Religion und Wahnsinn im Abendland (Teil1)

Oder: „Wehe denen, die ein Haus nach dem anderen an sich bringen, die alle Äcker aufkaufen, bis gar kein Platz mehr für andere da ist und sie allein die Besitzer des Landes sind.“ Jesaja 5,8

Religion und Wahnsinn im Abendland (Teil1)

“Loss of Land” – Landverlust aus der anderen Perspektive – Foto auf: occupiedpalestine.wordpress.com / Occupied Palestine | فلسطين

Einleitung: Jahrhundertelang galten Juden in Europa als verworfenes Volk und wurden von der christlichen Gemeinschaft in Ghettos isoliert. Man warf ihnen vor, Schuld am Tod Jesu Christi zu sein und ihn als den Messias abzulehnen. Ausschwitz veränderte alles. Jesus Christus ist jetzt König der Juden und versammelt zusammen mit dem Gott des Alten Testaments sein auserwähltes Volk in dem Land Israel. Christentum und Judentum sind nun eins.

Menschen gibt es so allerdings nur in Währungspaaren. Ist eine Menschengruppe auserwählt, dann ist eine andere automatisch verworfen.
Ein bloßer Rollentausch für eine Gruppe verändert also nichts an der Gesamtkonstellation. Die Spieler tauschen lediglich ihre Trikots. Es läuft das gleiche Spiel, nur dass jetzt die anderen die Tore kassieren, sprich: die neuen Fußabtreter der westlichen Wertegesellschaft sind.

Mein Text ist  bei den Menschen, die seit Jahrzehnten in den Ghettos des besetzten palästinensischen Landes als eingeschlossenes Volk dahinvegetieren. Er entfaltet sich Abschnitt für Abschnitt und wechselt dabei zunehmend von der lokalen auf die globale Ebene. Am Ende des zweiten Teils sollte für den Leser ein rundes Bild der Sichtweise entstanden sein.

Der Exodus

Aus der Angst heraus, nach der Staatsgründung zu einem Land ohne Volk zu werden, beschloss der junge Staat Israel, Einwanderer aus islamischen Staaten zu gewinnen.

„Mit dem Jemen schloss Israel ein Abkommen über die Auswanderung der Juden. Sie wurden zum Exodus überredet, indem man in diesen sehr ungebildeten Menschen messianische Hoffnungen weckte. So glaubten viele, dass es sich bei Israel um ein neues Königreich Davids handele, weil der Regierungschef David Ben Gurion heiße. Die jemenitischen Juden wurden mit einer Luftbrücke nach Israel gebracht, wobei sie die weißen Flugzeuge für die ‚fliegenden weißen Esel des Messias‘ hielten“, schreibt Buchautor Arn Strohmeyer auf dem Palästina Portal. (1)

Gott ist tot

Der Antichrist

Aber gibt es hier etwas zu lachen? Glauben heute nicht sehr viele (evangelikale) Christen, dass mit der Errichtung des Staates Israel die Endzeit angebrochen ist und die Rückkehr der Juden nach Israel das unmittelbar bevorstehende Kommen Christi anzeigt?

In einer „normalen“ christlichen Buchhandlung in der Innenstadt frage ich, ein Protestant, nach Büchern zu Israel und stelle mit Schaudern fest, dass in diesen die Moslems im Nahen Osten grundsätzlich als Antichristen dargestellt werden, die in einer Art endzeitlichen Kampf niedergerungen werden müssen. Groß-Israel als unverhandelbare Gottesgabe? Wenn man traditionelle Reiseliteratur außen vor lässt, sind christliche Bücher zu Israel schlicht widerlich!

 Der Wunderprediger

Reinhard Bonnke, der afrikanische Wunder- und Massenprediger, hat seinen großen Auftritt in der Frankfurter Festhalle. Die Frankfurter rollen mit ihren Rollstühlen in die Festhalle rein und wieder raus. In Frankfurt gibt es heute Abend keine Wunder! Reinhard Bonnke ist der Kopf des Missionswerks von Christus für alle Nationen, das seinen Europasitz in dem Stadtteil Bornheim hat. Sein Ziel ist es, Afrika zu erretten. Der CfaN-Website ist zu entnehmen, dass das Missionswerk seit dem Jahr 2000 mehr als 58 Millionen Afrikaner zu Jesus führte.

