Kuriose Feiertage und Fliegen scheinen mit Blick auf die vorhandenen Aktions- und Gedenktage eine enge Verbindung zu haben. Siehe dazu u.a den Tag der fliegenden Milchkuh (engl. Elm Farm Ollie Day) am 18. Februar, den Nationalen Tag der Luftfahrt in den USA (engl. National Aviation Day) am 19. August oder den Tag der Internationalen Zivilluftfahrt (engl. International Civil Aviation Day) am 7. Dezember. Nicht umsonst gilt das Fliegen als einer der ältesten Menschheitsträume und um diesen dreht es sich auch am heutigen 23. August mit dem Reite-den-Wind-Tag (engl. Ride the Wind Day). Um was geht es bei dabei?
Henry Kremer und die Stiftung der sogenannten Kremer-Preise
Im Jahr 1959 setze der als etwas spleenig verschriene britische Industrielle und Millionär Henry Kremer eine Reihe von Preisgeldern aus, mit denen er den Fortschritt des sogenannten Muskelkraftfluges fördern und voran treiben wollte.
Da es hier um nicht gerade geringe Summen für eine eigentlich veraltete Flugtechnik ging (siehe unten), haben Flugenthusiasten und Bastler diese sogenannten Kremer-Preise immer wieder zum Anlass genommen, sich dieser Herausforderung zu stellen. Folgende Herausforderungen und Preisgelder für Muskelkraftflüge wurden seitdem unter der Administrative der britischen Royal Aeronautical Society’s Human Powered Aircraft Group mit Sitz in London ausgeschrieben:
- Ein Muskelkraftflug in Form einer liegenden Acht um zwei 800 Meter auseinander stehende Pfähle in 8 Minuten und mindestens 3 Metern Flughöhe . Preisgeld: £50,000.
- Überquerung des Ärmelkanals mit einem Muskelkraft-Flugzeug. Preisgeld: £100,000.
- The Kremer International Marathon Competition: Zwei Kreise, eine liegende Acht sowie zwei Kreise über die Marathon-Distanz innerhalb von 60 Minuten. Preisgeld: £50.000.
- The Kremer International Sporting Aircraft Competition: Konstruktion eines Muskelkraft-Sport-Flugzeugs, dessen Flugtauglichkeit unter realen Wetterkonditionen nachgewiesen wird. Preisgeld: £50.000.
- The Kremer International Seaplane Competition: Im Prinzip wie die ursprüngliche Kremer-Ausschreibung, nur dass hier das Muskelkraft-Flugzeug vom Wasser aus starten und im Wasser landen muss. Dies innerhalb eines Zeitrahmens von 6 Minuten. Preisgeld: £10.000.
Erstmalig gewonnen wurde eines dieser Preisgelder allerdings erst am 23. August 1977 mit dem Muskelkraft-Flugzeug Gossamer Condor. Zu Ehren der Gewinner Dr. Paul MacCready (Konstrukteur – 1925 – 2007) und seines Piloten Bryan Allen, wird dieses Datum vor allem in Großbritannien und den USA als der heutige Reite-den-Wind-Tag gefeiert.
Muskelkraftflug oder das von Menschen angetriebene Fluggerät
An dieser Stelle gilt es zunächst zu klären, was überhaupt unter einem Muskelkraft-Flugzeug (engl. human powered aircraft – HPA oder auch: man powered aircraft – MPA) bzw. dem Muskelkraftflug zu verstehen ist? Der Name beschreibt im Wesentlichen ja bereits das Antriebsprinzip dieses Flugzeugstyps, dessen zumeist pedalbetriebener Antrieb auf der Muskelkraft des Piloten basiert und entsprechend auf einen Motor verzichtet.
Da die menschliche Konstitution aber im Gegensatz zu den Vögeln nicht darauf ausgelegt ist, ohne längere Regenerationsphasen die notwendige Leistung zu erbringen, bedürfen Muskelkraft-Flugzeuge einer sehr niedrigen Flächenbelastung (= eine große Spannweite der Tragflächen) und einer äußerst leichten Konstruktion, um so die Gleiteigenschaften optimal nutzen zu können. Gerade der letztgenannte Aspekt des Leichtbaus hat die Tüftler und Konstrukteure von Muskelkraft-Flugzeugen immer wieder vor große Herausforderungen gestellt.
Erst mit der Erfindung von leichten, zugleich aber auch äußerst stabilen Materialien wie z.B. Karbon wurde es überhaupt möglich, flugfähige Muskelkraft-Flugzeuge mit hoher Gleitzahl und der notwendigen Spannweite zu konstruieren. Dies erklärt dann auch, weshalb die Herausforderung des Kremer-Preises erst im Jahr 1977 bewältigt werden konnte und woher die Bezeichnung des Reite-den-Wind-Tages stammt.
Paul MacCready und Bryan Allen reiten den Wind
Wie eingangs bereits erwähnt war es Dr. Paul MacCready und sein Pilot Bryan Allen, die mit ihrem Muskelkraft-Flugzeug Gossamer Condor erstmals die Herausforderung des ursprünglichen Kremer-Preises schafften und somit das ausgeschriebene Preisgeld von £50,000 kassierten.
Das Gespann schaffte am 12. Juni 1979 dann auch die zweite Kremer-Herausforderung und Allen überquerte als erster Mensch den Ärmelkanal mit dem Gossamer Albatross von England nach Frankreich. Gerade bei der Überquerung des Ärmelkanals zahlte sich der Rennradfahrer-Hintergrund des Piloten Allen dann natürlich aus. Die Namen dieser Muskelkraft-Flugzeuge sind übrigens nicht willkürlich gewählt, sondern beziehen sich auf Vögel mit einer großen Spannweite (Condor und Albatross).
Zwar wurden zwischenzeitlich noch weitere Kremer-Preise vergeben, offen sind bis heute jedoch noch die Kremer International Marathon Competition, die Kremer International Sporting Aircraft Competition sowie eine spezielle Ausschreibung für unter 18jährige in Großbritannien.
Weitere Informationen zum Reite-den-Wind-Tag
Auch wenn ich im Zuge der Recherchen nicht herausfinden konnte, seit wann genau der Ride the Wind Day begangen wird, deutet jedoch einiges darauf hin, dass hier die Royal Aeronautical Society’s Human Powered Aircraft Group ihre Finger mit im Spiel hatte. Zumindest kennen wir im Falle des Reite-den-Wind-Tages den Grund für die Wahl des Datums. Und das ist im Rahmen der kuriosen Feiertage ja nun auch nicht immer gewährleistet.
- Offizielle Website Royal Aeronautical Society’s Human Powered Aircraft Group (englisch)
- Wikipedia-Eintrag zum Kremer-Preis (englisch)