Religion fördert also psychische Gesundheit… ja da schau her!

Bibel und FreudIn wel­chem Fachblatt würde wohl eine Studie ver­öf­fent­licht wer­den, die nach­weist, dass Religion die psy­chi­sche Gesundheit för­dert? Sicherlich nicht in der Nature - auch nicht beim deutsch­spra­chi­gen Spektrum oder den Science Blogs wäre das mög­lich.

Möglich ist es jedoch – wen wun­derts? – in einem “Journal of Religion and Health”.

Nun muss man ganz sicher nicht Doktor der Psychologie sein um zu begrei­fen, dass es das eigene Gewissen ent­las­tet, die Verantwortung für sein eige­nes Leben und Handeln an einen omni­po­ten­ten Dritten zu über­ge­ben. Und man muss eben­falls nicht son­der­lich viel psy­cho­lo­gi­sches Wissen haben, um zu ver­ste­hen, dass es in Notsituationen Halt bie­ten kann, an einen wie auch immer gear­te­tes Außer- und Über­ir­di­sches Wesen zu glau­ben. Und ganz sicher ist es auch rich­tig, dass die Hoffnung, dass alles, was Einem geschieht, einen Sinn hat, hilft, über als Unglück emp­fun­dene Situationen hin­weg­zu­kom­men.

Das ist alles rich­tig.

Falsch hin­ge­gen ist die Schlussfolgerung, dass zu die­ser Lebensbewältigung Religion not­wen­dig sei. Beim ORF fin­det sich ein Artikel über die Studie, in der es heißt:

72 Prozent der rele­van­ten Studien zeig­ten, dass die psy­chi­sche Gesundheit mit dem Ausmaß, in dem sich ein Mensch religiös-spirituell enga­giert, steigt…

wobei aber kein Wort dar­über ver­lo­ren wird, was hier gemes­sen wird. Und wie.

Was wird als “psy­chi­sche Gesundheit” dekla­riert? Und wie wird die gemes­sen? Depressionen zum Beispiel las­sen sich unter Zuhilfenahme von Religion sehr gut unter­drü­cken – sie blei­ben aber vor­han­den. Der Betroffene mag sich zwar bes­ser füh­len; aber er hat damit die Ursachen der Depression nicht erkun­det. Und das – so die über­ein­stim­mende Lehrmeinung fast aller psy­cho­lo­gi­schen Richtungen – ist die Voraussetzung für die Behandlung die­ser Krankheit. Das “religiös-spirituelle” unter­drückt in die­sem Falle nur die Krankheit – und macht damit die Heilung so gut wie unmög­lich.

In dem Artikel heißt es wei­ter:

Je nach Krankheitsgruppen … seien die Hinweise auf eine Schutzfunktion durch Religiosität teils äußerst stark, allen voran bei Sucht, Depression und Suizid, doch auch bei Demenz waren die Resultate viel­ver­spre­chend.

Natürlich! Kann doch das Verkriechen in eine “innere”, in eine reli­giöse oder spi­ri­tu­elle Welt von den tat­säch­lich und objek­tiv vor­han­de­nen Schwierigkeiten – vor allem im sozia­len Umgang mit­ein­an­der – ablen­ken. Kann doch genau diese in der moder­nen Gesellschaft zwang­hafte Suche nach dem “inne­ren Friede” genau den Suchtcharakter anneh­men, der in der Studie als Therapiegrund ange­bo­ten zu wer­den scheint1.

Hier wird nach mei­ner Meinung ein­fach die eine Sucht mit der ande­ren aus­ge­tauscht. Und – ehr­lich – dass Religiösität irgend etwas an der Demenz ver­än­dert wage ich stark anzu­zwei­feln. Zwar mag es mög­lich sein, dass – bei früh­in­dok­tri­nier­ten Menschen – die Gebete noch erin­nert wer­den; doch ob Religionen gegen den Verfall der Erinnerungen und vor allem des Kurzzeitgedächtnisses hel­fen… das bezwei­fel ich dann doch sehr.

Das, was ich hier ver­mu­tete, bestä­tigt vom Prinzip her sogar der Leiter der Studie:

Was nun genau das psy­chisch Gesunde von Religion – die jewei­li­gen Einzelstudien befrag­ten Angehörige der Weltreligionen, Atheisten bil­de­ten die Kontrollgruppe - ist, gehe aus der Studie nicht her­vor, betonte Bonelli. Zu ver­mu­ten sei, dass Transzendenz dem Menschen dabei helfe, „sich in die Welt ein­zu­ord­nen und sich nicht immer nur um sich selbst zu dre­hen, son­dern auf andere hin­ge­wie­sen zu sein“.[Hervorhebung von mir]

Der letzt-zitierte Satz läßt mich dar­auf hin­wei­sen, dass es kei­nes­falls not­wen­dig ist, sich reli­giös zu gebär­den, um Empathie für andere Menschen zu ent­wi­ckeln. Es braucht keine “Zehn Gebote” (und die christ­li­chen schon gar nicht), um sich als Mensch unter Menschen – oder als Mensch unter ande­ren Tieren – zu füh­len. Schon allein die Formulierung, die Bonelli wählt, zeigt seine Hinwendung zum Esotherischen: “auf andere hin­ge­wie­sen zu sein”… ist ein­fach eine Worthülse und sagt nichts; klingt aber schön. Es ist nicht “Transzendenz”, die uns dazu bringt, andere Menschen als Menschen zu sehen. Es ist Empathie; es ist unser Menschsein.

Ich will nicht in die Kerbe schla­gen und nun davon reden, wie oft und unter Zuhilfenahme wel­cher Religion genau das dazu führte, dass Menschen genau das nicht taten: mensch­lich zu sein. Aber es waren jeden­falls nie Nichtgläubige, die Kanonen seg­ne­ten.

Nic

  1. ich muss so vorsichtig formulieren, da ich die Studie selbst nicht kenne, sondern nur den Artikel, aus dem ich zitiere. Sonst hätte ich formuliert: … angeboten wird.

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