Auf der CfaN-Facebookseite vom 12.01.15 heißt es: „Les die Bibel! Gott schuf die erste freie Nation, die es je auf der Erde gegeben hat: Israel; Er möchte das Gefühl der Freiheit in deine Seele legen. Gott widersteht der Tyrannei. Das Evangelium macht uns zu freien Söhnen Gottes. Gott segne dich. REINHARD BONNKE.“ (2)

Die israelische Mauer/ Sperranlage, hinter der die Palästinenser/Muslime wie Indianer in Reservate zusammengepfercht werden, hat eine Länge von ca. 760 km.

God’s own country

Das Haus Metanoia im Stadtteil Nordend leistet als Einrichtung der Evangelischen Allianz Frankfurt Herausragendes für Drogenabhängige. In einem Infobrief lässt die engagierte Drogenhilfe kurz nach der Gaza-Bombardierung 2014 – als der Besatzer Israel sich selbst verteidigte und 17000 Hektar Agrarland der Besetzten verwüstete ­– überraschend die israelische Aktivistin Christy Anastas zu Wort kommen. Sie verteidigt den Bau der Mauer/Sperranlage und erklärt, „dass Gott das Land Israel seinem Volk als Zeichen seines ewigen Bundes gegeben hat, und es wird Zeit, dies zu akzeptieren.“ Friedrich Meisinger, der dem Zentrum für Suchttherapie vorsteht und es gleichzeitig als Pfarrer begleitet, veranstaltet den Bibelkreis „Messianische Juden“. Seine kolossalen Predigen über das „jüdische Volk“ kenne ich.

Der Endkampf

Aus dem Umfeld der Evangelischen Allianz Frankfurt, einem Zusammenschluss von aktuell ca. 50 (unabhängigen) Gemeinden und Freikirchen in Frankfurt am Main, kommt auch die Frankfurter Pediga-Organisatorin Heidi Mund. Nach eigener Aussage sprach Gott im Januar 2006 in Jerusalem zu ihr über Frankfurt. Ihr Auftrag ist es, in Zusammenarbeit mit engagierten Christen im Rhein-Main-Gebiet „den Thron Gottes in Frankfurt aufzurichten und die Stadt mit dem Wort Gottes zu füllen, damit Menschen zur Erkenntnis der Wahrheit, die Jesus Christus selbst ist, kommen.“

Sehen Sie ein Video einer Fragida-Demonstration vom 26.01.15. Ein Freund aus Israel hetzt gegen die Minderheit (ca. 5% in Deutschland) der Muslime. Heidi Mund selbst ist kurz mit einer Israel-Deutschland-Fahne zu sehen:
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Armageddon

Rudi Pinke leitete 14 Jahre als Pastor das Christliche Zentrum Frankfurt (CZF) – eine junge Freikirche, die sich sehr für ihre Mitmenschen engagiert –,bevor „ihm Gott den Startschuss für eine neue geistliche Herausforderung gab“. Er gründete “Father’s House Ffm e.V.”, um „durch geistliche Elternschaft Menschen in ihre Berufung hineinzuführen und sie im Glauben des ‚geliebt seins‘ freizusetzen.“ Nur so sei das „in Christus“ leben möglich. Um den Lesern seiner Website in der Nachfolge Jesu Christi zu helfen, bietet er Texte an, in denen er sich unter anderem in geschichtstheologisch-biblischen Endzeitprophetien ergeht. Aktuell ordnet er Israels 6-Tage-Krieg 1967 als Befreiung ganz Jerusalems ein und stellt nach mehreren Blutmonden, Mond- und Sonnenfinsternissen schließlich die Frage in den Raum, was uns Gott durch die Ereignisse (Gazakrieg?) im Jahre 2014 sagen möchte. Früher besuchte ich einen Haus/Gebetskreis unter seiner Leitung.

