Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) fordert Bundeskanzlerin Angela Merkel auf, bei dem für den 3. und 4. Juni geplanten Besuch des ägyptischen Staatsoberhauptes Feldmarschall Abdel Fattah al-Sisi in Berlin besonderes Augenmerk auf das Thema Religionsfreiheit und Rechtsstaatlichkeit zu legen. Vor allem Kopten, christliche Konvertiten und Atheisten sowie die nach wie vor verbotenen Bahá’í leiden unter religiöser Diskriminierung. Das Gesetz gegen „Missachtung der Religion“ (Blasphemie-Gesetz), das vor allem der Unterdrückung nicht-muslimischer Ägypter dient, muss abgeschafft werden, fordert IGFM-Vorstandssprecher Martin Lessenthin.
Nur ein Beispiel für den willkürlichen Einsatz des Blasphemie-Gesetzes ist der Fall von Karem Saber. Der Menschenrechtsaktivist, Anwalt und Schriftsteller ist am 12. April 2011 wegen „Missachtung der Religion“ in seiner 2010 erschienenen Sammlung von elf Kurzgeschichten „Ayn Allah“ („Wo ist Gott?“) angeklagt worden. Saber kritisiert in seinem Werk Menschenrechtsverletzungen durch die Anwendung traditioneller, islamischer Werte der ägyptischen Gesellschaft. Nach Angaben der IGFM wurde er am 7. Mai 2013 in Abwesenheit zu einer fünfjährigen Haftstrafe und einer Geldstrafe von 1.000 ägyptischen Pfund verurteilt. Das entspricht rund 125 Euro, etwa ein bis zwei mittleren Monatseinkommen. Am 11. März 2014 bestätigte das Strafgericht von Beni Suef das Urteil. Sein Anwalt ging in Berufung, bis auf weiteres ist Saber auf freiem Fuß.
Familien der betroffenen Ägypter aus ihren Dörfern vertrieben
Das Blasphemie-Gesetz führt dazu, dass sich manche muslimischen Anwohner selbst als Richter fühlen und Angehörige der Angeklagten zwingen, ihre Dörfer zu verlassen, so Medhat Klada, Executive Director der European Union of Coptic Organisations for Human Rights in Genf. Kürzlich sei die Familie des 19-jährigen Kopten Gamal Abdu Massoud, der wegen der Veröffentlichung von Cartoons auf Facebook am 4. April 2012 zu einer dreijährigen Gefängnisstrafe verurteilt wurde, aus dem Dorf Manqabad in der südägyptischen Provinz Assiut vertrieben worden, so Klada gegenüber der IGFM.
Hintergrund
Das Gesetz gegen „Missachtung der Religion“, auch „Blasphemie-Gesetz“ genannt, wurde 1982 in das ägyptische Strafgesetzbuch aufgenommen. Es wird eine Gefängnisstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren und/oder eine Geldstrafe von 500 bis 1.000 ägyptischen Pfund (rund 62 bis 125 Euro) für jeden festgesetzt, „der die Religion dazu benutzt, mündlich, schriftlich oder auf andere Art und Weise extremistisches Gedankengut zu verbreiten, mit dem Ziel, Aufruhr und Zwiespalt zu stiften, die himmlischen Religionen oder eine ihrer zugehörigen Religionsgemeinschaften zu missachten und abzuwerten oder die nationale Einheit und den sozialen Frieden zu gefährden.“
Die IGFM weist darauf hin, dass im Gesetz ausdrücklich nur die „himmlischen“ Religionen geschützt werden. Gemeint sind damit Islam, Christentum und Judentum. Religionslosigkeit und alle anderen Religionen sind in Ägypten de facto verboten.
Weitere Informationen zur Menschenrechtslage in Ägypten unter:
www.menschenrechte.de/aegypten