.
Also für mich das optimale Rennen mit dem optimalen Ergebnis. Ich habe ja bereits im Vorfeld erkannt, dass mein Schwimmen auf ordentlichem Niveau ist, mein Laufen ohne Zipperlein auch wieder richtig gut und lediglich mein Radfahren mal ganz okay und dann wieder unterirdisch schlecht war. Dem entsprechend lag mein Fokus im Trainingslager ganz klar auf der zweiten Disziplin. Die Arbeit der letzten zwei Wochen scheint Früchte getragen zu haben. Es ist immer wieder schön, man man im Sport so sauber die Quittung für Faulheit oder Fleiß bekommt.
Dann gehen wir erstmal duschen und ein wenig die Beine hochlegen. Danach Bike auschecken und dann zu super organisierten „All-you-can-eat-Salat-Bar“. Pünktlich kommt der nächste Wolkenbruch und der ganze Marktplatz steht unter Wasser. Als es endlich aufhört, fangen wir etwas verspätet mit der Siegerehrung an. Dann ist sehr schön gemacht, es gibt natürlich einen Bierkrug mit Platz 2 drauf, das XTERRA-WM-Zertifikat für die Maui-Quali und einen ganzen Sack „Goodies“. Danach geht’s noch mit den Ingolstädtern zum Abendessen und schließlich in die verdiente Nachtruhe. Ein sehr, sehr geiler Tag.
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