Beten für den Untergang

Ich nahm auch oft am Gottesdienst des Christlichen Zentrums Frankfurts teil. In Gesprächen mit Gemeindemitgliedern war es in keinster Weise vermittelbar, dass Israel ein ausgeprägter Apartheidstaat, ein Relikt aus dem 19. Jahrhundert ist, der Hochzeit europäischen Imperialismus und Kolonialismus. Im Gegenteil: Die Gemeinde betet zweimal im Monat für Israel, „weil wir als Christen von Gott dazu den Auftrag haben.“ Dieser selbst auferlegten Pflicht liegt die in christlichen Kreisen weitverbreitete Vorstellung zu Grunde, dass das heutige Jerusalem Zion ist. Der politische Journalist Arn Strohmeyer schreibt hierzu auf dem Palästina Portal: „Der Begriff Israel ist religiös so mystifiziert, dass in kirchlichen Kreisen immer noch der Glaube existiert, man könne eine direkte Anknüpfung vom Alten Testament zum heutigen Israel herstellen. ‚Die Juden sind ja das Volk Gottes!‘ hört man Christen oft argumentieren.“ Der israelische Historiker Shlomo Sand formuliert hart, aber angemessen in seinem Buch „Die Erfindung des Landes Israel“: „Ungeachtet aller Sympathiebekundungen unterscheidet sich die unter christlichen Zionisten vorherrschende Wahrnehmung der Juden nicht grundsätzlich von der Haltung der Antisemiten. Zwar lassen sich viele feine Unterschiede unter den Evangelikalen und sonstigen Protestanten erkennen, doch teilen sie alle eine eindeutig essentialistische und ethnozentrische, von Vorurteilen nur so strotzende Einstellung gegenüber den Juden und ihrer angeblichen Machtstellung in der Welt.“

Der Armeedienst Gottes

Das evangelische Frauenbegegnungszentrum am Römerberg hat die palästinensische Christin Sumaya Farhat-Naser eingeladen. Die Wissenschaftlerin arbeitet als Friedensvermittlerin im Westjordanland und stellt ihr neues Buch „Unter dem Feigenbaum“ vor. Ich bewundere den Lebensmut dieser Frau, die seit Jahrzehnten unter der israelischen Besatzung leidet. Am schlimmsten seien die zionistischen Christen, sagt sie. Sie hätten allein in Jerusalem sieben missionarische Zentren. Mit großem Erfolg würden sie den Menschen beibringen, dass die Politik Israels – Landraub, Vertreibung und Entrechtung der Araber – dem Willen Gottes entspricht.

Wie israelische Politiker das Alte Testament in die Gegenwart zoomen, um die Geschichte Gottes mit „seinem Volk“ weiterzuführen, darüber schreibt Shlomo Sand in Die Erfindung des Landes Israel: „In nicht allzu ferner Vergangenheit wurde ausgerechnet das Buch Josua von breiten zionistischen Kreisen, deren prominentester Vertreter sicherlich David Ben-Gurion war, allen anderen biblischen Büchern vorgezogen, und das, obwohl viele Intellektuelle seit den Tagen der Aufklärung sich wegen der in ihm geschilderten Vernichtungsaktion /(Vernichtungsgebot, Anm. d. A.) vom Buch Josua distanziert haben. Die Geschichte der Besiedlung und Rückkehr des „Volkes Israel“ in sein verheißenes Land hauchte den Gründervätern des Staates Begeisterung und Tatendrang ein, sie stürzten sich regelrecht auf die inspirierenden Analogien zwischen der biblischen Vergangenheit und der nationalen Gegenwart.“ Der Autor verweist anschließend auf die hohe Präsenz des Buches Josua in der heutigen jüdisch-israelischen Gesellschaft.

Viele Juden in Israel leben in einer vormodernen Glaubenswelt, wie es sie in Deutschland zuletzt vor Martin Luther gegeben hat. Sumaya Farhat-Naser sagt in Bezug auf ihre alltäglichen Erfahrungen unter der Besatzung: „Was früher der Kommunismus war, ist heute die Religion!“

Pflugscharen zu Schwertern

Christliche Zionisten rennen in Israel offene Türen ein. Laut der letzten Umfrage des Israelischen Demokratie-Instituts (IDI) von Oktober 2013 (also vor dem Gazakrieg, Anm. d. A.) unterstützen 57,7 Prozent der jungen jüdischen Israelis (Alter 18-24) eine „sanfte ethnische Säuberung“, sprich eine Regierungspolitik, die arabische Israelis zur Auswanderung drängt.

Die Rechtsfaschisten in der Knesset lieben übrigens die Internationale Christliche Botschaft Jerusalems (ICEJ), die für zionistische Christen die Funktion eines Brückenkopfs hat. Hier bedankt sich der amtierende Ministerpräsident Benjamin Netanjahu persönlich bei dem Missionszentrum für die „Freundschaft und Großzügigkeit während der Militäroperation Fels in der Brandung“ im Sommer 2014: http://int.icej.org/sites/default/files/en/pdf/international_christian_embassy_jerusalem.pdf

Die Staatsterroristen

Israelische Rechtsfaschisten und christliche Zionisten verfolgen exakt die gleiche Ideologie: Sie nehmen das Alte Testament als Grundbuch für den Staat Israel, was bedeutet, dass das heutige Israel die in der Bibel beschriebenen Landesgrenzen einzunehmen hat. Es gibt in Israel praktisch keinen einzigen Tag, an dem nicht israelische Panzer Häuser von Palästinensern/Muslimen planieren.

Nach Amos Oz, einem israelischen Schriftsteller, Journalisten und Mitbegründer der politischen Bewegung Peace Now, „sind die Wurzeln von Groß-Israel in der Likud-Partei und deren historischen Vorläufern zu suchen – also unter säkularisierten jüdischen Nationalisten.“ Die Likud-Partei ist in Israel so regelmäßig an der Macht wie Bayern München Deutscher Meister wird, ohne die Idee von Eretz Israel/Groß-Israel ein einziges Mal wirklich aufgegeben zu haben. Unter Eretz Israel verstehen Zionisten im Prinzip ganz Palästina. Auf offiziellen israelischen Landkarten gibt es das besetzte Westjordanland nicht mehr. Es ist bereits als israelisches Staatsgebiet ausgewiesen.

Kalifat des Schreckens

Wie viele Millionen Christen und Juden gibt es wohl weltweit, die ihren Glauben nicht religiös-spirituell begreifen, sondern ethnozentrisch-territorial, indem sie aus Mitgliedern der jüdischen Religionsgemeinschaft aus unterschiedlichen Nationen, bzw. aus sich selbst, ein jüdisches Volk machen und es an einen bestimmten Landstrich auf dieser Erde binden?

Das Douglas E. Goldman Jewish Genealogy Center http://www.bh.org.il/databases/jewish-genealogy/ in Tel Aviv gibt Besuchern „die Möglichkeit ihre Abstammung zu erforschen, ihre eigenen Familienbäume für zukünftige Generationen aufzuzeichnen und zu bewahren, indem sie ihren eigenen Zweig dem Familienbaum des „jüdischen Volkes“ hinzufügen.“ Bereits 5 Millionen Personen seien in der expandierenden Datenbank aufgenommen worden. Die Vorstellung, dass es sich bei Juden um  Religionsangehörige und nicht um  Stammesmitglieder handelt, scheint in der jüdischen Welt nicht allzu weit verbreitet zu sein, wenn man bedenkt, dass es weltweit nur ca. 14 Millionen Juden gibt. Und ich dachte immer, die wesentliche Konsequenz aus der Zeit des Nationalsozialismus ist die für alle verpflichtende Überzeugung, dass Juden nicht anders sind.

Israel wird zunehmend zu einem christlich-jüdischen Terror-Kalifat! Ähnlich wie bei dem Islamischen Staat ergeht der Ruf an alle Gläubigen/Juden – über die Nationengrenzen hinweg – zur wahren Religion/Judentum/Israel zurückzukehren.

Nach Einschätzung von Menschenrechtsorganisationen werden in Israels Gefängnissen aktuell Tausende von Palästinensern/Muslimen gefoltert.

von Claus Folger

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Teil 2 in Kürze hier zu lesen

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Quellen – weiterführende Links

(1) http://www.kritisches-netzwerk.de/forum/ein-oder-zweistaaten-perspektive-palaestina-versus-israel-oder-israel-palaestina 

(2) http://www.kritisches-netzwerk.de/printpdf/3937

(3) “Christus für alle Nationen” auf Facebook.de

Foto: © S. v. Gehren / pixelio.de
Videos aus youtube.de, Urheber und Uploader findet man durch Anklicken des Symbols (Ansehen auf Youtube) der jeweiligen Videos am Bildrand unten rechts


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